Moritz Seider: „Ich bin bereit für die NHL“
Verteidiger der Saison, Rookie des Jahres, Vize-Meister mit Rögle BK: Hinter Moritz Seider liegt eine historische Saison, die mit der Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2021 in Lettland nun auf die Zielgerade einbiegt. Mit EliteProspects Rinkside sprach der 20-Jährige über seine Auszeichnungen, die WM und seine Zukunft in der NHL.
Moritz Seider ist der Verteidiger des Jahres in Schweden! Der 20-Jährige setzte sich gegen Joel Persson (Växjo Lakers) und Jesse Virtanen (Färjestad BK) durch und erhielt die meisten Stimmen unter Trainern, Kapitänen und Journalisten für diese prestigeträchtige Auszeichnung.
„Es war ganz cool, ich habe es über unseren Manager erfahren“, so Seider. „Ich bin sehr stolz darauf. Da ist auch viel Teamleistung dabei. Es war super-easy für mich, da reinzurutschen. Dass es so gut klappt, hätte ich natürlich nicht gedacht. Deshalb freut es mich umso mehr, dass ich diese Auszeichnung erhalten habe.“
Zuvor schon wurde der Rechtsschütze zum „Rookie der Saison“ gewählt und trat damit in die Fußstapfen von Spielern wie William Karlsson (jetzt: Vegas Golden Knights), Joel Eriksson Ek (jetzt: Minnesota Wild) oder Elias Pettersson (jetzt: Vancouver Canucks), die sich nicht nur in der NHL etabliert haben, sondern längst zu Top-Spielern gereift sind. Seider will diesem Beispiel folgen: „Das ist auf jeden Fall der Plan. Es ist immer noch ein langer Weg, aber natürlich möchte man sich irgendwann einen Namen machen und sich etablieren.“
Historische SHL-Saison
Seider galt schon während seiner Ausbildung bei den Jungadlern Mannheim als intelligenter Zwei-Wege-Verteidiger und fiel auch in seinem ersten Profijahr bei den Adlern Mannheim in der DEL (33 Spiele, zwei Tore, neun Assists) als exzellenter Puck-Mover auf. Nicht umsonst wählten ihn die Detroit Red Wings im NHL Draft 2019 bereits in der 1. Runde an 6. Stelle aus. Um ihr deutsches Talent zu fördern schickten die Red Wings Seider für ein Jahr in die AHL zum Farmteam Grand Rapids Griffins (49 Spiele, zwei Tore, 20 Assist) und in der Folgesaison per Leihe zu Rögle BK in die schwedische Top-Liga SHL (54 Spiele, acht Tore, 25 Assists).
Angesichts seiner Entwicklung dort, dürften viele Detroit-Fans hadern, warum der in Zell (Mosel) geborene Abwehrmann nicht in der NHL randurfte. Auch Seider? „Nein, überhaupt nicht. Es war alles klar besprochen, dass jetzt Schweden ansteht. Ich bin allgemein kein Typ, der zurückschaut und sagt ‚was wäre wenn‘. Deswegen passt das alles.“
Und in Schweden passte es perfekt: Mit Rögle wurde Seider Vize-Meister (1:4 in der Finalserie gegen die Växjo Lakers). „Wenn man sich die Historie des Vereins anschaut und das revuepassieren lässt, was wir eigentlich erreicht haben, dann kann man da unheimlich stolz drauf sein: Zuvor waren wir noch nie im Halbfinale und noch nie im Finale. Das ist schon einer super Sache. Ich bin wirklich stolz, ein Teil der Mannschaft gewesen zu sein. Ich werde mich lange Zeit daran erinnern.“
Seiders steile Entwicklung
Seider selbst hob sein Spiel auf ein neues Niveau. „Ich glaube, dass ich ein bisschen reifer geworden bin, dass ich wirklich konstant meine Leistung halten konnte. Wir haben an Kleinigkeiten gearbeitet, dass die Schüsse besser durchkommen und nicht mehr geblockt werden, dass ich meine Füße ein bisschen besser auf der blauen Linie bewege und das Spiel ein bisschen besser lese. Das hat super geklappt und war sehr wichtig für meine Entwicklung.“ Auch beim Körperspiel machte er 1,92 Meter große und 94 Kilogramm schwere Verteidiger nochmal einen enormen Sprung und war ein ums andere Mal Hauptdarsteller bei harten Hits in Highlight-Videos. „Ich war schon immer ein großer Kerl und habe gerne Körper gespielt. In solchen Momenten geht sich dann einfach gut aus, das Timing stimmt. Nach einem großen Check sucht man nicht, er passiert einfach. Das ist kein Riesending für mich.“
Mit Ex-NHLer Éric Gélinas hatte Seider zudem einen idealen Tandem-Partner. „Profitiert habe ich von seinem unglaublich brutalen Schuss. Da haben wir schon auch mal die eine oder andere Session verbracht und ein bisschen über die Technik und sein Timing gesprochen. Das hat mir auf jeden Fall geholfen“, berichtet Seider. „Es war einfach eine richtig coole Zeit mit ihm. Auch neben dem Eis haben wir viel Zeit verbracht. Ich habe in ihm einen neuen Freund gefunden.“
Bereit für die NHL?
Mit der DEL, AHL und SHL lernte Seider schon in jungen Jahren drei unterschiedliche Profi-Ligen kennen. „In Nordamerika ist es die Eisfläche, da ist der Zeit- und Raum-Faktor geringer. Die schwedische Liga ist unheimlich schnell und talentiert mit vielen spielstarken Spielern. Das hat alles seinen Reiz. Ich würde die schwedische Liga aber trotzdem stärker einschätzen als die anderen beiden Ligen. Es war ein tolles Experiment dieses Jahr“, blickt er zurück. „Es war ein guter Schritt in meiner Entwicklung, um bereit für die beste Liga der Welt zu sein.“
Die Red Wings dürften Seider kaum ein weiteres Jahr woanders parken. Ein großgewachsener, spielstarker und intelligenter Zwei-Wege-Verteidiger könnte dem Rebuild in Motor City einen Schub verpassen. Ist Seider bereit für Detroit und die NHL? „Ja“, lautet seine klare Antwort. „Ich denke, das Jahr hat mir nochmal einen echt guten Push gegeben. Ich sehe keinen Grund, warum ich es nicht schaffen sollte und gehe mit voller Vorfreude und geringem Druck an das nächste Camp ran. Ich bin sehr positiv gestimmt, dass es was werden wird.“
WM mit Deutschland
Zuvor aber steht noch ein wichtiges Turnier an: Die WM mit Deutschland in der lettischen Hauptstadt Riga. Seider musste bei seiner Zusage nicht lange überlegen: Es ist immer eine große Ehre, für das Nationalteam aufzulaufen und den Bundesadler auf der Brust tragen zu dürfen. Es war also keine große Überlegung, sondern mehr Freude und natürlich auch Aufregung, die da mit reingespielt hat.“
Mit der deutschen Nationalmannschaft hat der 20-Jährige viel vor. „Eishockey-Deutschland kann sich auf eine coole Reise freuen“ ist Seider überzeugt und erklärt, warum: „Ich denke, wir haben einen unglaublich guten Mix aus jung und alt, viel frischen Wind dabei. Und ganz viel Tempo, da sind viele schnelle Spieler dabei, die auch über 60 Minuten arbeiten können. Ich glaube, das wird ein großer Vorteil sein. Unsere Special Teams werden ein Faktor sein, daran arbeiten wir schon die ganze Zeit. Das wird man auch auf dem Eis sehen können. Was man uns auch nicht nehmen kann, ist unsere Spielfreude, die wir jeden Tag aufs Eis bringen: Jeder kommt mit einem Lächeln aufs Eis. Das wird sich auch übertragen und wir werden schwer zu schlagen sein.“
„Das deutsche Eishockey hat sich verändert…“
Zumal Team Deutschland auch dank Seider eine Menge Offensivpower auffährt: „Wir sind sehr talentiert mit vielen Verteidigern, die in die Offensive mit reinsteuern können, aber auch hart defensiv spielen können. Ich denke, das wird uns auszeichnen. Allgemein ist es eine richtig coole Truppe, die wir hier zusammen haben. Wir verstehen uns alle richtig gut, haben viel Spaß zusammen und freuen uns alle so sehr auf dieses erste Spiel.“
Insbesondere mit diesem Teamgeist sei „alles“ möglich, wie Seider betont: „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wollen erstmal die Vorrunde gut spielen und uns sicher für das Viertelfinale qualifizieren. Dann denke ich, dass wir jede Nation in nur einem Spiel schlagen können. Das deutsche Eishockey hat sich verändert: Wir haben jetzt höhere Ansprüche an uns selbst. Wir wollen irgendwann auch wieder was erreichen. Dieses Jahr sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir können es kaum erwarten, das erste Spiel zu rocken!“