DEL

Craig und Sebastian Streu: Eine Familienangelegenheit (Part II)

Part II – Sebastian Streu

  

Sebastian Streu wurde am 22. November 1999 in Neuwied geboren und wie auch sein Vater (Craig) besitzt er die kanadische sowie deutsche Staatsbürgerschaft. Aufgewachsen ist er als Sohn eines Eishockeyprofis und insofern hat er eine Kindheit gehabt, wie nur die wenigsten von uns sie kennen.

„Für mich war es, schätze ich mal normal, aber meine Freunde hielten es für das Coolste, dass mein Vater Craig Streu war, aber für mich war er einfach “Dad",” erinnert sich Sebastian an seine Kindheit in Bremerhaven. „Wenn ich jetzt zurückblicke, war es wahrlich erstaunlich, einen Profi-Eishockeyspieler als Vater zu haben. Er kam nach dem Training nach Hause und wir haben Bälle aufs Tor geschossen oder er würde mir neue Tricks beibringen. Alles half mir, ein besserer Spieler zu werden, war aber gleichzeitig immer spaßig. Das sind Dinge, die ein “normaler Vater”, der von 9-17 Uhr arbeitet, nicht unbedingt machen kann.”

Da bleibt in solchen Fällen immer die Frage offen, ob man so wirklich die Wahl hat, etwas anderes zu tun, als Eishockey zu spielen. Die Eishockeywelt ist mit unzähligen Beispielen gespickt, wo Söhne ihren Väter nachahmen. Als Beispiel könnte man hier Bobby Hull (Vater) und Brett Hull (Sohn), Émile Bouchard (Vater) und Pierre Bouchard (Sohn), Tie Domi (Vater) und Max Domi (Sohn) sowie viele andere auflisten. 

„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es eine Art aktive Entscheidung meinerseits war, da Eishockey einfach immer ein Teil meines Lebens war,“ überlegt Sebastian. „Es war immer ein Teil des täglichen Ablaufs, sei es Ballhockey mit Dad und seine Mannschaftskollegen im Hinterhof oder ein Besuch in der “Alten Fischdose” um ein Spiel zu sehen. Also war es keine bewusste Entscheidung. Es ist einfach die Welt, in die ich geboren wurde und ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen.“


Profis, die einst Kindheitsfreunde waren  

Und so gab es für Sebastian eine Kindheit, in der er sich regelmäßig von Profi-Eishockeyspieler umkreist befand, während die Eishalle zu seiner zweiten Heimat wurde. Winter für Winter, Jahr für Jahr gab es Eishockey spielen und Eishockey gucken. Und immer wieder gab es neue Bekanntschaften, wie zum Beispiel die des derzeitigen Eisbär und Mannschaftskollege Parker Tuomie, dessen deutsch-amerikanischer Vater Tray (letzte Saison noch Trainer der Augsburg Panther) ein früherer Mannschaftskamerad von Craig war. Ja, die zwei Jungs haben damals schon Straßenhockey im Hinterhof gespielt.

„Parker und ich haben eine etwas besondere Beziehung aus unserer gemeinsamen Zeit in Bremerhaven,“ erfreut ihn diese Geschichte. „Es war richtig cool, dass er bei den Eisbären unterschrieben hat. Da gibt es immer eine besondere Chemie, wenn ein Mannschaftskollege halt jemand ist, den du bereits dein ganzes Leben lang kennst. Wenn wir zusammen in einer Reihe gespielt haben, haben wir Erfolg gehabt. Vielleicht hat das mit den Ballhockey-Einheiten damals in Bremerhaven zu tun?”, wundert er zuzwinkernd.

Parker Tuomie (li.), Mark Zengerle (mi.), Sebastian Streu (re.)

Parker Tuomie (li.), Mark Zengerle (mi.), Sebastian Streu (re.) BILDBYRÅN/Thomas Frey



Boxenstop in Österreich  

Sebastians Reise von der Kindheit in die DEL war nur über einige Ecken möglich. Nach allen Schritten mit Bremerhavens Nachwuchsprogramm ging es mit seinem Vater nach Österreich, wo er von 2013-2017 Teil der Lower Austria Stars und der Red Bull Academy war. Die letzte Saison beendete er mit seinen ersten Einsätzen für die deutsche Nationalmannschaft bei der D1A U18-WM, wo seine fünf Punkte in fünf Spielen den Deutschen zum Aufstieg in die Gruppe A verhalfen.

„Ja, das war eine lange Autofahrt von Bremerhaven aus“ scherzt er. „Aber der Umzug nach Österreich war ein Abenteuer und ich wollte einfach höherklassiges Eishockey spielen. Und obwohl es andere Gelegenheiten innerhalb Deutschlands gegeben hat, durfte ich mit dieser Option weiterhin mit meiner Familie bleiben und das hat gepasst, denn anderweitig wäre der Schritt weg von zu Hause zu früh gewesen“, erzählt er über die ersten Schritte in die große Eishockeywelt.

„Im Grunde war es perfekt, dass mein Vater für die Okanagan Hockey Academy gearbeitet hat, denn das war für mich drei Jahre lang genau der richtige Entwicklungsschritt. Dies führte nach einem Tryout zu einer Aufnahme bei der Red Bull Academy in Salzburg, und mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, welche Art von Spielern aus diesem Programm kommen.“

Das dies in der Tat so ist, beweisen Talente wie John Peterka (Red Bull München), Justin Schütz (Red Bull München), Taro Jentzsch (Iserlohn Roosters), Marcel Barinka (Kölner Haie) und Noah Dobson (New York Islanders), die alle in der Academy in Salzburg ausgebildet wurden. 



Juniorligen in Kanada  

Eines ist im deutschen Eishockey klar: Schafft man es als junger Spieler in die besten kanadischen Juniorligen zu kommen, wird man aller Voraussicht nach zum Profi. Die drei Juniorenligen in Kanada (OHL, WHL, QMJHL) produzieren nämlich immer noch die meisten NHL-Cracks und Profi-Eishockeyspieler im Allgemeinen. Auch für Sebastian sollte der Weg über Nordamerika führen. Nach Salzburg ging es für ihn in die WHL, zu den Kootenay Ice. In seiner ersten Saison absolvierte er 54 Spiele und kam dabei auf zwölf Scorerpunkte (neun Tore, drei Assists). In der nächsten Saison lief er für zehn Spiele für die Vernon Viper in der BCHL auf, bevor er den Rest der Saison mit den Regina Pats in der WHL verbrachte (36 Spiel, sieben Tore, 15 Assists).

„Dort zu spielen war ein wahrgewordener Traum. Einer von vielen! An einigen weiteren Träumen arbeite ich noch“, erzählt der 21-Jährige. „Als ich aufgewachsen bin, habe ich jeden NHL-Draft angeschaut. So viele dieser gezogenen Spieler spielten in der WHL. Wir haben auch einige Sommer in der Nähe von Brandon (Manitoba) verbracht, wo die WHL Wheat Kings spielen. Jeder kannte alle Spieler – die waren die Stars in der Gegend. Alle Kinder, die in der Gegend Eishockey spielen, wollen in der WHL spielen. Also waren diese zwei Saisons dort zwei der besten Jahre meiner bisherigen Karriere und ich werde sie nie vergessen.“



Mit dem Bundesadler auf der Brust  

Bereits die Zeit in Salzburg führte zum Einsatz in der U-18-Nationalmannschaft, aber die Zeit in Kanada bewies sich als vielleicht ausschlaggebend für seine Einbeziehung in den U-20-Kader, mit dem die deutsche Nationalmannschaft 2019 den Aufstieg in die A-Gruppe schaffte. In dem Kader standen unter anderen die mittlerweile gedrafteten Spieler wie Justin Schütz (6. Runde, 170. Stelle, Florida Panthers), Moritz Seider (1. Runde, 6. Stelle, Detroit Red Wings), Dominik Bokk (1. Runde, 25. Stelle, St. Louis Blues), Tim Stützle (1. Runde, 3. Stelle, Ottawa Senators) und Leon Gawanke (5. Runde, 136. Stelle, Winnipeg Jets). Auch die bereits in der DEL etablierten Spieler wie Taro JentzschTim WohlgemuthTim BrunnhuberMarco BaßlerAlexander EhlColin Ugbekile und Hendrik Hane gehörten zu dieser Mannschaft.

„Deutschland bei den U18- und U20-WMs zu repräsentieren war eine einfach unglaubliche Erfahrung. Gegen die besten Spieler in der Klasse anzutreten sowie mit den besten Spieler aus diesem Land, das war nicht zu toppen. Und die U20 als Meister und Aufsteiger zu beenden war das Sahnehäubchen“, erinnert sich Sebastian gerne an diese Zeit zurück.

BILDBYRÅN/Geisser


Wie die Eishockeywelt so ist, sind viele dieser Mitspieler aus den zwei Turnieren nun Gegner in der Liga oder halt Freunde, die sich auf bemerkenswerten Reisen im Ausland befinden. „Es ist schon besonders und macht sehr viel Spaß, gegen Spieler zu spielen, die bei diesen Ereignissen meine Mannschaftskollegen waren. Das gibt einem immer einen besonderen Anreiz. Zudem war es fantastisch zu sehen, wie Tim (Stützle) und Lukas (Reichel) in der ersten Runde des Drafts gezogen worden sind. Es ist ein wunderbares Zeichen dafür, wo sich das deutsche Eishockey nun befindet. Deutschland ist schon ein Interessenspunkt für die Talentspäher der NHL und wir erleben, wie mehr und mehr Scouts den Weg nach Deutschland finden, um die jungen Spieler hier unter die Lupe zu nehmen. Allein schon durch Lukas und seine unglaubliche Entwicklung hier bei den Eisbären habe ich mit eigenen Augen sehen können, wie viele Scouts unsere Spiele vor Ort ansehen.“


Weg zum Profitum

Geführt hat alles dann zu seinem ersten Vertrag mit den Eisbären Berlin, die mit Co-Trainer Craig den besten Vermittler in der Hinterhand hatten. Sicher war es natürlich nicht, ob Sebastian zu diesem Zeitpunkt reif für die DEL wäre, aber wichtige Schritte in der Entwicklung könnten – und sollten – beim Kooperationspartner in Weißwasser ermöglicht werden.

„Die Eiszeit in der DEL2 ist so wichtig für die Spielerentwicklung und das Aufbauen des Selbstbewusstseins eines jungen Spielers“, erklärt der Youngster. „Die meisten jungen Spieler, die in jungen Jahren Profi werden, sind es gewöhnt, eine Top-6-Rolle in einer Mannschaft zu haben und in jedem Spiel 20+ Minuten Eiszeit zu sehen. So ist es dann nicht mehr in den allermeisten Fällen in den ersten Jahren als Profi. Insofern ist die Eiszeit in der DEL2 optimal für aufstrebenden DEL-Spieler und hat für mich in den letzten zwei Jahren sehr viel bedeutet. Dadurch habe ich mich als junger Profi etablieren und den Weg in die DEL verdienen können.“

Mit der Erfahrung in der WHL im Rücken und den Einstieg ins Profitum durch Einsätze mit den Füchsen in der DEL2, ist ein Spieler fast auf dem Punkt, wo er sein muss, um auf gehobenem Niveau in der DEL zu spielen. Doch gibt es einen definitiven Unterschied, um den es auch für die begnadigten Talente keinen Umweg gibt. „Die größte Anpassung ist der mentale Teil der Sportart. „Es kann ganz schön hart sein, nur fünf bis zehn Minuten Eiszeit zu bekommen, aber man muss durch und immer im Hinterkopf behalten, dass seine Zeit noch kommen wird.”

Wer konnte zum damaligen Zeitpunkt wissen, dass sich die Zeit in Nordamerika relativ schnell für Sebastian auszahlen würde: “Der Sprung vom Juniorenhockey in Kanada zum Profi-Eishockey in Deutschland war nicht so groß. Weil die Eisfläche in Nordamerika kleiner ist, war ich bereits gewöhnt, mit der Geschwindigkeit der DEL umzugehen. Aber gemerkt habe ich schon schnell, dass man als Profi gegen größere, älterer und stärkere Spieler spielt. Gerade in diesem Bereich muss ich weiterhin zulegen, um ein vollständiger Spieler zu werden.“

In seinen ersten zwei Jahren als Profi hat Sebastian sich zu einem Zwei-Wege-Stürmer in der Tiefe des Berliner Kaders etabliert. Seine Rolle ist im Laufe der Zeit gewachsen und in den Playoffs der vergangenen Saison war er für alle neun Spiele aufgestellt, wobei er zwei Tore erzielen konnte. Sebastian schaffte in der letzten Saison nicht nur den endgültigen Durchbruch in der DEL, sondern schrieb mit seinem Vater gemeinsam auch noch Geschichte.


Vater und Sohn – gemeinsam DEL Meister  

Die großen Favoriten Mannheim und München sowie der Geheimfavorit aus Ingolstadt scheiterten in den ersten Runden der Playoffs und fanden den Weg ins Finale nicht. Am Ende waren es die Eisbären, die alle drei Spiele in jeder Serie benötigten und somit verdient zum achten Mal in der DEL-Geschichte Meister geworden sind. Mit dem Gewinn des Meistertitels wurde zum ersten Mal in der Geschichte der DEL ein Vater als Teilnehmer des Trainerstabs und Sohn als Spieler gemeinsam Meister.

„Keine Wörter können beschreiben, wie unglaublich es sich anfühlt, Meister zu werden. Und mein Vater stand – im wahrsten Sinne – den ganzen Weg zur Meisterschaft hinter mir“. Diesen Erfolg beschreibt Sebastian kurz und knackig als: „Ganz einfach, das Highlight meiner Karriere!”

Sebastian (li.) und Craig

Sebastian (li.) und Craig


Auch sein Vater äußert sich nochmal zum Gewinn des DEL-Titels: „Wir feiern alles als Familie“, fängt Craig an, die Situation klar und deutlich zu formulieren. „Es ist natürlich kein normaler Zustand, den eigenen Sohn auf der Spielerbank zu haben und es ist nicht leicht. Sebastian genießt hier keine Vorteile. Wir hatten eine tolle Gruppe hier und so etwas erreicht man nur, wenn alle an Bord sind. Jeder musste seinen Beitrag leisten, um uns diese Meisterschaft möglich zu machen und genau das haben sie geschafft. Es freut mich so sehr für ‘Sebe’, aber genau so viel freut es mich für die anderen 25 Jungs in der Mannschaft. Sebe ist ein Profi, er versteht, wie schwer es ist zu gewinnen.“

Die Geschichte des Vater-Sohn-Duos fängt im Grunde erst an, denn die anstehende DEL-Saison wird erst zur dritten gemeinsamen Saison, somit haben beide noch einiges vor. Das ist auch dem Sohnemann bewusst: „Ich bin dankbar für alles, was ich bisher erlebt habe. Ich bin mir sicher, dass mit harter Arbeit und eisernem Engagement noch mehr Erfolg folgen wird“, erklärt der Lehrling.

Familie Streu hat in der Eishockeywelt schon viel erlebt und hierbei stehen nicht nur Craig und Sebastian im Vordergrund. „Wir haben ein enormes Glück“, gibt Craig zu, während er an seine Familie denkt und auf die Erlebnisse in Deutschland zurückblickt. „Die Dinge sind nicht immer so leicht, und das wird jede Familie sagen, aber der Lifestyle, der einem im Profisport begleitet, ist wirklich was Einzigartiges. Man zieht viel um, die Schulen werden gewechselt, Jobs werden gewechselt; die Familie hat es nicht leicht. Aber du lernst so viele richtig großartige Menschen kennen. Du lernst neue Städte kennen und es gibt immer neue Erfahrungen zu machen. In diesem Umfeld aufzuwachsen hat unsere Kinder stärker und kontaktfreudiger gemacht und nichts davon wäre möglich ohne die Zauberkünstlerin, die wir “Mom” nennen. Meine Frau ist der Schlüssel zu allem. Sie wird nie die ganzen Lorbeeren kassieren für alles, was sie tut, aber ich kann mich für den Erfolg der ganzen Familie nicht genug bei ihr bedanken.“ Mit dieser Aussage wird klar, dass die DEL-Meisterschaft 20/21 wirklich zu einer echten Familienangelegenheit geworden ist.

(Eishockey-)Familie Streu

(Eishockey-)Familie Streu


Hier geht es zu Part I der Story: Craig und Sebastian Streu: Eine Familienangelegenheit

 https://eprinkside.de/2021/09/01/craig-und-sebastian-streu-eine-familienangelegenheit-teil-1

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