Ein dunkles Kapitel: Medikamentenmissbrauch in der NHL
Anfang Oktober brachte Robin Lehner mit seinen Tweets den Stein ins Rollen: Lehner äußerte sich via Twitter über den Medikamentenmissbrauch in der NHL. „Ist es normal für Arbeitgeber, seinen Angestellten Benzodiazepine und Ambien zu verabreichen, wenn sie reisen? Sollte das nicht von Doktoren oder einem Psychiater gemacht werden? Der 30-jährige Goalie der Vegas Golden Knights versicherte, dass diese Handhabung nicht in Las Vegas der Fall sei, er allerdings in Mannschaften gespielt hatte, wo diese Vorgehensweise üblich war.
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Nun stellte sich auch noch heraus, dass der erst vor Kurzem verstorbene NHL-Spieler Jimmy Hayes Kokaine und Fentanyl in seinem Körper hatte, als er Ende August verstarb. Dass der ältere Bruder von Kevin Hayes Jr. (Philadelphia Flyers) Probleme mit Schmerzmitteln hatte, entging auch seinem Vater nicht, denn er bestätigte, dass er vor 16 oder 17 Monaten „eine kleine Veränderung“ im Verhalten seines Sohnes bemerkte.
"Ich bin zu ihm gegangen und habe gesagt: ‚Ich glaube, es gibt ein Problem mit den Tabletten‘“, sagte Kevin Hayes. „Er hatte eine Verletzung für eine Weile, und ich glaube, er hat angefangen, Schmerzmittel zu nehmen, und die machen dich fertig. Ich sagte: ‚Jim, ich glaube, ich sehe hier ein Problem. Und er ist 31 Jahre alt, also kann ich ihm nicht sagen, dass er sich Hilfe holen soll. Also sagte ich: ‚Wenn du Hilfe brauchst, werde ich für dich da sein, Kumpel. Lass es mich wissen.‘“
Jimmy Hayes verstarb im August an einer Vergiftung durch Fentanyl und Kokain BILDBYRÅN/ZUMA Wire
Und weiter: „Drei Wochen später rief er mich an und sagte: ‚Dad, ich bin süchtig nach diesen Pillen. Ich habe mich verletzt und habe angefangen, sie zu nehmen, und bin nicht mehr davon losgekommen.‘ Und ich sagte: ‚Nun, lass uns dir Hilfe besorgen.‘ Er bekam also Hilfe und ich dachte, alles sei auf dem Weg der Besserung. Aber dieser Sch*** ist so mächtig.“
Hayes‘ Vater sagte, es sei wichtig, die Geschichte seines Sohnes zu erzählen, weil er nicht wolle, dass er "als Junkie stigmatisiert" werde.
Mangelnde Aufklärung von Schmerzmitteln in der NHL
Die neuesten Vorfälle in der NHL in Bezug auf den Medikamentenmissbrauch sorgen für Schlagzeilen, allerdings ist der sorglose Umgang mit Schmerzmitteln nichts Neues. Etliche NHL-Spieler zuvor verfielen den starken Betäubungsmitteln wie Codein, Oxycodone, Fentanyl, Toradol, Hydrocodone oder Tramadol.
Auch der ehemalige NHLer Ryan Kesler äußerte sich bereits letztes Jahr über dieses Thema und war der Meinung, dass es in der gesamten NHL an einer Aufklärung von den Risiken von Schmerzmitteln mangelt. Kesler absolvierte 1.001 Spiele für die Vancouver Canucks und die Anaheim Ducks. Seit März 2019 konnte er allerdings wegen chronischer Hüftprobleme nicht mehr am Spielbetrieb der NHL teilnehmen. Um die Schmerzen in den Griff zu bekommen, habe er häufig Toradol eingenommen, ein Medikament, das nicht für den Langzeitgebrauch zugelassen ist. „Ich wollte das Team nicht verletzen, also wusste ich, dass ich spielen muss. Um zu spielen, muss man Schmerzmittel nehmen", sagte er.
Ryan Kesler im Trikot der Anaheim Ducks BILDBYRÅN/Icon SMI
2015 hat Kesler eine Kolitis entwickelt, eine chronische Krankheit, die lang anhaltende Entzündungen und Geschwüre im Verdauungstrakt verursacht. Die Ärzte sagten ihm, dass die Krankheit höchstwahrscheinlich durch den Toradol-Missbrauch ausgelöst wurde.
„Ich hatte Löcher in meinem Dickdarm und Geschwüre - und im Grunde hat sich mein ganzer Darm verkrampft. Das ist sehr unangenehm. Man muss 30- bis 40-mal am Tag auf die Toilette gehen. Und wenn du auf die Toilette gehst, ist es reines Blut. Es erschöpft einen. Es ist schrecklich. Und das alles nur, weil ich nicht darüber aufgeklärt wurde, was diese Droge mit mir anstellen kann.“
Andere NHL-Spieler mussten mit ihrem Leben bezahlen
Wie auch im Fall von Jimmy Hayes verliefen die Begegnungen mit Schmerzmittel für andere NHL-Spieler noch schlimmer und kosteten ihnen am Ende sogar das Leben. So auch im Fall von NHL-Enforcer Derek Boogaard. Boogaard oder "Boogeyman”, wie viele ihn wegen seiner Faustkämpfe nannten, absolvierte 277 NHL-Spiele für die Minnesota Wild und New York Rangers und starb im Alter von 28 Jahren an einer Überdosis Percocet (Oxycodone) in Kombination mit Alkohol.
Derek Boogaard im Trikot der Minnesota Wild BILDBYRÅN/Icon SMI
Auch Boogaards Probleme mit Schmerzmitteln waren bekannt und trotzdem soll der Zugang zu den Arzneimitteln für ihn sehr einfach gewesen sein. In Boogaards Autobiografie „Boy on Ice - The Life and Death of Derek Boogaard” beschreibt sein Vater, wie einfach es für Derek war, an Medikamente zu kommen: Derek konnte sich von mehreren Ärzten Rezepte ausstellen lassen, auch von Ärzten aus NHL-Teams, in denen er zu diesem Zeitpunkt nicht Mitglied war. Oft, so fand Len Boogaard heraus, wurden diese Rezepte (und andere für Grippemittel, abschwellende Mittel, Antidepressiva und Anti-Angst-Pillen) ausgestellt, nachdem Derek lediglich eine SMS an das Handy des Arztes geschickt hatte, ohne dass dies in den Krankenakten der Teams vermerkt wurde. Während seiner Zeit bei den New York Rangers und Minnesota Wild soll Boogaard mehr als 100 Rezepte für Tausende von Pillen von mehr als einem Dutzend Teamärzten erhalten haben.