Leo Hafenrichter: Verteidiger-Talent mit Plan fürs Karriereende
Mit Leo Hafenrichter macht sich ein deutsches Verteidiger-Talent Hoffnung, im NHL Draft 2022 ausgewählt zu werden. Erste Teams haben schon Kontakt aufgenommen. Mit Elite Prospects Rinkside sprach der 17-jährige Nürnberger über die Eishockey-Begeisterung in Ontario, den Traum von der NHL und sein überraschend konkretes Ziel fürs Karriereende.
Hafenrichter wagte im zurückliegenden Sommer den Sprung in die kanadische Juniorenliga OHL und schloss sich den Guelph Storm an. Guelph (gesprochen: „Guh-Elf“) liegt im Dreieck Toronto-Hamilton-Kitchener in der kanadischen Provinz Ontario, in der Eishockey eine Religion ist. „Alle sind komplett Eishockey-verrückt“, berichtet Hafenrichter. „Jeder kommt zu unseren Spielen, die Halle ist mit 5000 Zuschauern komplett voll, andere schauen es live im TV. In der Stadt kennt dich jeder und weiß, wo du wohnst. Als mich mein Vater hier mal besucht hat, sind wir essen gegangen. Da hat mich ein kleiner Junge gefragt, ob ich bei den Storm spiele und ob er ein Autogramm haben dürfte.“
Auch sonst geht es in der OHL sehr professionell zu und bietet den Talenten ein Umfeld, das mit dem Junioren-Eishockey in Deutschland kaum zu vergleichen ist: „In Köln hat unser Trainer noch selbst die Wäsche gewaschen, hier gibt es für jeden einzelnen Bereich mindestens zwei Personen, die fest angestellt sind. Alles ist professioneller“, berichtet Hafenrichter, dem auch auf dem Eis deutliche Unterschiede aufgefallen sind: „Durch die kleinere Fläche ist es natürlich schneller, physischer und es gibt mehr Zweikämpfe.“
Nach zwölf Spielen in der OHL hat der Verteidiger zwei Assists beigesteuert. „Soweit ich weiß, sind meine Trainer zufrieden“, so Hafenrichter. „Sie sagen, dass ich einfach die Ruhe bewahren und im Training immer alles geben soll.“ Als 17-jähriger Freshman zählt der Deutsche zu den jungen Spielern im Storm-Kader, der zusammen mit dem der Ottawa 67ers (beide 17,54 Jahre im Schnitt) der jüngste der gesamten Liga ist.
Der 1,85 Meter große Rechtsschütze möchte schon jetzt mit seinen Fähigkeiten punkten: „Ich denke, dass meine Passqualität und das Auge für meine Mitspieler zu meinen Stärken zählen. Überhaupt das Offensivspiel und mein Schuss. Wo ich mich noch verbessern muss und auch intensiv daran arbeite, ist das Spiel in den Ecken. Da muss ich noch ein bisschen physischer sein, körperbetonter spielen, die Gegenspieler an die Bande drücken und nicht mehr durchkommen lassen. Auch vor dem Tor möchte ich noch unangenehmer werden.“
Zweimal Junioren-Meister in Nürnberg
Das Eishockeyspielen hat Hafenrichter in seiner Geburtsstadt Nürnberg gelernt. „Ich habe alle Sportarten ausprobiert, aber mein Vater hatte damals schon eine Dauerkarte im Lindestadion hinter der gegnerischen Strafbank und hat mich dann auch immer mit zum Eishockey genommen. Irgendwann waren wir dann zum öffentlichen Eislauf dort, und mir hat es mega-gut gefallen. Dann hat mein Vater mich angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch Tennis und Fußball gespielt, aber Eishockey hat mir am meisten Spaß gemacht, weil es sich einfach von anderen Sportarten unterscheidet: Jeder kann laufen, doch nicht alle können schlittschuhfahren – und ich wollte schon damals gut darin sein.“
Hafenrichter wurde also beim EHC 80 Nürnberg zum Eishockeyspieler ausgebildet. „Diese Zeit werde ich nie vergessen“, blickt er gerne zurück. „Wir sind mit der U 14 und U 15 zweimal hintereinander Deutscher Meister geworden. Wir waren damals wie eine Familie. Es haben sich Freundschaften gebildet, die bis heute bestehen – trotz 6000 Kilometern Entfernung.“
Wechsel zu den Junghaien und ein mentaler Trick
Trotzdem kehrte er seiner Heimat im Jahr 2019 den Rücken und schloss sich den Kölner Junghaien an. „Nürnberg hatte in der U 17 und U 20 leider nicht mehr in der höchsten Spielklasse gespielt. Ich wollte mich aber weiterentwickeln, und das wäre hier schwer geworden. Ich war schon erstmal enttäuscht. Der Schritt von Nürnberg nach Köln war auch schwieriger als der Schritt von Köln nach Guelph. Meine Familie habe ich an beiden Orten vermisst. In Guelph kannte ich aber schon die Situation, alleine zu wohnen und konnte mich entsprechend vorbereiten und auch schon gut Englisch. Es war nicht so schwer, wie ich es mir vorgestellt hatte.“
In der Corona-Saison 2020/21 spielte Hafenrichter kurz in der DNL, erhielt aber auch Eiszeit in der DEL bei den Kölner Haien sowie in der DEL2 beim Kooperationspartner EC Bad Nauheim. „Es ist ein ganz anderes Eishockey: viel schlauer, finde ich. Es sind erfahrene Spieler, die wissen, wo sie den Schritt weniger machen müssen als du.“
Am 17. Dezember erhielt das Talent im Derby gegen die Düsseldorfer EG (Endstand: 4:5 n.P.) immerhin einen Wechsel (37 Sekunden Eiszeit) im KEC-Trikot und machte somit einen Haken hinter sein DEL-Debüt. „Mein U-20-Trainer hatte mir gesteckt, dass wir gleich zu Uwe Krupp ins Büro gehen werden und er mich fragen wird, ob ich Lust hätte, in der DEL zu spielen. Er hat es mir davor gesagt, damit mir nicht gleich der Kopf abfällt“, lacht Hafenrichter. „Ich konnte damals kaum noch sprechen, hatte 1000 Sachen im Kopf, zum Beispiel wie ich gleich meine Mama anrufen und es ihr sagen würde. Ich war mega-happy!“
Hafenrichter im Trikot der Kölner Haie BILDBYRÅN/Eibner
Auf dem Eis schaffte es Hafenrichter dann, mit allen diesen Emotionen umzugehen und verriet auch noch einen Trick: „Ich habe mich bewusst an Momente erinnert, in denen ich etwas Gutes gemacht habe. Für mich war das die Erinnerung an Nürnberg, als wir die Deutsche Meisterschaft gewonnen haben.“
Vier NHL-Teams nehmen Kontakt auf
Nach zwei Jahren bei den Junghaien wechselte Hafenrichter also zu Guelph Storm nach Kanada, wo er nun bei jedem Spiel von NHL-Scouts beobachtet wird. „Das bekommt man schon mit. Es haben mich auch schon ein paar Teams angesprochen“, plaudert der Abwehrspieler aus dem Nähkästchen. „Sehr interessiert waren die Florida Panthers, Toronto Maple Leafs, Arizona Coyotes und Vancouver Canucks.“
Hafenrichters Lieblingsteam sind die New York Rangers. Auch den Edmonton Oilers kann er sich als Deutscher nicht entziehen: „Ich würde schon sagen, dass Leon Draisaitl mein Lieblingsspieler ist. Ich kenne ihn ja, denn ich war in Köln mit ihm auf dem Eis. Ob er noch weiß, wer ich bin, weiß ich nicht“, lacht Hafenrichter. „Auch einer meiner besten Freunde, Luca Münzenberger, wurde von den Oilers gedraftet.“
Im NHL Draft 2022 ist Hafenrichter selbst berechtigt, gepickt zu werden. „Natürlich habe ich den Draft schon im Hinterkopf. Ich konzentriere mich aber jetzt von Spiel zu Spiel und möchte, dass für uns als Mannschaft das bestmögliche Ergebnis herauskommt. Das ist gerade eine Lernphase für mich. Im nächsten Jahr möchte ich dann eine größere Rolle übernehmen.“
In der Storm-Kabine zählen Braeden Bowman (18), Ben McFarlane (19) und Valentin Zhugin (16) zu Hafenrichters engsten Freunden. „Bowman fährt mich jedes Mal zum Training. Wir verbringen alle viel Zeit miteinander, treffen uns öfters mal nach dem Training bei mir, essen etwas oder schauen uns NHL-Spiele an. Ansonsten ist wegen Corona leider nicht so viel möglich. Wenn sich jemand infiziert, muss die ganze Mannschaft für zwei Wochen in Quarantäne. Daher ist alles ein wenig eingeschränkt. Das Leben spielt sich hauptsächlich zu Hause und in der Eishalle ab.“
Heim-WM mit Deutschland: „Ich will eine Medaille holen“
Vor dem Draft 2022 hat Hafenrichter auch noch die Möglichkeit, sich bei der U-18-Heim-WM in Deutschland ins Schaufenster zu stellen. „Das klingt verrückt, aber ich will eine Medaille holen“, betont er. „Wir spielen zu Hause, es ist unser Eis, wir haben die Fans auf unserer Seite und eine gute Truppe. Wir müssen uns einfach zusammenreißen, jeder muss seinen Job machen, und dann denke ich, dass das ein realistisches Ziel ist.“
Im DEB-Dress trug Hafenrichter auch schon das „C“ als Kapitän und das „A“ als Assistenzkapitän auf der Brust. „Ich glaube schon, dass ich ein Führungsspieler bin. Es ist eine große Ehre, und ich freue mich immer sehr, für die Nationalmannschaft zu spielen. Ich möchte also mit gutem Beispiel vorangehen, kämpfen, Schüsse blocken und meine Mitspieler motivieren.“
Zurück zu den Wurzeln: Karriereende in Nürnberg
Hafenrichter steht also vor einem richtungsweisenden Jahr in seiner noch jungen Karriere. „Ich hoffe, ich schaffe es eines Tages in die NHL. Ich würde jeden Weg dafür gehen, auch wenn er über die AHL führt. Ich werde niemals aufgeben“, verspricht das Verteidiger-Talent.
Und trotzdem hat er im zarten Alter von 17 Jahren schon ganz konkrete Ziele für den Karriereherbst: „Es ist auf jeden Fall mein Plan, meine Karriere in Nürnberg zu beenden. Das habe ich schon immer gesagt. Wenn ich wieder in der DEL spiele, dann nur für Nürnberg.“
Dort hält sein Vater übrigens bis heute eine Dauerkarte in der ersten Reihe hinter der gegnerischen Strafbank – wenn auch mittlerweile in der „neuen“ Arena im Südosten der Frankenmetropole. Der Kreis würde sich für die Hafenrichters schließen, sollte Sohn Leo eines Tages vor den Augen seines Vaters für die Ice Tigers auflaufen…