DEL

Manuel Wiederer: „The Sky is the Limit“

Manuel Wiederer galt als eines der größten deutschen Eishockey-Talente und stand kurz vor dem Durchbruch in die NHL. Aus verschiedenen Gründen ist es in den letzten Monaten aber still geworden um den gebürtigen Deggendorfer. Jetzt nimmt der 24-jährige Stürmer einen neuen Anlauf bei den Eisbären Berlin und ist bis in die Haarspitzen motiviert.



Natürlich standen viele Vereine im Sommer Schlange, als Manuel Wiederer auf den Markt kam. „Es gab vereinzelte Angebote aus Schweden, einige aus Deutschland, doch ich bin mir schnell mit Berlin einig geworden. Hier stimmt das ganze Paket, es ist ein sehr guter Verein. Ich möchte schnell wieder an mein Leistungslimit kommen und natürlich auch gewinnen. Dafür sehe ich hier gute Chancen“, sagt Wiederer im Gespräch mit EliteProspects Rinkside.

Die Eisbären dürfen sich auf einen hart-arbeitenden Rechtsschützen freuen, der in jeder Rolle performen kann. „Ich denke, ich bin ein sehr kompletter Spieler: Ich kann centern oder außen spielen und schlüpfe in jede Rolle, egal ob in der ersten oder in der vierten Reihe, da bin ich flexibel“, erklärt der 1,85 Meter große Angreifer. „Ich bin schon eher ein Defensivstürmer, möchte aber auch offensiv beitragen. Auch das Unterzahlspiel ist ein großer Posten. Die Trainer vertrauen mir, ich spiele gerne in den letzten Minuten, wenn wir eine Führung verteidigen müssen.“ Verbessern möchte sich der Blondschopf noch in Sachen Konstanz. „Es gibt unzählig viele Sachen, an denen man noch feilen kann“, findet Wiederer. „Am allermeisten möchte ich aber gesund bleiben.“

Es ist kaum auszudenken, wo der Deggendorfer heute wäre, wenn ihn nicht das Verletzungspech verfolgt hätte.


Drei Spiele an einem Wochenende  

Bei seinem Heimatverein Deggendorfer SC schoss Wiederer schon im Junioren-Bereich alles kurz und klein: 2011/12 waren es 103 Scorerpunkte (47 Tore, 56 Assists) in der U-16- sowie 46 Punkte (20 Tore, 26 Assists) in der U-18-Mannschaft. In der Folgesaison 2012/13 sogar 121 Punkte (69 Tore, 52 Assists) in der U 18 sowie 76 Punkte (36 Tore, 40 Assists) in der U 20. Im selben Jahr debütierte das Talent auch in der deutschen U-17-Nationalmannschaft und bei den Herren in der 3. Liga für Deggendorf Fire – wohlgemerkt im Alter von 16, 17 Jahren!

„Es war eine Wahnsinnzeit“, blickt Wiederer zurück. „Ich hatte jedes Wochenende drei Spiele mit 45 Minuten Eiszeit. Das war genau das, was ich als junger Spieler wollte: spielen, spielen, spielen. Ich habe einen anderen Weg gewählt als viele andere, bin lange in Deggendorf geblieben und habe dort Oberliga gespielt.“ Als Teenager gelangen ihm in zwei Saisons in 67 Oberliga-Spielen 36 Scorerpunkte (17 Tore, 19 Assists). 

Deggendorf war für Wiederers Fähigkeiten schnell zu klein geworden. Es folgte die nächste Entwicklungsstufe: Innerhalb von Niederbayern wechselte der Stürmer zu den Straubing Tigers und machte am Pulverturm seine ersten DEL-Spiele: In 29 Einsätzen verbuchte er zwei Punkte (ein Tor, ein Assist).


Ausbildung in der QMJHL – Sharks greifen im Draft zu  

Im Jahr darauf wechselte Wiederer dann nach Kanada und in eine der besten Juniorenligen auf diesem Planeten: die QMJHL. „Es war kein leichter Schritt, weil ich ja schon in der DEL gespielt hatte, aber es war der richtige“, so Wiederer. „Es war ein ganz anderes Leben, aber es hat mir sehr geholfen. Man ist auf jeden Fall selbstständiger und schneller erwachsen geworden. Für einen jungen Menschen gibt es nichts besseres, als eine neue Kultur und ein neues Umfeld kennenzulernen. Das ermöglicht einem eine komplett neue Perspektive.“

2015/16 schnürte Wiederer die Schlittschuhe für die Moncton Wildcats und knüpfte in Sachen Produktivität an seine Jahre in Deggendorf an: In 54 Spielen gelangen ihm 64 Punkte (29 Tore, 35 Assists). 2016/17 lief er dann sowohl für die Wildcats (30 Spiele, 15 Tore, 15 Assists) als auch für die Rouyn-Noranda Huskies (30 Spiele, 14 Tore, 9 Assists) auf. „Das war eine der besten Zeiten, die ich je gehabt habe. Ich hatte Glück, dass ich in zwei guten Organisationen spielen durfte. Moncton war an der Ostküste, da konnten alle Englisch. Beim zweiten Team war es schon sehr viel auf Französisch, das war ab und zu nicht einfach, aber man ist schon zurechtgekommen.“

Zwischen diesen beiden Jahren in der QMJHL wurde Wiederer auch gedraftet: 2016 wählten ihn die San Jose Sharks in der 5. Runde an insgesamt 150. Stelle aus: „Ich war in Straubing mit meiner Familie bei meinem Agenten. Wir haben gespannt zugeschaut. Im Vorfeld hatte ich viele Gespräche mit mehreren Teams gehabt, mit den Sharks waren sie aber sehr gut. Ich wusste, wenn es was wird, dann bestimmt mit den Sharks. Am Ende war es die pure Freude. Wir haben mit der Familie gefeiert. Es war ein ganz spezieller Tag, den ich nie vergessen werde.“


Drei Jahre in San Jose – NHL-Traum zum Greifen nahe  

Zwischen 2017 und 2020 spielte Wiederer beim Farmteam San Jose Barracuda in der AHL. In diesem Zeitraum kam er in einer deutlich defensiveren Rolle in 126 Spielen auf 44 Scorerpunkte (21 Tore, 23 Assists). „Es war schon eine große Umstellung. Nicht nur vom Eishockey, sondern auch von der Wetterlage an der Westküste. Ich habe aber auch dort wieder sehr viel lernen können“, erzählt Wiederer. „Es war eine Hammer-Zeit. Leider waren diese drei Jahre auch sehr von Verletzungen geprägt und es gab immer wieder Rückschläge. Das ist sehr schade, denn ich habe mir dort eine regelrechte Familie mit Physios, Trainern und einem gesamten Umfeld aufgebaut. Wir sind immer noch in Kontakt, dieser wird auch bestehen bleiben.“

Insbesondere vor der Saison 2019/20 stand das deutsche Talent kurz vor dem Debüt in der NHL. Doch nach einem starken Training-Camp und guten Eindrücken in der Pre-Season, streikte der Körper. „Ich kam von einer Knie-OP im Sommer zurück und habe wohl zu früh zu viel gemacht: Im Testspiel bei den Calgary Flames habe ich zwei Tore geschossen, doch danach war mein Knie komplett im Eimer. Ich war wieder wochenlang raus, und mein Knie hat nicht so funktioniert, wie es sollte. Ich denke schon, dass der NHL-Traum damals zum Greifen nah war, die Chancen standen sehr gut. Es war eine regelrechte Achterbahnfahrt: Dann mache ich nach sieben Monaten Zwangspause zwei Tore, gehe einen großen Schritt in Richtung NHL-Kader, doch schon am nächsten Tag wusste ich, dass das Camp für mich vorbei war.“


Wiederer: „Ich war nicht in der Lage, Profi-Eishockey zu spielen“  

Im Jahr 2020 kam zum Verletzungspech auch noch der Faktor Corona hinzu. Der Anfang vom Ende seiner Zeit in Nord-Kalifornien. „Ich hatte den Vertrag in San Jose eigentlich verlängert gehabt. Doch es war Corona, wir wussten nicht, wann es wieder losgeht. Ich war kurz in Deggendorf, wollte mich vorbereiten und habe gemerkt, dass es körperlich und mental nicht mal für die Oberliga gereicht hat“, findet Wiederer klare Worte und traf eine mutige Entscheidung: „Ich habe in San Jose Bescheid gesagt, dass ich meinen Vertrag auflösen möchte. Sie haben es verstanden. Ich wollte einfach nur untertauchen, damit ich mich sammeln kann, um irgendwann wieder durchzustarten. Das haben in der Eishockey-Welt viele nicht verstanden, aber ich habe diese Auszeit gebraucht. Physisch gab es große und kleinere Verletzungen, die Schmelztoleranz ging nach oben, also habe ich viel durchgespielt und bin mental in ein Loch gefallen. Ich war nicht in der Lage, Profi-Eishockey zu spielen. Wenn ich spiele, dann auch mit 100 Prozent. Es war keine leichter Entscheidung, insbesondere in meinem Alter, aber ich bin stolz darauf.“

2020/21 war also eine bittersüße Saison: Zwar ging Wiederer wieder für seinen Heimatklub aufs Eis (12 Spiele, vier Tore, sechs Assists), doch eben auch mit einer niederschmetternden Erkenntnis: „Für mich war es ein Wahnsinn, weil ich nicht gewusst habe, ob ich jemals nochmal für meinen Heimatverein und zusammen mit meinem Bruder zusammenspielen würde. Mit Fans wäre es noch spezieller gewesen. Ich bereue es nicht, habe aber schnell gemerkt, dass wenn es nicht mal in der Oberliga reicht, dann auch nicht in der AHL.“

BILDBYRÅN/Stefan Ritzinger



Große Pläne: Mit den Eisbären und überhaupt  

Mit ein wenig Abstand landete das Angebot der Eisbären auf dem Schreibtisch. „Ich denke, dass wohl keiner mehr Vorfreude auf diese Saison hat als ich“, jubelt Wiederer, der die ersten Wochen der Vorbereitung gut überstanden hat: „Bislang läuft es optimal: Ich fühle mich gesund und möchte weiter aufholen. Ich fühle mich auch wohl in Berlin. Mit Leo Pföderl kann ich mich ja sogar auf Bayerisch unterhalten.“

Sollte Talent Lukas Reichel den Sprung zu den Chicago Blackhawks in die NHL schaffen, würde sogar der Platz in der Reihe mit Pföderl und Marcel Noebels freiwerden. „Ich glaube, jeder Eishockey-Spieler würde diesen Platz favorisieren“, lacht Wiederer. „Ob es so kommt, wird sich zeigen. Es kann sich immer viel ändern. Ich bleibe ganz entspannt.“

Der Vertrag bei den Eisbären läuft für ein Jahr bis 2022. Und danach? Mit Nordamerika hat Wiederer jedenfalls noch nicht abgeschlossen: „Das Kapitel ist auf keinen Fall beendet“, betont der 24-Jährige. „Corona hat es für mich da drüben beendet. Jetzt steht erstmal Berlin im Vordergrund, wo ich so schnell es geht wieder an meine Leistungsgrenze kommen möchte. Ich schaue von Spiel zu Spiel, möchte egal in welcher Rolle helfen und Deutscher Meister werden. The Sky is the Limit!“



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