DEL

Fabrizio Pilu: Ein offensiver Senkrechtstarter an der blauen Linie

Eigentlich sollte Fabrizio Pilu in dieser Saison erste, vorsichtige Gehversuche im Profi-Bereich unternehmen, doch nach knapp der Hälfte der Saison ist der 19-jährige Verteidiger ein gesetzter Stammspieler bei den Nürnberg Ice Tigers in der DEL. Mit EliteProspects Rinkside sprach der Deutsch-Italiener über Wurzeln in Argentinien, seinen offensiven Spielstil und seine unerwartete Debüt-Saison.



Wer hätte das gedacht? Als einer von acht Verteidigern bei den Ice Tigers war der Plan bei Nesthäkchen Pilu, sich über den Kooperationspartner Bayreuth Tigers in der DEL2 für den einen oder anderen DEL-Einsatz zu empfehlen. Doch von 24 möglichen Spielen absolvierte das 19-jährige Talent deren 21 und wusste dabei auch noch voll zu überzeugen. 

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„Das hätte ich auf gar keinen Fall gedacht“, sagt Pilu. „Ich dachte, ich würde ein bisschen länger brauchen, um mich ins Team zu integrieren und wollte mich für die DEL2 empfehlen, um dort erste Erfahrungen zu sammeln. Ich hatte davor ja nie Profi-Eishockey gespielt. Umso überraschender war es, dass ich mich schon in diesem Jahr gut in der DEL einspielen konnte.“


Drei Premieren in einer Woche  

Verletzungen und Corona-Fälle in Nürnbergs Abwehr spülten den damals 18-jährigen Verteidiger gleich zum Auftakt in die Aufstellung. „Ich habe erst relativ kurz davor erfahren, dass ich spielen würde. Es war am Tag der Abfahrt nach Iserlohn. Unser Co-Trainer Manuel Kofler hatte mir gesagt, dass ich mein DEL-Debüt geben werde“, erinnert sich Pilu. „Ich war natürlich direkt nervös und habe mir Gedanken gemacht. Während der Busfahrt hat es sich aber wieder gelegt. Erst beim Morning Skate am nächsten Tag habe ich dann realisiert, dass es am Abend ernst wird. Als wir zum Stadion gefahren sind, kam die Nervosität wieder. Auf dem Eis hat es sich dann aber schnell wieder gelegt. Natürlich war es etwas ganz Besonderes. Ausgerechnet das erste Spiel in Iserlohn vor einer unglaublichen Kulisse – das hat viel Spaß gemacht. Leider haben wir verloren.“

Zwei Tage nach dem 1:4 bei den Roosters lief Pilu dann erstmalig vor heimischer Kulisse in der Frankenmetropole auf und landete beim 3:0 gegen die Bietigheim Steelers den ersten Sieg. „Auch das war etwas ganz Besonderes: Mein Bild mit meinem Namen auf dem Videowürfel zu sehen, die Fans schreien zu hören – das war unglaublich toll.“ 

Im dritten Spiel folgte dann die dritte Premiere: Pilu gab seinen ersten DEL-Assist – ausgerechnet bei den Adlern Mannheim (2:3), wo für ihn alles anfing. „Ich hatte es gar nicht realisiert, dass ich überhaupt einen Punkt gemacht hatte. Auch der Stadionsprecher hatte es nicht ausgerufen. Ich habe es erst in der Video-Analyse gesehen, der Assist wurde mir nachträglich zugesprochen. Den Puck habe ich deshalb leider nicht bekommen.“

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Argentinische Eltern mit italienischen Wurzeln  

Pilu wurde am 31. Oktober 2002 in Mannheim geboren. Wie sein Name vermuten lässt, hat er eine exotische Familiengeschichte. „Meine Eltern kommen aus Argentinien, sind dort geboren und vor langer Zeit nach Deutschland gekommen. Die Familie meines Vaters kommt aus Italien, weshalb ich auch italienische Wurzeln und auch einen italienischen Pass habe“, erklärt der Deutsch-Italiener, der damit multilingual aufgewachsen ist. „Spanisch kann ich relativ gut, italienisch verstehe ich schon, doch beim Sprechen tue ich mich schwer, weil ich es ein bisschen verlernt habe.“

Trotz dieser Vorgeschichte wurde aus Pilu aber kein Lionel Messi oder Gianluigi Buffon, sondern ein Eishockey-Spieler. „Meine Mutter wollte zuerst, dass ich Fußball spiele, denn Eishockey war ihr zu gefährlich“, lacht Pilu. „Ich bin durch meinen großen Bruder dazu gekommen. Als ich drei, vier Jahre alt war bin ich zu Hause schon immer mit den Inlinern herumgefahren, habe die Ausrüstung von meinem Bruder angezogen und wollte unbedingt selbst anfangen. Ich bin mit sechs Jahren also in die Laufschule gegangen. Am Eishockey hat mich einfach alles begeistert: das Schlittschuhlaufen, mit dem Schläger zu spielen, dass es ein Mannschaftssport ist. Auch meine Mutter konnte dann nicht mehr nein sagen.“

Ausgebildet wurde der 1,83 Meter große Rechtsschütze dann bei den Jungadlern Mannheim und trat sowohl in der Schüler-Bundesliga als auch in der DNL als punktesammelnder Abwehrspieler auf. „Es war eine unglaubliche Zeit. Dass ich auch noch zu Hause leben durfte, hat es umso schöner gemacht. So konnte ich viel Zeit mit der Familie und mit Freunden verbringen und mich gleichzeitig voll dem Eishockey widmen. Ich hatte unglaublich viel Spaß in den Junioren-Mannschaften, habe viel erlebt und bin unglaublich dankbar, dass ich ein Teil davon sein durfte.“

Auch wurde Pilu schon in der U 16 zum Nationalspieler. Seine Wahl fiel auf Deutschland. „Ich hatte mir schon überlegt, ob ich für Italien spielen sollte, aber ich habe mich bei der deutschen Auswahl wohler gefühlt. Deswegen war am Ende nur Deutschland eine Option. Damals war alles noch ein Hobby für mich, ich konnte kaum begreifen, dass es langsam ernster wird. Von da an habe ich realisiert, dass das was werden könnte mit dem Profi-Eishockey.“

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Viel Eiszeit und Special Teams in Nürnberg  

Ganz ohne Hindernisse aber war der Weg zum Profi nicht. Da kam etwa die Coronavirus-Pandemie dazwischen, die schlussendlich nur fünf magerere Spiele in der Saison 2020/21 zuließ. Ein Rückschlag vor allem auch deshalb, weil der Blueliner nirgendwo anders unterkam. „Es war sehr schwer für mich, weil ich mir im Dezember das Innenband gerissen hatte, pausieren musste und erst im Februar wieder komplett fit war. Nach meiner Verletzung durfte ich dann bei den Profis der Adler mittrainieren, doch danach noch irgendwo hinzuwechseln war schwer. Ich hatte ja quasi keine Spiele gemacht, war lange raus und die anderen Teams hatten alle schon junge Spieler verpflichtet. Ich hatte also einen langen Sommer, habe aber das Beste daraus gemacht: viel Kraft- und Ausdauertraining. Das hat viel geholfen, ich konnte Gewicht zulegen und bin kräftiger geworden. Alles Sachen, die man braucht, um im Profi-Bereich spielen zu können.“

Genau dort tat sich eine Option auf: Der damalige Ice-Tigers-Trainer Frank Fischöder streckte seine Fühler nach Pilu aus, den er als früherer Nachwuchschef in Mannheim noch bestens kannte. „Ich hätte auch bei den Adlern unterschreiben können, doch für mich war es die bessere Option erstmal ein Jahr nach Nürnberg zu gehen. Ich kannte Fischi ja und auch die Wahrscheinlichkeit, Spielzeit in der DEL zu bekommen, war höher.“

Pilu wurde also ein Ice Tiger und schnell ein gefragter Stammspieler. Unter Fischöders Nachfolger Tom Rowe erhielt der 19-Jährige gar noch mehr Eiszeit, spulte zwischendurch sogar über 20 Minuten pro Partie ab. „Ich freue mich natürlich, dass ich das Vertrauen der Trainer bekomme und so einen Schritt machen konnte. So viel Eiszeit als junger Spieler – das ist nicht selbstverständlich“, sagt Pilu, der auch in den Special Teams eingesetzt wird.

Pilu in der Startaufstellung der Ice Tigers

Pilu in der Startaufstellung der Ice Tigers BILDBYRÅN/Zink


Insbesondere im Powerplay kommen seine offensiven Fähigkeiten zur Geltung. „Die Offensive gefällt mir sehr: Ich laufe gerne mit der Scheibe nach vorne, gebe Pässe und versuche, mit Selbstvertrauen zu spielen. Verbessern muss ich allerdings noch mein Körperspiel und die 1-gegen-1-Situationen mit dem Gegner. Daran arbeite ich auch im Training und in den Video-Analysen“, so Pilu.

Zu Buche stehen in 23 Spielen bislang fünf Assist. „Relativ zufrieden“ ist Pilu damit. „Aber ich muss noch sehr viel an mir arbeiten und sehe viel Verbesserungspotenzial. Insbesondere in der Defensive.“


Coyotes und Red Wings strecken ihre Fühler aus  

Wenn ein junges Talent in jungen Jahren schon derart souverän im Profi-Bereich spielt, weckt das freilich Begehrlichkeiten. Auch in der NHL ist Pilu kein Unbekannter mehr: „Tom und Stefan (Sportdirektor Stefan Ustorf) haben mir schon gesagt, dass bei ein paar Spielen NHL-Scouts da waren, um mich zu beobachten. Es waren wohl die Arizona Coyotes und Detroit Red Wings. Ich habe versucht, das auszublenden und so zu spielen wie immer.“

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Im Draft 2021 wäre Pilu auswahlberechtigt. „Klar habe ich schonmal darüber nachgedacht, doch der Draft spielt jetzt keine primäre Rolle. Erstmal möchte ich zusehen, dass ich in der DEL meine Spielzeit bekomme und dem Team helfe, Spiele zu gewinnen. Sollte es mit dem Draft klappen, dann freut es mich – wenn nicht, wäre es auch nicht so schlimm.“

Pilu könnte in die Fußstapfen von Stürmer Tim Stützle (Draft 2020, 1. Runde, 3. Stelle, Ottawa Senators) und Moritz Seider (Draft 2021, 1. Runde, 6. Stelle, Detroit Red Wings) treten, die sich als Mannheimer Eigengewächse über Auftritte in der DEL für den NHL Draft empfehlen konnten. „Tim ist natürlich ein unglaublicher Spieler, den ich gerne verfolge. Mit Mo ist es natürlich etwas Besonderes, weil er auch rechts spielt, da kann ich mir viel abgucken und mir ein Beispiel nehmen. Er ist ein unglaublicher Eishockeyspieler, der sich gut entwickelt hat.“


U-20-WM mit Deutschland und Playoffs mit den Ice Tigers  

Genau das hat Pilu jetzt bei den Ice Tigers vor. „Ich möchte es mit Nürnberg in die Playoffs schaffen, so weit wie möglich kommen, an meinen Schwächen arbeiten, körperlich besser werden und mich weiterentwickeln.“

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Ende Dezember 2020 kann sich Pilu auch noch bei der U-20-WM für internationale Beobachter ins Schaufenster stellen. „Das freut mich für ihn, das hat er sich verdient. Leistungen wie diese, bleiben nicht verborgen“, sagte Ice-Tigers-Sportdirektor Stefan Ustorf, der selbst überrascht und angetan von der Entwicklung des Verteidiger-Talents ist: „Er ist ein junger Mann, der alles probiert, um in seiner Karriere voran zu kommen. Es gibt keine 19-jährigen Verteidiger, die in unserer Liga in einer derartigen Rolle spielen und auch nicht so viele im Profi-Bereich in Europa. Er ist schon relativ abgeklärt für sein Alter, hat ein hervorragendes Spielverständnis und ist auch körperlich solide. Auch wir sind hochzufrieden mit ihm.“

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