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Mathias Niederberger: „Krake auf der Maske? Eine gute Idee!“

Torwart Mathias Niederberger von den Eisbären Berlin wurde bei der WM 2021 zum „Krake von Riga“. Warum ihm dieser Spitzname gefällt und er vielleicht sogar beim neuen Helm-Design auf dieses Motiv zurückgreift, erklärte er im Gespräch mit EliteProspects Rinkside.



Ein Krake ist laut Definition ein überaus beweglicher, intelligenter, achtarmiger Tintenfisch. Attribute, die allesamt auch zu Niederberger passen: Der Goalie ist sehr beweglich, spielt intelligent und ließ es bei der Jagd nach Pucks so aussehen, als hätte auch er acht Arme. All das zeigte der 28-Jährige im Tor der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Lettland (1,7 Gegentore/Spiel, 92,9 Prozent Fangquote). Der Spitzname „Krake von Riga“ war somit schnell gefunden. 

„Das gefällt mir schon“, lacht Niederberger. „Ich habe letztens eine coole Doku auf Netflix gesehen („Mein Lehrer, der Krake“) und viel über diese Viecher gelernt. Sie sind sehr schlau, deswegen fühle ich mich geschmeichelt.“

„Der Krake von Riga, das passt schon ganz gut, wenn man überlegt, wie viele Arme er hatte“, sagte auch sein Mitspieler und Freund Marcel Noebels. „Das ist schon sehr lustig, aber das hat gepasst. Er kann sich den Krake ja auf die Maske machen.“

„Eine gute Idee“, findet Niederberger. „Das hatte ich mir noch gar nicht überlegt, es ist aber ein guter Gedanke.“


Eine Frage des Designs  

Ob der Eisbären-Torwart nächstes Jahr tatsächlich mit einem Krake auf dem Helm auflaufen wird, bleibt eine Überraschung. Eishockey-Torhüter gestalten ihren Kopfschutz jedes Jahr neu. Ein guter Draht zu seinem Designer Jens ist daher wichtig. „Wir machen das schon ein paar Jahre zusammen. Anfangs haben wir noch einige Muster hin und her geschickt und dann eine Entscheidung getroffen. Mittlerweile ist es eher so, dass er mir drei Beispiele schickt und wir diese dann noch nach meinen Wünschen bearbeiten. Zur nächsten Saison wird etwas Neues dazukommen, was ich aber noch nicht verraten darf.“

In der abgelaufenen Spielzeit setzte Niederberger auf immer wiederkehrende Elemente: „Das Logo auf den Seiten und kursiv den Namen des Teams. Dann ist meistens auch irgendwo meine Nummer zu sehen. Auch waren vier, fünf Wahrzeichen von Berlin, wie das Brandenburger Tor oder die Siegessäule im Hintergrund zu sehen. Nicht fehlen dürfen auch die Initialen von Familienmitgliedern und die Flaggen von Deutschland und Italien."


Ausbildung mit Scheifele, Ekblad & Co.  

Der gebürtige Düsseldorfer nämlich ist Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter. Ausgebildet wurde der Linksfänger bei der DEG, wo er in der Saison 2010/11 sein DEL-Debüt gab. Danach aber zog es ihn nach Nordamerika, wo er zwei Jahre für die Barrie Colts in der Juniorenliga OHL fing. „Ich war 18, habe mein Abitur gemacht und habe gemerkt, dass es in Deutschland schwer werden würde, konstant zum Einsatz zu kommen. Dann kam die Chance, nach Nordamerika zu gehen, wo ich gleich viel auf einem extrem hohen Niveau gespielt habe“, erinnert sich Niederberger, der in seiner 1. Saison auf 62 und in seiner 2. Spielzeit auf 78 Einsätze kam. „Dieses Volumen hat mich extrem nach vorne gebracht. Da konnte ich in zwei Jahren Erfahrungen sammeln wie andere in drei, vier oder fünf Jahren. Es war mega und eine Riesenerfahrung. Ich hatte sofort eine Affinität zur Kultur, habe schnell Anschluss gefunden, mich mit der Sprache zurechtgefunden und lese heute noch gerne Bücher auf Englisch.“

Bei den Colts spielte Niederberger mit heutigen NHL-Stars wie Mark Scheifele (Winnipeg Jets), Andreas Athanasiou (Los Angeles Kings) oder Aaron Ekblad (Florida Panthers) zusammen. „Ihr Talent war damals schon zu sehen, sie waren die Spieler in der Mannschaft“, erinnert sich Niederberger. „Wir haben den Kontakt gehalten, man hört immer mal wieder voneinander, schreibt sich ab und zu oder kommentiert etwas bei Instagram. Es ist schon ganz cool, diese Karrieren zu verfolgen, weil man sich ja schon so lange kennt. Vor drei oder vier Jahren haben wir sogar mal zusammen ein Golfturnier in Kanada gespielt.“


Die fehlende Chance für die NHL  

Danach ging es für den Torwart sozusagen Coast-to-Coast in den Westen, wo Niederberger bei den Manchester Monarchs (AHL-Farmteam der L.A. Kings) und Ontario Reign (ECHL) Profi-Eishockey spielte. „Dort war es in bisschen schwieriger“, berichtet er. „Ich war ein Lückenfüller, wurde hin und her geschickt, sodass ich nicht in einen Rhythmus kam. Es war schwer, aber ich habe trotzdem viel gelernt, insbesondere in Sachen Technik.“ Auch bei den Monarchs hatte der Deutsche prominente Mitspieler wie Tyler Toffoli (Montreal Canadiens) oder Brayden McNabb (Vegas Golden Knights) die sich aktuell im Stanley Cup Halbfinale gegenüberstehen.

Für Niederberger sollte sich der Traum von der NHL dagegen nicht erfüllen. „Ich glaube, es war ein Mix aus zwei Sachen: Einerseits, dass ich nicht zu 100 Prozent bereit war und auch mental vielleicht nicht darauf vorbereitet, mich durchzubeißen. Andererseits, dass ich leider nicht die Chance auf ein zweites Jahr bekommen habe. Das ist der Vorteil von Entry-Level-Contracts, die über drei Jahre laufen. Darauf hatte auch ich gehofft, aber leider nur für ein Jahr einen Vertrag bekommen. Es ist ein knallhartes Geschäft und ich hatte zu wenig Zeit, um Fuß zu fassen. Ich glaube, dass es viel mehr schaffen würden, wenn man einen Reifeprozess zulässt. Ich habe trotzdem viel mitgenommen.“


Eine „emotionale Saison“ 2020/21  

Für Niederberger ging es daraufhin zurück nach Deutschland. Erst für ein Jahr zu den Eisbären Berlin, dann für fünf Jahre zu seinem Heimatklub Düsseldorfer EG. In dieser Zeit wurde er zweimal Goalie des Jahres (2016 und 2020) und glänzte mit Top-Statistiken (meiste Shutouts 2016, beste Fangquote 2019 und 2020, bester Gegentorschnitt 2020). 

2020/21 dann die Rückkehr in die Hauptstadt, wo direkt der Meistertitel gelang. „Es war schon eine emotionale Saison“, so Niederberger. „Am Anfang war ja gar nicht klar, ob wir überhaupt spielen würden und wenn ja, wie. Es gab ja den Gehaltsverzicht. Dass wir dann ins Finale gekommen und Meister geworden sind, war ein Riesenerlebnis. Wir haben dann genau drei Tage gefeiert, dann ist es direkt wieder losgegangen.“

BILDBYRÅN/Eibner


Zur WM nach Lettland, wo er nahtlos an die Leistungen aus der Liga anknüpfte. „Seine Leistung bei den Eisbären und bei der WM war unfassbar“, lobt Noebels. „Ich wusste gar nicht, dass er nochmal besser spielen konnte. Für mich war er der beste Torwart der WM. Schade, dass er es nicht geworden ist.“ 


Nicht groß, aber sehr beweglich  

In Riga landete Deutschland sensationell auf Platz 4.  Auch weil Niederberger zum achtarmigen Krake wurde. Mit gerade einmal 1,80 Metern zählt er zu den kleineren Vertretern seiner Zunft, kann also nicht so viel Fläche abdecken, wie manch anderer Torwart-Hüne. Niederberger aber gleicht genau das mit anderen Fähigkeiten aus: „Ich denke, dass ich einen hohen Hockey-IQ habe. Ich verstehe, was vor mir passiert, kann das Spiel und die nächste Situation lesen und auch gut Schlittschuh laufen.“ Dass das Torwartspiel in den letzten Jahren athletischer geworden ist, kam ihm entgegen: „Die Ausrüstung ist kleiner, was ich persönlich gut finde. Das spielt mir in die Karten, weil sich die Goalies mehr bewegen müssen.“

Vollends zufrieden ist der ehrgeizige Düsseldorfer aber nicht: „Meine Einstellung ist schon, dass immer noch Luft nach oben ist. Deswegen probiere ich auch immer neue Dinge aus, die mich voranbringen könnten.“

Nicht unerwähnt lassen möchte Niederberger auch den Einsatz seiner Vorderleute. „Das war Wahnsinn, was da weggeblockt wurde. In der Form habe ich das auch noch nicht erlebt. Auch ein Tom Kühnhackl ist durch die Gegend geflogen, um Schüsse zu blocken, das zeigt den Charakter der Mannschaft. Wir wollten auf jeden Fall kein Gegentor kriegen.“


Neues Interesse aus der NHL?  

Die spielfreie Zeit bis zum Start der Saison 2021/22 verbringt der Halb-Italiener natürlich in Italien. „Urlaub. Abschalten. Das ist wichtig“, freut sich Niederberger. „Ich werde mich natürlich auch körperlich so vorbereiten, dass ich gut starten kann.“

Spannend dürfte sein, ob beim Torwart, der sich bei der WM auch international ins Schaufenster stellten konnte, noch einmal ein Angebot aus der NHL auf den Tisch flattert. „Das wäre überragend. Würde etwas Konkretes kommen, dann würde ich es mir überlegen. Aber es müsste eine realistische Chance da sein. Ich möchte kein Lückenfüller mehr sein“, sagt Niederberger, die mehrfachen Nachfragen nach möglichen Interessenten aus der NHL genauso zuverlässig abwehrte, wie Pucks in der Vorsaison. Ein echter Krake eben.



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