Sven Bärtschi: „Der Hockey-Hype ist real!“
Mit Sven Bärtschi kämpft ein Schweizer Stürmer bei den Henderson Silver Knights in der AHL um die Rückkehr in die NHL. Mit Elite Prospects Rinkside sprach das Erstrunden-Pick über Eishockey in der Wüste Nevadas, die omnipräsente Schweiz in Nordamerika und sein ultimatives Ziel.
291 NHL-Spiele hat Bärtschi in seiner Vita stehen. Sein Letztes ist allerdings schon fast zwei Jahre her: Damals verlor er mit den Vancouver Canucks mit 1:6 bei den Dallas Stars. Im Sommer schlug der 29-jährige Schweizer ein neues Kapitel auf: Nach sechseinhalb Jahren in der Organisation der Nucks unterschrieb der Flügelstürmer einen Einjahresvertrag bei den Vegas Golden Knights. Doch der Konkurrenzkampf ist groß: Bärtschi wurde zum Farmteam Henderson Silver Knights in die AHL geschickt und arbeitet dort an einem Comeback in der NHL.
Sven Bärtschi (re.) im Zweikampf mit Devante Stephens
„Ich wusste schon im Training Camp, dass es schwer werden würde, ins Lineup zu kommen. Sie haben eine enorme Qualität und können es weit bringen. Ich will mich erstmal hier eingewöhnen und sichergehen, dass ich mein Spiel auf ein Niveau bekomme, um wieder in der NHL spielen zu können.“
Rein geographisch sind die Wege in Las Vegas kurz: Von der T-Mobile Arena, der Heimspielstätte der Golden Knights, sind es gerade einmal acht Autominuten bis zur Orleans Arena, wo die Silver Knights ihre Heimspiele austragen. 2022 soll das AHL-Team dann in das Dollar Lone Center im südöstlich vor Vegas gelegenen Henderson umziehen.
Die Nähe zwischen beiden Klubs ist nicht nur anhand der Logo- und Trikotgestaltung zu erkennen, sondern auch bei der Präsentation der Spiele: Die Vegas Golden Knights bieten das wohl beste Entertainment in der gesamten NHL. „Es ist großartiges Entertainment, eine Show. So sollte Eishockey sein“, schwärmt Bärtschi. Doch auch bei den Henderson Silver Knights wird großer Wert darauf gelegt: „Wir haben hier großartige Fans und ebenfalls eine gute Show. Die Leute genießen das. Der Hockey-Hype ist real! Überall sieht man Autos mit Aufklebern von den Golden Knights und Silver Knights. Ich freue mich sehr, hier zu sein. Es ist eine großartige Organisation.“
Bärtschi: „Ich vertraue meinen Instinkten“
Und auch in Sachen Eishockey-DNA scheint Bärtschi perfekt zum Hockey in der Wüste Nevadas zu passen: „Es passt gut zu meinem Spiel. Wir sind sehr offensiv ausgerichtet, spielen aber auch verantwortungsvoll in der Defensive. Ich fühle mich wohl, muss mich aber noch an das neue System gewöhnen.“
Der 1,80 Meter große und 86 Kilogramm schwere Linksschütze will vor allem mit Toren glänzen: „Ich sehe mich als spielmachender Flügelspieler, habe zuletzt aber auch intensiv an meinem Schuss gearbeitet. Ich will wieder gefährlicher sein und nicht, dass alle denken, dass ich einen Pass spiele. Ich denke, ich bin ein cleverer Spieler, der das Spiel gut lesen kann und freie Bahnen erkennt. Ich vertraue meinen Instinkten – sie leiten mich.“
In bislang sieben AHL-Spielen in der laufenden Saison kam Bärtschi auf vier Scorerpunkte (zwei Tore, zwei Assists). Von seinen Trainern erhielt er positives Feedback. „Er ist ein cleverer Spieler, der uns und unseren jungen Spielern viel helfen wird“, glaubt der ehemalige DEL-Goalie und aktuelle Silver-Knights-Torwarttrainer Fred Brathwaite. „Er ist ein guter Junge, hat immer ein Lächeln im Gesicht. Mein Bruder kennt ihn schon länger, denn er hat mit Sven zusammen Community-Arbeit in Vancouver gemacht.“
Eishockey leben und atmen
Auch neben dem Eis übernimmt Bärtschi Verantwortung und hat sich nach elf Jahren in Nordamerika voll integriert. Zum Eishockey fand der 29-Jährige in seiner Heimat Langenthal. „Über meinen Vater (Hans-Rudolf Bärtschi), der dort gespielt hat“, erinnert sich Bärtschi. „Für mich war es etwas ganz Normales, denn ich bin in einer Eishockey-Familie aufgewachsen. Mein Bruder (Kevin Bärtschi) war Torwart. Wir haben Hockey gelebt und geatmet.“
Bis 2010 wurde Sven Bärtschi beim SC Langenthal ausgebildet, wagte dann aber den Sprung zu den Portland Winterhawks in die WHL. „Mein Ziel war immer, in der NHL zu spielen. Ich habe dann mit meinem Agenten geschaut, wo ich die besten Chancen hätte, gescoutet und entdeckt zu werden. Nino Niederreiter war schon ein Jahr vor mir da und wurde danach hoch gedraftet (Draft 2010, 1. Runde, 5. Stelle von den New York Islanders), Luca Sbisa ein paar Jahre davor. Ich konnte mich dort mit tollen Hockey-Spielern in meinem Alter vergleichen.“
Die Umstellung von einer Kleinstadt in der Schweiz in eine US-Großstadt wie Portland war auch kulturell eine Herausforderung. „Es war schwer: Ich habe anfangs kein Englisch gesprochen. Es hat einen oder anderthalb Monate gedauert, ehe ich etwas verstanden habe. Meine Gastfamilie war aber großartig und hat sich um mich gekümmert, sodass sich meine Eltern keine Sorgen machen mussten.“
Sven Bärtschi 2011 im CHL/NHL Top Prospects Game in Toronto BILDBYRÅN/Icon SMI
Auf dem Eis war Bärtschi diese Akklimatisierung aber nicht anzusehen: Gleich in seiner ersten WHL-Saison wurde er mit 85 Punkten (34 Tore, 51 Assists) in 66 Spielen zum zweitbesten Scorer der Winterhawks.
Ankunft statt Abschied: „Ich dachte, ich würde getradet werden“
Das blieb auch in der NHL nicht unbemerkt: Im Draft 2011 entschieden sich die Calgary Flames bereits in der 1. Runde an 13. Stelle für den Schweizer – und damit noch vor heutigen Größen wie Jamie Oleksiak, J.T. Miller oder Phillip Danault. „Es ist eines der Dinge, die du niemals vergessen wirst, wenn ein NHL-Team deinen Namen verkündet“, erinnert sich Bärtschi. „Damals in der Schweiz haben die Leute immer gelacht, als ich gesagt habe, dass ich in der NHL spielen möchte. Plötzlich wurde es real, der Traum ist wahr geworden, ich hatte es geschafft. Ich hätte nie gedacht, dass das jemals passieren würde, jetzt habe ich schon fast 300 Spiele in der NHL gemacht.“
Das Erste übrigens am 9. März 2012 gegen die Winnipeg Jets. Ich war mit Portland in Kamloops als um 6 Uhr Früh ein Anruf kam und der Trainer mich in die Arena bestellt hatte. Ich dachte, ich werde getradet“, plaudert Bärtschi aus dem Nähkästchen. „Sie haben aber gesagt, dass ich am nächsten Tag mein NHL-Debüt geben werde. Es war etwas ganz Besonderes, denn es war Winnipegs erste Saison seit dem Umzug. Jarome Iginla und Michael Cammalleri saßen neben mir in der Kabine. Ich dachte mir: ‚Das ist es also? Jetzt spielen wir?‘ Ich habe alles aufgesaugt. Es war ein Traum und ich hatte viel Spaß.“
Bis zu seinem NHL-Debüt spielte Bärtschi übrigens noch ein Jahr in der WHL für die Winterhawks. Er erhielt sogar das „A“ auf dem Trikot und wurde erneut zweitbester Scorer. „Verantwortung zu übernehmen hat mir viel gegeben“, sagte der Stürmer, der neben Niederreiter auch noch mit Ryan Johansen (Nashville Predators) und Marcel Noebels (Eisbären Berlin) in einem Team spielen sollte. „Nino war wichtig für mich, ein guter Freund. Wir hatten immer einen Wettkampf, schon in der U 18 und U 20. In Portland kannte er ja schon alles und hat mir alles gezeigt. Am Tag nach meiner Ankunft, als ich noch Jetlag hatte, sind er und Johansen aufgetaucht und haben mich abgeholt. Das war cool, wir hatten eine gute Zeit. Mit Marcel habe ich sogar zusammengespielt. Er hat mein Leben da draußen auf dem Eis definitiv leichter gemacht.“
Sven Bärtschi (li.) neben Dougie Hamilton (mi.) und Nathan Beaulieu im CHL/NHL Prospects Game BILDBYRÅN/ICON SMI
Viele Schweizer in der NHL
Auch zu Roman Josi (Nashville Predators) hat Bärtschi einen guten Kontakt: „Wir gehen vor den Spielen gerne zusammen Abendessen und haben gute Gespräche. Roman hat eine unglaubliche Karriere hingelegt. Er macht das ganze Schweizer Eishockey stolz. In der NHL gibt es so viele von uns. Wir geben aufeinander Acht und schauen nach dem anderen.“
Ohnehin scheint die Schweiz in Nordamerika allgegenwärtig zu sein: „Egal wo ich bin, ich renne immer in Schweizer“, lacht Bärtschi. „Schon in Vancouver waren immer Schweizer Fans mit Schweiz-Flaggen im Publikum. Ich selbst versuche, gewisse Traditionen zu pflegen, bleibe in Kontakt mit der Heimat, meine Eltern schicken mir Süßigkeiten oder ich mache mir mal ein Fondue. Während der Pandemie war es nicht so einfach nach Hause zu kommen. Nach der Hockey-Karriere kann ich mir aber wieder vorstellen, Zeit auf beiden Seiten des Ozeans zu verbringen.“
In der Organisation der Canucks verbrachte Bärtschi die längste Zeit seiner Karriere. Entsprechend schwer fiel der Abschied in diesem Sommer: „Es hat uns dort gefallen und ich habe viele Freundschaften geschlossen, auch außerhalb des Hockeys, zum Beispiel mit Nachbarn. Ich habe dort auch viel Wohltätigkeitsarbeit gemacht und Kindern mit Material und Eiszeit unterstützt, damit sie Hockey spielen können. Wenn du so eine Verbindung hast, dann bleibst du auch in Kontakt.“
Bärtschi im Trikot der Vancouver Canucks BILDBYRÅN/ZUMA Wire
Das ultimative Ziel
Dieser ist auch nach dem Wechsel nach Nevada nicht abgerissen. Über die Silver Knights möchte Bärtschi den Sprung zu den Golden Knights schaffen und in die NHL zurückkehren. „Das liegt komplett an mir. Ich muss auf hohem Level performen, etwas zeigen, aber auch geduldig bleiben. Ich habe schon viele Gespräche mit dem Management geführt, sie wissen, was ich kann und wollten mich aus einem ganz bestimmten Grund haben: Ich soll einspringen, wenn jemand verletzt ist.“
Mit Mark Stone und Max Pacioretty fehlen Vegas aktuell gleich zwei wichtige Flügelspieler verletzt. Zudem haben die Knights für Jack Eichel getradet und als Gegenwert unter anderm Alex Tuch zu den Buffalo Sabres geschickt. Für Bärtschi könnte also tatsächlich bald eine Tür aufgehen.
„Ich will zurück in die NHL“, betont er. „Ich will wieder ein Spieler in dieser Liga sein. Das ist das ultimative Ziel. Das ist das, was ich will und wofür ich mit aller Kraft alles tun werde.“