Privat/edited
NCAA

Lukas Kälble: Ein „Straßen-Eishockeyspieler“ mit Führungsqualitäten

Mit Lukas Kälble hat sich ein deutsches Verteidiger-Talent für den College-Weg in den USA entschieden. Der 24-jährige Mannheimer schlüpft in Übersee in eine Führungsrolle, wurde von einen Offensiv- zu einem Zwei-Wege-Verteidiger und hofft auf einen ähnlichen Karriereweg wie bei Nico Sturm oder Marc Michaelis.



Der Name Lukas Kälble stellt Mitspieler, Trainer und Staff vor große Herausforderungen: „Cal-bley, Key-buhl, Coe-buhl – ich habe schon alles gehört“, lacht der gebürtige Mannheimer, der in Potsdam, im US-Bundesstaat New York, für die Clarkson University in der College-Liga NCAA spielt.

Der Mannheimer Lukas Kälble spielt seine letzte Saison in der NCAA

Der Mannheimer Lukas Kälble spielt seine letzte Saison in der NCAA Privat


„Es ist eine kleine Stadt, fast ein Dorf, und auch eine relativ kleine Uni mit etwa 4000 Studenten. Ich wohne auf dem Campus, es ist ziemlich gemütlich hier“, berichtet Kälble, der neben dem Eishockey auch für sein Studium pauken muss: „Ich mache gerade meinen Master in Business Administration. Es ist ein Programm, in dem du den Master statt in zwei Jahren in nur einem machst. Es ist also sehr komprimiert und nimmt viel Zeit in Anspruch.“

Auf dem Eis wirkt der 24-Jährige als Verteidiger, mittlerweile auch in einer etwas defensiveren Rolle. „Zu meiner Zeit in Mannheim“, erklärt Kälble, „hätte ich mich noch als Offensivverteidiger identifiziert. Über die Jahre bin ich aber in die Rolle des Zwei-Wege-Verteidigers gerutscht. Ich kann mich also vorne einschalten, mache aber auch hinten meine Arbeit.“

In 29 NCAA-Spielen in der laufenden Saison 2021/22 sammelte der 1,85 Meter große und 93 Kilogramm schwere Linksschütze bereits 20 Scorerpunkte (5-15-20) bei einer Plus-Minus-Bilanz von +8 und erhält von seinen Trainern viel positives Feedback. „Die Coaches wissen, dass sie mich immer rausschicken können. Egal, ob wir ein Tor brauchen oder eine Führung verteidigen müssen“, so Kälble, der sich insbesondere noch im Skating verbessern möchte: „Ich möchte definitiv das Schlittschuhlaufen verbessern und arbeite mit unseren Athletiktrainern sehr hart an ein paar Feinheiten. Hinsichtlich Kraft und Explosivität bin ich schon ganz gut aufgestellt, aber in Sachen Schnelligkeit und Beweglichkeit kann ich mich noch steigern.“


Über Street- zum Eishockey  

In Kälbles Familie gab es ursprünglich keinen Eishockey-Hintergrund. Dass der Abwehrmann trotzdem zu diesem Sport fand und nun an einer Profi-Karriere arbeitet, ist seiner damaligen Nachbarschaft in Mannheim zu verdanken: „In der Straße, in der ich aufgewachsen bin, haben Spieler von den Adlern gewohnt. Dadurch haben wir mit deren Kindern oft Streethockey gespielt. Irgendwann wurde ich dann mal von einem Spieler mit in die Laufschule genommen. Das hat mir direkt Spaß gemacht und ich bin dabeigeblieben. Ich bin sozusagen über die Straße aufs Eis gekommen.“

Ausgebildet wurde Kälble dann bei den Jungadlern, einer der Top-Nachwuchs-Adressen in Europa. „Sie haben sich in den letzten Jahren einen Ruf erarbeitet, der auch hier in Nordamerika vernommen wird“, sagt Kälble. „Viele haben den Sprung in die Profi- und Junioren-Ligen über die Jungadler geschafft. Ich wusste immer, dass es ein Privileg ist, aus Mannheim zu kommen. Ich hatte es gut, konnte zu Hause wohnen, musste nicht umziehen oder die Schule wechseln, um Eishockey zu spielen. Dafür war ich immer dankbar. Ich bin extrem stolz, was wir in meiner Zeit hier erreicht haben.“

Lukas Kälble stand auch im Aufgebort der deutschen U18 Nationalmannschaft bei der WM in 2015

Lukas Kälble stand auch im Aufgebot der deutschen U18 Nationalmannschaft bei der WM 2015 BILDBYRÅN/Geisser


Insbesondere in seiner letzten Saison bei den Jungadlern ließ es der gebürtige Mannheimer so richtig krachen: 2015/16 kam er in 41 DNL-Spielen auf 54 Scorerpunkte (19 Tore, 35 Assists) – wohlgemerkt als Verteidiger. „Es war eine Supersaison! Ich kann aber nicht alles auf mich selbst nehmen, denn wir hatten ein extrem gutes Team. Ich habe als Offensivverteidiger gespielt, war in meinem dritten Jahr in diesem Bereich und habe mich noch einmal steigern können. Danach war es Zeit, für den nächsten Schritt.“


Der College-Weg: Führungsrolle in der NCAA  

Dieser führte das deutsche Talent nach Übersee: 2016/17 schloss sich Kälble den Fargo Force in der USHL an. „Durch unsere Nachbarschaft hatten meine Eltern gute Freunde aus den USA und Kanada kennengelernt. Somit bin ich mit diesem Weg schon früh in Kontakt gekommen, wusste Bescheid und hatte ihn auf dem Schirm. Schon in meinen letzten zwei Jahren in Mannheim hatte ich für mich festgelegt, dass das mein Ziel sein würde. Auch der kanadische Weg über die CHL wäre eine Option gewesen, aber mich hat das amerikanische Uni-System mehr überzeugt, weil man mehr Zeit hat, um sich zu entwickeln, bevor man eine Profi-Laufbahn einschlägt. Wie es der Zufall will, hatten wir mit den Jungadlern damals ein Turnier in den USA. Dort hatten mich auch Scouts von Fargo Force gesehen - und ich wurde gedraftet.“

Für Kälble ging es also auf einen anderen Kontinent, in ein neues Land mit einer neuen Kultur und einem etwas anderen Eishockey. „Die Umstellung war schon sehr groß. North Dakota ist ein sehr flaches Land mit kalten Wintern mit bis zu -20 oder -30 Grad über mehrere Monate. Was geholfen hat, war das Umfeld in einer Gastfamilie, das hat einen aufgefangen“, bIickt Kälble zurück. „In Sachen Eishockey war es der wahrscheinlich größte Schritt, den ich je zu bewältigen hatte: Die Eisfläche war kleiner und das Hockey sehr viel schneller.“

In den nächsten vier Jahren jagte der Verteidiger dem Puck dann für die Lake Superior State University im Bundesstaat Michigan in der NCAA hinterher. „Alles war nochmal einen Tick schneller, der größte Unterschied aber war das Körperliche“, so Kälble. „Ich blicke sehr positiv auf diese Zeit zurück: In meinem ersten Jahr waren wir noch eines der schlechtesten Teams, in meinem letzten Jahr sind wir Meister in der WCHA (heute: CCHA) geworden und haben es erstmals nach 25 Jahren wieder in die NCAA-Endrunde der Letzten 16 Teams geschafft. Es war eine sehr coole Erfahrung, diesen Prozess durchzugehen und das Programm in einem besseren Zustand zu verlassen, als ich es damals vorgefunden hatte. Auch, weil ich im Leadership-Team war.“


„Ich führe eher mit Taten als mit Worten“ 

Konkret lief Kälble 2019/20 mit dem „A“ sowie 2020/21 mit dem „C“ auf dem Trikot auf – eine große Ehre, insbesondere für einen Spieler aus dem Ausland. „Ich sehe mich auf jeden Fall als Führungsspieler“, sagt Kälble, der auch schon bei den Jungadlern als Kapitän fungierte. „Ich bin niemand, der große Reden schwingt, aber ich lege viel Wert darauf, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich führe eher mit Taten und der richtigen Arbeitseinstellung als mit Worten. Auch in der laufenden Saison habe ich eine Führungsrolle, auch wenn ich keinen Buchstaben auf dem Trikot trage.“

Den Sprung an die Clarkson University machte Kälble, um ein Exra-Jahr in der NCAA spielen zu können. Auf seinen Bachelor wollte er noch einen Master draufsetzen. Dies war an der Lake Superior nicht möglich. „Man kommt dann auf eine Transferliste. Jedes Team kann Kontakt aufnehmen. Ich habe mit mehreren telefoniert, an der Clarkson hat alles gepasst, es war eine einfache Entscheidung.“


Auf den Spuren von Sturm und Michaelis  

Damit trat Kälble in die Fußstapfen von Nico Sturm. Der 26-jährige Augsburger spielte selbst drei Jahre an der Clarkson University, eines davon als Kapitän, und stürmt mittlerweile für die Minnesota Wild in der NHL. „Wir waren auch in Kontakt, als ich mit anderen Unis geredet hatte. Ich war sehr froh darüber, seine Erfahrungen zu hören, er konnte mir viele Tipps geben“, sagt Kälble. „Er war damals ein Vorbild für mich. Ich habe auch zu Spielern wie Marc MichaelisParker TuomieFrederik Tiffels oder Janik Möser, die auch den NCAA-Weg gewählt haben, aufgeblickt. Ich kann jungen, deutschen Talenten diesen Weg nur empfehlen: Es wird viel in die Ausbildung und in das soziale Umfeld investiert, die Trainer sind extrem darauf fokussiert, die Spieler weiterzubilden. Es werden viele Video-Analysen gemacht, viel trainiert und an den Schwächen gearbeitet, um sich den Feinschliff für eine Profi-Laufbahn zu holen.“

Lukas Kälble

Lukas Kälble arbeitet an dem letzten Feinschliff an der Clarkson University


Sturm und Michaelis schafften über die NCAA den Sprung in die NHL, letzterer sogar in die deutsche Nationalmannschaft. Tuomi, Tiffels und Möser spielen heute in der DEL. Und Kälble? „Mein Berater schaut, was ich für Optionen habe. Ich bin offen für alles. Mein Ziel ist es, in Amerika einen Vertrag zu bekommen, zum Beispiel in der AHL. Sollte das nicht klappten würde ich mich auch in Deutschland oder Europa umschauen.“


Traum von der NHL und den Adlern Mannheim  

In der DEL haben bereits Teams ihre Fühler nach dem 24-jährigen Verteidiger ausgestreckt. Darunter auch sein Heimat-Verein: „Ich bin in Mannheim geboren und aufgewachsen und schon früher zu den Spielen im Friedrichspark gegangen. Mein großer Traum neben der NHL wäre, einmal für die Adler zu spielen. Sie werden sicher mein erster Ansprechpartner sein, sollte ich zurück nach Deutschland kommen“, betont der Verteidiger.

Ein Lieblings-NHL-Team hat Kälble übrigens nicht. Natürlich verfolgt er aber die deutschen Spieler wie Leon DraisaitlTim StützleMoritz Seider oder Nico Sturm. Ein Kreis aus Kälbles Kindheit könnte sich im Falle eines Vertrags in Denver schließen: „Wenn ich als Kind mal nicht Streethockey gespielt habe, dann war es NHL auf der Playstation. Da waren die Colorado Avalanche mein Lieblingsteam mit Joe Sakic und Peter Forsberg im Sturm sowie mit Patrick Roy im Tor. Natürlich ist es der Traum eines jeden Eishockeyspielers, in der NHL zu spielen – dieser lebt immer noch.“



Das könnte Dich auch interessieren:
Frederik Tiffels: Ein Kölsche Jung in Lederhosen
Frederik Tiffels: Ein Kölsche Jung in Lederhosen
Marc Michaelis: „Die schwerste Zeit meiner Karriere“ – trotz NHL-Debüt
Marc Michaelis: „Die schwerste Zeit meiner Karriere“ – trotz NHL-Debüt
Dieser Artikel ist über:
Feature Stories Clarkson Univ. Fargo Force Jungadler Mannheim U16 Jungadler Mannheim U17 Jungadler Mannheim U18 Jungadler Mannheim U19 Jungadler Mannheim U20 Lake Superior State Univ. NCAA USHL Lukas Kälble
Scoring Leaders