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Tim Fleischer: Das Taschenmesser der Nürnberg Ice Tigers

Tim Fleischer zählt zu den erfolgreichsten jungen Spielern in der laufenden DEL-Saison 2021/22. Der 21-jährige Stürmer glänzt mit erstaunlich viel Ruhe und kam dank seiner Variabilität auch schon als Verteidiger zum Einsatz. Mit Elite Prospects Rinkside sprach Fleischer über einen neuen Wohlfühlfaktor, neue Positionen und seine Vertragsverlängerung bei den Nürnberg Ice Tigers.



Tim Fleischer und die Nürnberg Ice Tigers – das passt wie Arsch auf Eimer. Der gebürtige Iserlohner spielt schon jetzt sein mit Abstand bestes Jahr seiner DEL-Karriere und dürfte bis zum Saisonende doppelt so viel gescort haben wie in den vorausgegangenen zwei Jahren zusammen. Der Wechsel zu den Ice Tigers gab dem 21-Jährigen einen richtigen Schub. 

„Ich hatte in meinen ersten beiden Jahren in Iserlohn keine leichte Zeit“, erzählt Fleischer. „Meine Ambitionen und Vorstellungen gingen mit denen der damaligen Trainer auseinander. Als ich im Sommer nach Nürnberg bekommen bin, habe ich viel Wertschätzung erfahren, insbesondere nachdem Tom Rowe als Coach übernommen hat. Mir liegt sehr viel an unserem Trainer, er kann die Mannschaft super motivieren und weiß, was er sagen muss. Das ist insbesondere für junge Spieler sehr wichtig und hilft einem, mit Selbstvertrauen aufs Eis zu gehen.“


„Es war keine schwierige Entscheidung“ 

Der Stürmer steht nach 41 Spielen bei sechs Toren, acht Assists und 14 Scorerpunkten und zählt damit zu den drei besten U21-Scorern in der laufenden DEL-Saison 2021/22 (neben Marcel Barinka, Kölner Haie, 11-12-23 und Taro Jentzsch, Iserlohn Roosters, 7-9-16). „Ich bin sehr zufrieden“, bilanziert Fleischer. „Auch Punkte-technisch ist es jetzt etwas ganz anders. Ich trete im Training ganz anders auf, habe in der Mannschaft eine Rolle zugewiesen bekommen, darf im Powerplay spielen, bin mal in den vorderen Reihen, mal in den hinteren Reihen gesetzt. Das hat mir sehr geholfen und gibt mir enorm viel Selbstvertrauen.“

Tim Fleischer hat bei den Nürnberg Ice Tigers sein Potenzial voll abrufen können

Tim Fleischer hat bei den Nürnberg Ice Tigers sein Potenzial voll abrufen können BILDBYRÅN/Eibner


Die logische Konsequenz: Am gestrigen Donnerstag verlängerte Fleischer seinen auslaufenden Vertrag bei den Ice Tigers um zwei Jahre bis 2024. „Ich fühle mich hier sehr wohl, mir gefällt alles: die Stadt, die Arena, die Organisation, die Fans. Aufgrund des Trainers und der aufgezeigten Perspektive würde ich sagen, dass es keine schwierige Entscheidung war“, so Fleischer. „Wenn es super läuft, dann kann ich mir auch vorstellen, langfristig hier zu bleiben.“


Die Anfänge in Iserlohn  

Das Eishockeyspielen lernte Fleischer in seiner Geburtsstadt Iserlohn. Den entscheidenden Impuls dafür gab sein großer Bruder Marc Fleischer. „Er ist drei Jahre älter und ich wollte natürlich das machen, was er gemacht hat. Er war begeistert von den Torhüter-Masken, die haben cool ausgesehen. Ich habe mich dagegen schon immer im Feld wohler gefühlt. Also stand ich schon mit drei, vier Jahren auf Schlittschuhen“, blickt Tim Fleischer zurück. 

Der große Bruder Torwart, der kleine Bruder Stürmer – das klingt nach einer perfekten Konstellation für einige familieninterne Trainingseinheiten, aber: „Das Problem war, dass er privat gar keine Lust hatte, ins Tor zu gehen. Er hat deshalb auf der Straße auch immer im Feld gespielt. Torhüter sind schon ein ganz eigener Schlag“, lacht Fleischer, der in einer abergläubischen Eishockey-Welt auch sonst von Ritualen und Ticks verschont geblieben ist: „Das einzige ist vielleicht, dass ich mir schon sehr viele Gedanken über die Ernährung mache und ein, zwei Tage vor dem Spiel immer ganz genau darauf achte, was ich esse, damit ich Energie habe. Mein Pre-Game-Meal ist immer eine Reis-Bowl mit Salat, dazu Avocado, Süßkartoffeln oder Granatapfelkerne. Ich brauche unbedingt auch meinen Schlaf und lege mich mittags immer anderthalb Stunden hin, um zur Ruhe zu kommen und dann total aufs Spiel fokussiert zu sein.“

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Beim Iserlohner EC durchlief Fleischer die Juniorenmannschaften bis zur U19 und scorte dabei sowohl in der Schüler-Bundesliga als auch in der DNL. „Ich bin lange in Iserlohn geblieben, bis ich 17 Jahre alt war. Wir hatten da echt ein klasse Team mit vielen Spielern, die jetzt auch in der DEL gelandet sind. Für Iserlohn zu spielen war unglaublich: Ich bin mein Leben lang mit Freunden und Teamkollegen zu den Spielen der Roosters gegangen. Ich war ein richtiger Fan“, führt Fleischer aus.


Mit Stützle und Seider in Mannheim  

Im Sommer 2017 entschied sich der 1,82 Meter große und 78 Kilogramm schwere Rechtsschütze dann doch für einen Tapetenwechsel: Für den nächsten Entwicklungsschritt schloss sich Fleischer den Jungadlern Mannheim an. „Letztendlich geht es immer um die Perspektive, die einem der Verein bietet. In Iserlohn war es schwierig, das Team zusammenzuhalten oder es direkt in die 1. Mannschaft zu schaffen. Meine Idee war, entweder direkt nach Nordamerika zu gehen oder mich einem Standort in Deutschland anzuschließen, bei dem die Perspektive besser ist. Salzburg und Mannheim standen in der engen Auswahl, es wurde Mannheim, einfach wegen der Entfernung und weil ich schon Spieler dort kannte, es hat also gut gepasst“, teilt Fleischer seine damaligen Überlegungen. „Bei den Jungadlern habe ich jeden Tag mit der Hälfte der Juniorennationalmannschaft trainieren können, mich also mit richtig guten Spielern wie Moritz Seider oder Tim Stützle messen dürfen. Das hat einen besser gemacht und war der entscheidende Schritt nach vorne.“

Seider und Stützle sind mittlerweile feste Größen in der NHL. Der Kontakt zu Fleischer ist aber nie abgerissen: „Vor allem mit Timmy bin ich sehr eng befreundet, wir hatten auch im Internat in Mannheim zusammengewohnt, auch unsere Familien sind gut befreundet. Ich verfolge jeden Tag, was er in der NHL so macht.“


Nächster Halt: Kanada  

Für Fleischer selbst ging es ein Jahr später selbst nach Nordamerika: 2018 heuerte er bei den Hamilton Bulldogs in der kanadischen Juniorenliga OHL an. „Ich hatte erst überlegt, den College-Weg zu gehen und das Eishockey mit einem Studium zu verbinden. Davor hätte es in die USHL gehen sollen, wo ich von den Cedar Rapids RoughRiders gedraftet wurde. Die Lage und Organisation hatten mir aber nicht so zugesagt. Genau in dieser Zeit hat sich Hamilton bei mir gemeldet und gefragt, ob ich kommen würde, wenn sie mich draften. Ich hatte mir gesagt: Das ist es!“

Fleischer funktionierte auch in Übersee und sammelte in 68 OHL-Spielen 21 Scorerpunkte (acht Tore, 13 Assists). Wohlgemerkt trotz einer gewaltigen Umstellung. „Die war riesig!“, sagt Fleischer. „Klar ist das Eis kleiner, aber vor allem war es die Härte, die Schnelligkeit und das Skill-Level. Dort haben in jedem Team fünf oder sechs Spieler gespielt, die schon von einem NHL-Klub gedraftet wurden. Das hat mir geholfen, auch das viele Training und die guten Gegenspieler. Ich habe einen großen Schritt nach vorne gemacht, nicht nur beim Eishockey, sondern auch als Person. Ich war bei einer Gastfamilie untergebracht, habe klasse Menschen kennengelernt und konnte mein Englisch enorm verbessern. Es war eine super Erfahrung und ich bin sehr froh, das gemacht zu haben.“


Rückkehr zu den Roosters – ein Missverständnis?  

Fleischers Leistungen weckten Interesse in der Heimat. Allen voran das seines Heimatklubs: „Mitte der Saison kamen Anrufe von mehreren Teams aus der DEL. Einer aus Iserlohn. Es war immer mein Traum, selbst für die Profis zu spielen und deshalb ein enormer Anreiz. Es wurde viel über einen Umbruch geredet, was ein entscheidender Faktor war. Das Timing war klasse, ich wollte es versuchen und das erste Jahr lief gut“, erinnert sich Fleischer, der im Roosters-Trikot ein besonders emotionales DEL-Debüt gab: „Keine Frage, ich war super nervös, habe schon Tage und Wochen davor nur daran gedacht, wie es werden würde. Als es dann soweit war, habe ich Gänsehaupt bekommen. Es war eines der spannendsten Momente meines Lebens!“


„Meine Trainer haben mich falsch eingeschätzt“ 

In seinem ersten DEL-Jahr kam Fleischer in 38 Einsätzen auf eine 2-5-7-Ausbeute, in seiner zweiten Profi-Saison am Seilersee waren es nur noch 29 Partien und 1-2-3. „Zunächst einmal muss ich sagen, dass es als junger Spieler immer schwer ist, in den ersten Karriere-Schritten das aufs Eis zu bringen, was man eigentlich kann. Insbesondere dann, wenn man nicht die Rückendeckung und Wertschätzung vom Trainer hat. Bei mir ist immer auch vieles Kopfsache. Wenn man noch nicht so viel Erfahrung hat und Fehler macht, dann braucht es einen, der hinter dir steht, der dich verbessern will und mit dir redet“, erklärt Fleischer. „Jeder Trainer sieht in einem Spieler etwas anderes. Ich glaube, meine Trainer in Iserlohn hatten mich damals ein bisschen falsch eingeschätzt. Ich hatte anderthalb Jahre lang Gespräche über meine Rolle geführt. Die Einschätzungen und Meinungen gingen auseinander. Meine Ambitionen waren anders. Dann kam Nürnberg – das war der Moment.“


Center, Winger, Verteidiger: Verschiedene Rollen bei den Ice Tigers  

Fleischer unterschrieb bei den Ice Tigers, die voll auf das deutsche Talent setzten. Das sorgte auch beim Stürmer für eine breite Brust. Der 21-Jährige schlug voll ein und ist eines der großen Überraschungen bei den Mittelfranken: „Ich muss schon sagen: Nach dem letzten schwierigen Jahr war mein Selbstvertrauen am Boden. Aber ich wusste immer, was ich kann. Ich habe mir viel vorgenommen und wäre enttäuscht von mir selbst gewesen, wenn es so gelaufen wäre wie im Jahr zuvor“, sagt Fleischer, der den klaren Aufwärtstrend immer wieder an seinem Coach festmacht: „Ich habe noch nie so viel mit einem Trainer geredet wie hier in Nürnberg. Tom Rowe ist immer direkt, kommuniziert offen und ich weiß immer genau, wo ich stehe. Das tut mir richtig gut.“

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In Nürnberg ist Fleischer mittlerweile so etwas wie ein Schweizer Taschenmesser: Der Stürmer wird in jeder nur erdenklichen Situation eingesetzt: In den Top-6-Reihen, ein den Bottom-6-Lines, als Center, als Flügelspieler und zwischenzeitlich sogar als Verteidiger. „Als wir im November viele Ausfälle in der Abwehr hatten, hat Tom mit mir geredet. Ich hatte das zuvor noch nie gespielt. Vielleicht ganz früher mal in der Jugend oder beim Inline-Hockey. Dort aber nur aus der Not heraus oder zum Spaß, um auch das mal ausprobiert zu haben. Ich habe mein Leben lang Mittelstürmer gespielt, mein Vater sagt mir aber schon seit Jahren, dass ich auch ein guter Verteidiger wäre, weil ich einen nicht ganz so stark ausgeprägten Torriecher habe. Meine Stärke ist das Schlittschuhlaufen, das Tempo und ein schneller Aufbaupass – das alles brauchst du auch als Verteidiger. Ich wusste also, dass das passen würde, wenn ich es mir zutraue. Es hat super geklappt und hat echt viel Spaß gemacht.“

Als es bei den Ice Tigers zwischenzeitlich auch auf der Torhüter-Position einmal eng wurde, fiel scherzhaft auch der Name Fleischer: „Die Sprüche gab es tatsächlich schon in der Kabine“, lacht Fleischer. „Es würde ja auch in der Familie liegen.“


Der Kreis schließt sich  

Mit einer gewissen Lockerheit, viel Selbstvertrauen und einer großen Portion Kampfgeist begeistert Fleischer nun die Fans in Nürnberg. „Ich komme über meine Geschwindigkeit und das Kämpferische, bin ein unangenehmer Gegenspieler im 1-gegen-1 und in den Ecken, habe aber auch eine gute Übersicht, auch wenn meine Mitspieler nur ganz kurz frei sind“, beschreibt Fleischer seinen Spielstil.


„Ich bin ein unangenehmer Gegenspieler.“ 

Hinzu kommt eine Ruhe, die im jungen Alter von 21 Jahren nur selten zu finden ist. „Das Jahr in Mannheim und in Kanada haben mir da sehr weitergeholfen. Man war auf sich alleine gestellt, musste mit den jeweiligen Situationen alleine klarkommen. Auch meine Eltern haben da sicherlich eine große Rolle gespielt, auch Mitspieler und Freunde. Das ist ein Gesamtpaket.“

Fleischer (li.) im Zweikampf mit Sebastian Furchner

Fleischer (li.) im Zweikampf mit Sebastian Furchner BILDBYRÅN/Zink


Fleischer ist in Nürnberg angekommen. Beim Auswärtsspiel in der Vorwoche sollte sich dann auch noch ein Kreis schließen: An der alten Wirkungsstätte in Iserlohn gelang ausgerechnet dem Ex-Rooster der Siegtreffer in der Verlängerung: „Ich war wieder sehr nervös. Viele meiner Freunde und meine Familie waren da. Dass das Spiel dann auch noch mit meinem Overtime-Tor geendet hat, war ganz speziell. Es war ein schöner Moment. Auch meine Freunde haben es mir nicht übelgenommen“, grinst Fleischer, der sich für sich selbst, aber auch mit den Ice Tigers große Ziele gesteckt hat: „Ich möchte auf jeden Fall weiter so scoren wie zuletzt, weiter aufs Tempo drücken, auffällig spielen und als Team weit kommen, egal ob auf direktem Weg in die Playoffs oder über die Pre-Playoffs. Letztendlich wollen wir jeden schlagen. Vielleicht können wir das Überraschungsteam der Liga werden…“



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