Julian Napravnik
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Julian Napravnik: Auf den Spuren von Sturm und Michaelis

Im Alter von 19 Jahren brach der deutsche Stürmer Julian Napravnik nach Nordamerika auf, um dort Profi-Eishockeyspieler zu werden. Der heute 24-Jährige ist gekommen, um zu bleiben und möchte sich in seinem letzten College-Jahr für die NHL empfehlen. Dabei wandert er auf den Spuren von Nico Sturm und Marc Michaelis. Elite Prospects Rinkside hat sich mit dem Talent unterhalten.



„Es ist schon mein zweites Zuhause“, sagt Napravnik angesprochen auf die Minnesota State University, die etwa anderthalb Autostunden südwestlich der Twin Cities Minneapolis und Saint Paul in Mankato verortet ist. „Das Leben dort ist relativ einfach“, berichtet der Deutsche. „Unsere Studenten wohnen alle in einem Komplex, der sich ‚College Town‘ nennt. Dort lebe ich mit vier weiteren Mitspielern meiner Mannschaft zusammen, andere wohnen nur ein paar Häuser die Straße runter. Das ist ganz cool, denn man kann immer mit den Jungs zusammen sein und etwas unternehmen. Ich bin mit vielen sehr eng befreundet. Unsere Mannschaft hat schon seit dem ersten Jahr einen guten Job gemacht, damit sich jeder willkommen fühlt.“

Julian Napravnik in Aktion in der NCAA

Julian Napravnik in Aktion in der NCAA Julian Napravnik


Auch in Mankato ist der Geist des „State of Hockey“ zu spüren: „Definitiv“, bestätigt der Stürmer. „Das ist überall in Minnesota so. Auch bei unseren Spielen ist es immer relativ voll. Die Fans sind mit Herzblut dabei.“

Napravnik studiert an der Minnesota State Sportmanagement. Sein Stundenplan ist so ausgestaltet, dass er sich voll aufs Eishockey fokussieren kann. Das unterscheidet den US-amerikanischen Weg von dem kanadischen in der CHL (WHL, OHL, QMJHL). „Ich kann diesen College-Weg nur empfehlen: Es ist gut, seinen Abschluss zu machen, um etwas in der Tasche zu haben. Das wird auch mir in Zukunft auf jeden Fall weiterhelfen“, glaubt Napravnik.


Ausbildung in Mannheim  

Ursprünglich kommt Napravnik aus Bad Nauheim, wo er auch das Eishockeyspielen lernte. „Ich bin durch meinen Vater und meinen großen Bruder zu diesem Sport gekommen“, erzählt er. „Mein Vater hat damals einen Flyer gesehen und meinen Bruder ins Eisstadion gebracht. Ich habe zugeguckt und dann mit drei oder vier Jahren selbst die Schlittschuhe angezogen.“

Welches Talent in Napravnik schlummert, war schon in Bad Nauheim zu sehen, wo er Tore knipste, wie am Fließband. Nicht ohne Grund wechselte er zur Saison 2012/13 ins Nachwuchsleistungszentrum der Adler Mannheim und scorte für die Jungadler in der DNL fleißig weiter. „Es war eine unglaubliche Zeit, zusammen mit der im College vielleicht die beste Zeit, die ich je hatte“, ordnet Napravnik ein.

Nach vier Jahren in Mannheim entschloss sich der damals 19-Jährige dennoch für einen krassen Schnitt und wechselte in die USHL zu den Des Moines Buccaneers. „Ich musste mich entscheiden, ob ich in die CHL oder den College-Weg gehe. Ich glaube, ich habe damals mehr Zeit für die Ausbildung gebraucht und mich deshalb für Letzteres entschieden. Ich konnte auch auf die Erfahrung von Marc Michaelis und Parker Tuomie zurückgreifen, mit denen ich mich ausgetauscht hatte.“


Neues Land, neue Liga  

Bei den Buccaneers hatte Napravnik mit Colin Ugbekile (jetzt: Kölner Haie) einen Landsmann, der ihm den Einstieg in einem neuen Land erleichterte. „Er hat es mir einfacher gemacht“, so Napravnik. „Auch mit der Sprache: Ich dachte immer, dass ich gut Englisch kann, saß dann aber in der Kabine und habe kaum ein Wort verstanden. Colin und ich haben es dann zusammen gemanagt.“ Im zweiten Jahr kam mit Nicolas Appendino auch noch ein dritter Deutscher hinzu. „Wir haben fast jeden Tag zusammen verbracht und auch zusammengewohnt“, berichtet Napravnik.

Doch nicht nur kulturell und sprachlich, sondern auch in Sachen Eishockey bedeutete dieser Tapetenwechsel eine Umstellung. „Das Hockey ist im Vergleich zu dem in der DNL härter, stärker und schneller – von allem eine Spur mehr.“ Auch die Mit- und Gegenspieler brachten eine gewisse Qualität mit. So war in Napravniks erster USHL-Saison ein gewisser Mario Ferraro sein Mitspieler. Heute spielt dieser in der NHL bei den San Jose Sharks und gilt als eines der größten Verteidiger-Talente in der Liga. „In den ersten Wochen haben wir uns noch gefragt, wer er ist. Ich hätte nicht gedacht, dass er einmal so eine krasse Rolle bei den Sharks spielen würde. Nach der Hälfte der Saison konnte man aber schon sehen, dass dieser Typ etwas draufhat und den Sprung in die NHL schaffen könnte. Er war unser härtester Arbeiter und hat immer alles gegeben.“


Empfehlung von Michaelis und Tuomi  

Nach zwei Jahren in der USHL folgte der nächste Umzug und die nächste Umstellung auf NCAA-Hockey an der Minnesota State. „Das war nochmal ein großer Sprung. Als Freshman denkt man, dass man ja bei den Juniors keine Probleme hatte und das klappen müsste, doch es war nochmal ein großer Schritt, immerhin waren dort gleich vier Altersstufen vertreten“, erklärt Napravnik. 

Anschluss fand der Bad Nauheimer aber auch dort wieder schnell. Immerhin hatte er in Michaelis und Tuomi erneut zwei deutsche Teamkollegen. „Ich kannte beide schon davor aus Mannheim. Da ich nicht viel über College-Hockey wusste, habe ich mit ihnen darüber geredet. Die beiden haben mit die Minnesota State gezeigt. Ich wollte dann dahin gehen, wo sie waren. Sie haben mir geholfen, mich reinzufinden und das erste Jahr zu überstehen.“

Julian Napravnik


Napravnik konnte seine Scoring-Ausbeute Jahr für Jahr steigern und war in der Saison 2020/21 sogar der Top-Scorer seiner Mannschaft. „Ich wurde gelobt, aber das heißt relativ wenig“, ordnet der Flügelstürmer ein. „Ich muss das wieder abrufen, denn das Ziel ist, nach oben zu gehen. Mein Studium ist nach diesem Jahr fertig. Ich möchte so lange wie möglich in Nordamerika bleiben.“


Primärziel: NHL oder AHL  

In der NCAA schauen insbesondere auch NHL-Klubs ganz genau hin. „Bei fast jedem Spiel sind Scouts da. Der Kontakt läuft aber eher über das Management und die Agenten ab, die wissen nähere Details. Ich habe auf jeden Fall die Hoffnung, dass es klappen könnte. Alles hängt von dieser Saison ab, wie ich spiele und wie ich mich präsentiere.“

Julian Napravnik


Sollte nach der Saison kein Vertragsangebot aus der NHL auf den Schreibtisch flattern, würde Napravnik auch einen Anlauf in der AHL nehmen. Alternativen wären auch die SHL (Schweden), die NL (Schweiz) und die DEL (Deutschland) – der Fokus aber liegt auf Nordamerika, wo der Linksschütze insbesondere mit seinem Tempo überzeugen möchte: „Ich würde sagen, dass die Schnelligkeit meine Stärke ist. Auch meine Übersicht, wie ich das Spiel lese und meine unerwarteten Plays. Ich finde den Spielstil von Taylor Hall toll und würde dem gerne nacheifern. Allerdings muss ich noch mehr schießen, weniger für den Mitspieler schauen, sondern es selbst in die Hand nehmen.“


Parallelen zu Sturm  

Napravniks bisheriger Karriereverlauf erinnert doch stark an den von Nico Sturm. Der 26-jährige Augsburger ging selbst den Weg über die USHL (Tri City Storm) und NCAA (Clarkson University) und unterschrieb einen NHL-Vertrag bei den Minnesota Wild. „Er ist den gleichen Weg gegangen und hat auf jeden Fall eine Vorbild-Funktion für mich. Er spielt dort, wo jeder Eishockeyspieler träumt, einmal hinzukommen“, sagt Napravnik. 

Und da wäre noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Sturm: Junioren-Nationalspieler Napravnik wartet noch auf sein erstes A-Länderspiel für Deutschland. Übrigens wurde auch Michaelis damals aus der NCAA für den DEB berufen. „Ich hatte letztes Jahr mal kurz Kontakt mit Toni Söderholm, aber durch die Coronavirus-Pandemie ging vieles nicht“, so Napravnik. Womöglich könnte das deutsche Talent profitieren und als Geheimtipp nachrücken, sollte die NHL ihre Spieler doch nicht für die Olympischen Spiele 2022 in Peking/China freigeben.

Napravnik jedenfalls konzentriert sich weiterhin voll auf sein letztes Jahr im College: „Das Ziel ist, die Liga zu gewinnen“, betont er.




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