Marcel Noebels: Wenn aus Reihenkollegen beste Freunde werden
Meister mit den Eisbären Berlin, Platz 4 bei der WM mit Deutschland. Hinter Marcel Noebels liegt das vielleicht beste Jahr seiner Eishockey-Karriere. Mit EliteProspects Rinkside sprach der 29-jährige Stürmer über eine besondere Saison, einen geplatzten NHL-Traum und eine Reihe mit einer außergewöhnlichen Chemie.
Marcel Noebels räumte in der Saison 2020/21 richtig ab: Top-Vorbereiter in der DEL (36 Assists in 36 Spielen), Top-Scorer in den Playoffs (1-9-10 in neun Partien), DEL-Stürmer und DEL-Spieler der Saison, Deutscher Meister mit den Eisbären Berlin und schlussendlich auch noch Platz 4 mit der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Riga (3-5-8 in zehn Spielen). Das beste Jahr seiner Eishockey-Karriere also?
„Ja, ich glaube schon“, sagt Noebels. „Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist da nicht mehr viel, was kommen könnte. Ich habe dieses Jahr fast alles erlebt, was ich erlebten könnte. Ich bin froh, dass wir uns mit den Eisbären für eine schöne Saison belohnt haben und als Mannschaft noch enger zusammengerutscht sind. Mich hat auch sehr gefreut, dass ich als Einzelner herausstechen und meinen Beitrag für die Mannschaft leisten konnte.“
Der Stürmer ist durch und durch ein Teamplayer. Das zeigen auch seine zahlreichen Torvorlagen in den letzten Jahren. Macht ihm Assists zugeben also mehr Spaß als Tore zu schießen? „Nein. Mir geht es darum, meine Stärken so einzusetzen, dass ich die Mannschaft besser machen kann. Ich bin jemand, der mit seinen Spielmacherfähigkeiten den Mitspieler sucht, der besser steht, damit er die bestmögliche Chance auf ein Tor hat.“
„Wir sind beste Freunde geworden“
In der abgelaufenen Saison suchte der 29-Jährige bevorzugt seine Reihenkollegen Leo Pföderl (27) und Lukas Reichel (19). In der DEL-Saison 2020/21 brachte es diese Reihe zusammengerechnet auf unglaubliche 126 Scorerpunkte (42 Tore, 84 Assists). Kein Wunder, dass auch Bundestrainer Toni Söderholm beim der WM in Lettland auf genau dieses Trio setzte. Dabei zählte diese „Eisbären-Reihe“ zu den auffälligsten im DEB-Team und zahlte das Vertrauen mit kumulierten 19 Scorerpunkten (sieben Tore, zwölf Assists) zurück.
„Wir hatten die ganze Saison und auch bei der WM eine sehr gute Chemie in dieser Reihe. Alle drei hatten was von allem: Wir sind gute Schlittschuhläufer und nicht gerade klein, können uns also auch in den Zweikämpfen durchsetzen, was sehr wichtig ist. Leo ist ein absoluter Goalscorer und war derjenige, der die Scheibe zum Schießen kriegt. Lukas und ich sind beides Spieler, die über das Spielerische kommen, die Scheibe fordern und etwas mit ihr anfangen wollen.“
BILDBYRÅN/ActionPictures
Was zunächst eine gute Ergänzung war wurde schnell zu blindem Verständnis. Übrigens nicht nur auf dem Eis. „Seitdem wir zusammenspielen, ist unsere Freundschaft immer größer geworden. Wir sind wirklich beste Freunde geworden“, betont Noebels. „Wenn du auch privat so ein gutes Verhältnis hast, dann fällt einem auch auf dem Eis vieles leichter. Ich denke, auch die Zuschauer konnten sehen, dass wir unsere Abläufe kennen und in gewissen Situationen wissen, was der andere mit der Scheibe macht. Man vertraut dem anderen viel mehr, wenn man das Timing und die Abstimmung hat und sich immer gegenseitig unterstützt. Das hat uns das Leben einfacher gemacht.“
Pföderl und Reichel: Mehr als nur zwei Mitspieler
Pföderl kennt Noebels schon seit zehn Jahren aus gemeinsamen Zeiten in der U-20-Nationalmannschaft. Der 1,84 Meter große Rechtsschütze kam 2019 von den Nürnberg Ice Tigers in die Hauptstadt und wusste auch dort mit einem der besten Handgelenksschüsse der Liga zu glänzen. „Definitiv“, bestätigt Noebels. „Ich sehe jeden Tag, wie er schießt. Leo ist ein Typ, der wirklich auch vom Kopf her sehr stark ist. Selbst wenn er mal nicht trifft, zweifelt er nie an sich selbst. Das macht einen Goalgetter aus. Er ist ein lustiger Kerl, mit dem ich gerne meine Zeit verbringe. Wir sind auch Zimmerpartner auf den Auswärtsfahrten und verbringen auch so viel Zeit miteinander. Er war einer der großen Gründe für den Gewinn der Meisterschaft.“
Mit dem 1,83 Meter großen Eigengewächs Reichel centerte nicht nur ein deutsches Top-Talent, sondern auch ein schneller, wendiger und technisch starker Linksschütze diese Reihe. „Lukas ist ein spielfreudiger Spieler, der unheimlich viel Dynamik mitbringt und dieses Jahr einen Riesenschritt gemacht hat, vor allem im Abwehrverhalten und in den Zweikämpfen.“ Eine steile Entwicklung die auch den Chicago Blackhawks nicht verborgen geblieben ist: Im Entry Draft 2020 wurde Reichel von seinem Lieblingsteam in der 1. Runde an 17. Stelle ausgewählt. Vor Kurzem unterschrieb er einen Entry-Level-Contract bei den Hawks und könnte zur neuen Saison schon in Windy City auflaufen. „Er braucht sicherlich noch ein paar Kilos mehr, um sich dort genauso durchzusetzen wie hier. Seine Entwicklung zu sehen und mit welcher Selbstverständlichkeit er sich auf dem Eis bewegt, das erlebt man selten bei einem 19-Jährigen“, sagt Noebels und lacht: „Ich hoffe, dass er so weitermacht und bin gespannt, ob er zwei Reihenpartner wie Leo und mich finden wird.“
Erfüllter Lebenstraum: Noebels beim Draft und mit NHL-Vertrag
Noebels selbst spielte selbst schon in Nordamerika. In der Saison 2010/11 wagte er den Sprung in die Juniorenliga WHL zu den Seattle Thunderbirds. „Seitdem ich Schlittschuhe anziehe, war mein größter Traum, in die NHL zu kommen und gedraftet zu werden. Ich habe die Möglichkeiten dafür in Nordamerika größer gesehen, weil dort bei jedem Spiel zehn bis 15 Scouts auf den Tribünen sitzen. Das hat die Chancen erhöht“, blickt der 1,90-Meter-Mann mit guten Erinnerungen zurück. „Da waren teilweise 10.000 bis 15.000 Menschen im Stadion, um junge Spieler zu sehen. In der DNL waren es vielleicht die Eltern und noch 25 andere. Für mich war es auch schön, eine neue Kultur und Sprache zu erleben. Ich hatte zwei Gastfamilien, die mich super aufgenommen haben und denen ich für immer dankbar sein werde. Ich habe heute noch Kontakt zu ihnen. Es war eine richtig schöne Zeit.“
Und auch eine sehr erfolgreiche, denn Noebels wies seinen Scoring-Touch gleich in seiner ersten Saison bei den Thunderbirds eindrucksvoll nach (66 Spiele, 28-26-54), sodass sein Draft-Plan aufgehen sollte: 2011 wurde der in Tönisvorst geborene und beim Krefelder EV ausgebildete Noebels in der 4. Runde an 118. Stelle von den Philadelphia Flyers ausgewählt. „Ich hatte damals das Glück, im Final Ranking an Stelle 58 zu stehen, denn die ersten 60 wurden nach Minnesota eingeladen, wo der Draft abgehalten wurde. Das zu sehen, wie jeder Manager und alle großen Namen auf dem Parkett sitzen, das war megageil.“ So sah Noebels neben den GMs auch, wie heutige Superstars wie Ryan Nugent-Hopkins, Gabriel Landeskog, Jonathan Huberdeau, Mika Zibanejad, Mark Scheifele, Sean Couturier oder Dougie Hamilton gedraftet wurden.
Seinen ersten NHL-Vertrag unterschrieb Noebels dann 2012. „Da ist ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen“, so der Linksschütze, der allerdings nie in der NHL auflaufen sollte. Zwei Jahre lang wurde er beim AHL-Farmteam Adirondack Phantoms eingesetzt, der Anruf von den Flyers kam nie. „Ich bin ehrlich zu mir selbst und der Meinung, dass ich im Vergleich zu den anderen einen halben Schritt hinterhergelaufen bin. Sie waren einfach besser. Ich hatte auch ein wenig Verletzungspech im zweiten Jahr und fiel lange aus. Das waren alles so Sachen, die man sich nicht wünscht. Auch gab es einen GM-Wechsel in Philadelphia: Der, der mich gedraftet hatte, war nicht mehr da, was auch kein Vorteil war. Am Ende des Tages musste ich also in den sauren Apfel beißen. Ich wäre gerne drübengeblieben, aber sie wollten mich nicht per Trade zu einer anderen Mannschaft lassen. Die Kommunikation wie die Arktis: sehr kalt. Da kommt der Trainer nicht dreimal um die Ecke und trinkt einen Kaffee mit dir. Die einzige Chance, wieder glücklich zu werden, war die Rückkehr nach Europa. Mir war wichtig, dass ich wieder zu mir finde und ich mir selbst beweise, wie gut ich bin.“
Eine besondere Meisterschaft und eine unvergessliche WM
Genau das tat Noebels auch und startete bei den Eisbären Berlin voll durch. Sogar so gut, dass er 2018 nochmal ins Trainingscamp der Boston Bruins eingeladen wurde. Seine Heimat aber blieb die deutsche Hauptstadt. In der bizarren und verkürzten Corona-Saison 2020/2021 wurde er dann zum ersten Mal Deutscher Meister. „Wir Sportler wollen, dass die bessere Mannschaft gewinnt, also hätten auch wir uns Best-of-7-Serien gewünscht. Im Best-of-3 kommt halt auch mal ein Underdog weiter, da bist du schnell raus. Ich finde aber nicht, dass man den Erfolg deshalb kleinreden sollte, im Gegenteil: Gerade hier in Berlin waren wir am weitesten von allen anderen Klubs entfernt, waren ständig nur im Bus und im Hotel. Es war also noch schwieriger. Trotzdem waren wir sehr konstant, Erster in der Hauptrunde und sind in jeder Playoff-Serie zurückgekommen. Was will man mehr? Wir haben alles bewiesen und bestätigt.“
Nach diesem Triumpf ging es für Noebels zusammen mit den Teamkollegen Pföderl, Reichel, Verteidiger Jonas Müller und Torwart Mathias Niederberger zur Weltmeisterschaft nach Riga. Umso bemerkenswerter war es, dass die deutsche Nationalmannschaft bei einer WM auf dem Einzelzimmer in kürzester Zeit einen so starken Teamgeist entwickeln konnte. „Es war ein richtiges Feeling. Jeder hat sich so hart und tapfer durchgeschlagen. Es war ein Teamgeist, den ich selten so erlebt habe“, berichtet Noebels, bei dem eine Menge Stolz in der Stimme mitschwingt: „So eine Mannschaft entstehen zu lassen und so ein Turnier zu spielen, ist bemerkenswert. Wir sind mit Selbstvertrauen und Entschlossenheit gegen die großen Nationen angetreten und haben gespielt, um zu gewinnen. Das geht nur zusammen und als Einheit, wenn jeder bereit ist, für den anderen etwas zu machen, was nicht schön ist. Ein Beispiel sind Tom Kühnhackl und Tobias Rieder: Tom hat zwei Stanley Cups, Tobi eine sehr gute NHL-Laufbahn und beide waren Spieler, die alles geblockt, sich mit dem Gesicht voran in Schüsse geschmissen und alles dafür getan haben, dass kein Gegentor fällt. Wenn so etwas von solchen Spielern kommt, dann nimmt das alle mit. Auch die Jungs, die nicht gespielt haben, waren immer positiv. Wir haben die Herzen Deutschlands für 14 Tage mitgenommen, alles auf den Tisch gelegt und eine schöne Zeit auf dem Eis gehabt. Wir wussten, dass wir an einem guten Tag gegen jeden gewinnen können, sind sehr konstant geworden und stehen völlig zurecht unter den Top 5 der Welt. Das ist Wahnsinn und macht mich riesig stolz, dass ich Teil des Ganzen bin. Wir hatten eine ganz tolle Zeit.“
Urlaub – mit Pföderl und Reichel
Nach der vielleicht besten Saison seiner Karriere wird Noebels in den nächsten Wochen an seiner Bräune arbeiten: „Wir sind alle sehr, sehr weiß, die Sonne wird uns guttun“, lacht der Stürmer, der einen Urlaub auf Mallorca plant. Mit „wir“ meint er natürlich nicht nur seine Freundin, sondern auch seine besten Freunde: „Leo und Lukas kommen auch mit. Wir trennen uns nicht!“