AHL

Lean Bergmann: Der Wanderer zwischen den Welten

Nach dem „besten Jahr meines Lebens“ bei seinem Heimatklub Iserlohn Roosters ist Lean Bergmann nach Nord-Kalifornien aufgebrochen, um dort NHL-Spieler zu werden. Bei den San Jose Sharks und ihrem Farmteam den San Jose Barracuda erlebt der Stürmer ein Auf und Ab der Gefühle, hofft auf einen Anruf aus der NHL und platzt fast vor Vorfreude auf die deutsche Nationalmannschaft.


Facettenreiche Ausbildung in drei Ländern  

Lean Bergmann wandelt zwischen den Welten: Sauerland, Schweden, Kalifornien – der 22-Jährige hat schon im jungen Alter viel von der (Eishockey-)Welt gesehen. 

Geboren ist Bergmann in Hemer, einen Steinwurf von Iserlohn entfernt. Beim Iserlohner EC ging er die ersten Schritte im Eishockey. Sowohl auf dem Eis, als auch als Fan im Hexenkessel am Seilersee. „Als kleiner Junge bin ich immer zu den Spielen gegangen und habe zu den Profis aufgesehen“, erinnert sich Bergmann gerne an Koryphäen wie Christian Hock, Michael Wolf, Mike York, Bryan Adams. „Ich habe sie jahrelang angefeuert“, sagt der Blondschopf und grinst: „Ich muss sagen, ich höre mir heute noch regelmäßig die Iserlohner Eishockeylieder an.“

Über Mannheim wechselte Bergmann dann nach Schweden, wo er in Frölunda (Frölunda HC) und Uppsala (Almtuna IS) weiter ausgebildet wurde. „In Schweden war es ein tolles Gesamtpaket“, erklärt er. „Wie man trainiert, das Kraft- und Konditionstraining, die Einstellung – das war eine ganz andere Welt als in Deutschland.“

Nach zweieinhalb Jahren in Nordeuropa aber zog es den Linksschützen in den Norden der USA, wo er für die Sioux Falls Stampede und die Green Bay Gamblers in der USHL auflief. „Ich glaube, dort habe ich am meisten gelernt, was das Läuferische, den Speed auf dem Eis und auch die Schnelligkeit im Kopf angeht. Alle Jungs kämpfen um die Stipendien und den NHL Draft, es herrschte großer Konkurrenzkampf.“


Zur rechten Zeit am rechten Ort  

2018 dann die Rückkehr in die Heimat. Nach Iserlohn. Zu den Roosters. „Es war das Jahr, in dem ich vielleicht am meisten Spaß in meinem Leben hatte“, wird Bergmann emotional. „Von Anfang an bis zum letzten Spiel lief alles sehr gut.“ Auch half ihm die eine oder andere glückliche Fügung: „Am Anfang war ich überhaupt nicht im Powerplay oder in der dritten Reihe eingeplant. Nur weil Travis Turnbull noch auf seinen deutschen Pass warten musste, habe ich das Vertrauen von Trainer Rob Daum sowie dem damaligen Manager Karsten Mende bekommen, der mich bereits zur Saison 2016/17 holen wollte. Ihnen habe ich sehr viel zu verdanken, denn sie haben mir das Vertrauen geschenkt. Ich habe Überzahl gespielt, bin in meiner Reihe gut klargekommen und in dieser Rolle geblieben.“

Auch beim Deutschland Cup war Bergmann wieder zur rechten Zeit am rechten Ort. „Ich hätte eigentlich nicht dabei sein sollen, aber ein anderer Spieler hatte sich verletzt. Ich habe dann direkt ein Tor geschossen und dann führte eines hat zum anderen.“


Ohne „Sommer-Rost“ in die NHL  

Es führte sogar bis in die NHL! Im Sommer 2019 schlugen zunächst die Adler Mannheim zu, doch in der DEL lief Bergmann nie für die Adler auf. Nach der Vorbereitung und zwei Champions-Hockey-League-Einsätzen waren die San Jose Sharks am Telefon und lotsten das deutsche Talent nach Kalifornien.

„Ich bin frisch aus Mannheim aus der CHL ins Trainings Camp gekommen und stand voll im Saft: Ich war in einer sehr guten körperlichen und mentalen Verfassung, voll im Game-Modus. Das hat mir sehr geholfen. Andere Spieler brauchten ein wenig, um reinzukommen, was völlig normal ist. Diese Zeit habe ich dank Mannheim nicht gebraucht. Ich war gut vorbereitet, bin gut mit den Trainern klargekommen.“

Am 2. Oktober 2019 gab Bergmann sein Debüt in der NHL und erhielt bei der 1:4-Niederlage bei den Vegas Golden Knights satte 12:42 Minuten Eiszeit. Ein Wert, den der Angreifer seitdem nicht mehr erreichen sollte. Am 8. Oktober (2:5 bei den Nashville Predators) gelang ihm seinen ersten NHL-Assist. Ein Tor wollte noch nicht fallen. 

Stephen R. Sylvanie-USA TODAY Sports


Im weiteren Verlauf gab es ein Auf und Ab zwischen den Sharks und dem Barracuda – Bergmann wanderte also wieder zwischen den Welten. „Ich wurde sechs, siebenmal hoch und runtergeschickt. Es ist schwer, da mental positiv zu bleiben. Am Ende des Tages war die Saison aber sehr gut. Schade, dass Corona dazwischenkam und sie beendet hat, als ich gerade oben in der NHL war.“ Unterm Strich standen zwölf NHL-Spiele für den Jungen aus Hemer.


Viel Geduld in der AHL  

Anders als für Bergmann war die Saison für die Sharks ein Desaster: San Jose schloss als schlechtestes Team der Western Conference ab, verpasste damit die im Sommer durchgeführte Stanley Cup Qualifikationsrunde und stand aufgrund der Coronavirus-Pandemie vor einer langen Sommer- und Herbstpause.

Bergmann nutzte diese Zeit, um sich im schwedischen Göteborg, wo die Eishallen trotz Corona offen waren, fit zu halten. „Diese Zeit war sehr gut für mich. Das Training dort war sehr fortschrittlich und modern. Typisch für Schweden gab es viele Wettkämpfe im Training, es wurde hart trainiert mit anderen NHL-Spielern wie Henrik LundqvistKevin FialaJohn Klingberg oder Rasmus Dahlin. Es war eine tolle Atmosphäre, ich habe in den knapp drei Monaten viel gelernt.“

Zurück in der BayArea aber setzten die Sharks nicht auf Bergmann – trotz anderer Signale; „Es ist natürlich enttäuschend. Ich hatte mir das sicherlich anders vorgestellt, denn im Sommer wurde es anders kommuniziert. Mir wurde gesagt, dass ich ihnen gefallen habe und sie sich sehr auf mich freuen. Man braucht das natürlich nicht auf die Goldwaage legen, denn das bekommen andere Spieler auch zu hören. Ich hatte schon im Camp den Eindruck, dass es in diese Richtung ging. Ich kann es nicht ändern, nur jeden Tag mein Bestes geben und mich nicht verrückt machen lassen.“

Einen direkten Draht in die NHL hat Bergmann aktuell nicht. „Das läuft alles über die AHL-Trainer, die im engen Kontakt mit den Sharks sind. Über sie bekomme ich auch mein Feedback: Wir haben alle zehn Spiele mal ein größeres Meeting, kleinere gibt es hier und da mal. Auch bekomme ich nach jedem Spiel Video-Clips“, erklärt der 22-Jährige. Wie die Bewertung der Trainer ausfiel? „Schwer zu sagen. Bei mir ist es sehr durchwachsen. Mal so mal so. Ich bekomme mal sehr gutes Feedback, auch wenn ich nach meiner Meinung schlecht gespielt habe, und andersherum. Ich muss einfach weiterarbeiten. Mehr kann ich nicht machen.“


Viel Defensivarbeit: Grinder? Power Forward!  

Nach 17 AHL-Spielen steht Bergmann bei einem Assist. Wohlgemerkt in einer deutlich defensiveren Rolle. „Ich spiele immer in Unterzahl, meist in den Top-Units. Ich muss viele Schüsse blocken, Scheiben tiefschießen und werde oft gegen die gegnerische Top-Reihe aufgestellt.“

Sharks-Trainer Bob Boughner sah im 1,87 Meter großen und 94 Kilogramm schweren Stürmer zu Saisonbeginn einen „hart-arbeitenden Grinder“. Eine Rolle, mit der sich der Deutsche auch identifizieren kann, mit einem kleinen Aber: „Ich war immer jemand, der sehr viel mit dem Puck gespielt, viel Offensive kreiert und Tore geschossen hat. Das heißt nicht, dass man deshalb nicht körperlich spielen kann. Ich versuche, beides ins Spiel einzubringen. Ich denke, ich bin eher ein Power Forward.“

Sergei Belski-USA TODAY Sports


Auf die Frage nach seinen Stärken und Schwächen nennt Bergmann für letzteres den sogenannten Hockey-IQ: „Ich tue mich schwer, in Bruchteilen eine Sekunde die richtige Entscheidung treffen“, sagt er selbstkritisch. „Ich komme aus einer Familie, in der niemand vorher Eishockey gespielt hat. Ich hatte niemanden, der mir das beibringt und habe all das erst gelernt, als ich älter war. Auch die Sharks sind sehr gut darin und haben mir viel beigebracht. Die kleinere Eisfläche und das schnellere Spiel in Nordamerika sind perfekt, um sich darin zu verbessern, was ich glaube ich auch gemacht habe in den letzten zwei Jahren und was sich in meiner Rolle widerspiegelt.“ 

Auch Unterzahlspiel erfuhr einen regelrechten Wandel: „Früher war es eine Schwäche, jetzt ist es eine Stärke. Da fühle ich mich wohl“, sagt der Stürmer. „Ich denke, ich kann auch gut körperlich spielen, kann gut Schlittschuhlaufen und bin schnell auf dem Eis.“


Bergmann: „Für Deutschland zu spielen ist für mich das Allergrößte“  

Mit diesen Argumenten hofft Bergmann auf einen baldigen Anruf aus der NHL. Die Sharks haben vor der Trade Deadline noch den einen oder anderen Stürmer abgegeben, sodass sich vielleicht noch eine Chance für ihn auftun könnte. Die Wege in San Jose sind kurz, auch die Corona-Testprotokolle stellen keine Hürden dar. „Auch wir machen jeden Morgen einen Coronatest“, berichtet Bergmann und muss lachen: „Ich bin da kein großer Fan von, denn ich schlafe gerne aus und stehe ungern um neun Uhr auf der Matte, um mir ein Stäbchen in den Rachen schieben zu lassen. Das ist nicht so lustig.“

BILDBYRÅN/David W Cerny


Definitiv anrufen wird dagegen der DEB. „Ich würde sehr gerne wieder zur Nationalmannschaft“, betont Bergmann. „Für Deutschland zu spielen ist für mich das Allergrößte was es gibt im Eishockey. Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein stolzer Deutscher bin. Es gibt nichts, was mich so sehr motiviert, wie den Adler auf der Brust zu haben, die Hymne zu hören und in unseren Trikots zu spielen.“

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