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DEB-Präsident Franz Reindl: „Wir wollen in der Weltspitze mithalten“

Vom 21. Mai bis 6. Juni steigt in Riga die Eishockey-Weltmeisterschaft 2021. Deutschland will eine offensivstarke Mannschaft in die lettische Hauptstadt schicken. Mit EliteProspects Rinkside sprach DEB-Präsident Franz Reindl über die Entwicklung des deutschen Eishockeys, NHL-Stars und Top-Talente sowie die Ziele für die WM.



Auch hinter der Eishockey-Welt liegt ein Jahr mit der Coronavirus-Pandemie. Wie schwer war dieses Jahr für den Sport?

Insgesamt war es eingreifend und ein hoher Einschlag in unsere Entwicklung. Das soll kein Gejammer sein, sondern eine simple Auswertung. Die Schäden werden wir erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennen. Das betrifft ja auch die Frauen und insbesondere die Juniorenteams.


Fürchten Sie um die kommenden Jahrgänge?

Nein, das fürchte ich nicht. Die Kaderspieler waren ja weiterhin in Betreuung. Die Vereine vor Ort haben das Maximum herausgeholt, aber vielen Nachwuchsspielern fehlt die Eiszeit. Das Zusammenspiel zwischen der Basis, dem DEB und den Verbänden war dennoch ausgezeichnet.


Alleine in den letzten beiden Jahren hat Deutschland mit Moritz Seider, Tim Stützle und Lukas Reichel drei NHL-Erstrunden-Picks hervorgebracht. Wie erklären Sie sich so einen Trend?

Mit dem „Powerplay 26“ haben wir schon 2014/15 einschneidende Veränderungen herbeigeführt. In diesem Konzept war die Intensivierung des Trainingsbetriebs das Hauptziel. Die finanziellen Investitionen wurden von den DEL-Klubs, den Vereinen und dem DEB erbracht. So konnten wir die Betreuung massiv erhöhen und dann kommt etwas dabei heraus. Dass das natürlich nicht jedes Jahr so gehen kann, ist klar. Es ist ein langfristiges Konzept. Wir werden weiterhin mit aller Kraft das Eishockey fördern.


In den Weltranglisten belegt Deutschland im Fußball nur Rang zwölf, im Eishockey Rang sieben. Ein Beleg für eine steile Entwicklung?

Das ist eine unglaubliche Entwicklung. Siebter in der Welt zu sein, noch vor der Schweiz, und bei den Top-6-Nationen anzuklopfen, für Peking 2022 qualifiziert zu sein, da kann man schon stolz drauf sein. Ich bin schon lange dabei und habe auch schon dramatische Niederlagen und böse Sachen erlebt. Ich bin einfach nur glücklich aufgrund der Entwicklung in den letzten Jahren. Auch bei den Frauen hat es sich sehr ins Positive gewandelt und alle Teams sind auf IIHF-Top-Niveau. Da macht einfach nur Spaß, zuzuschauen. Fußball ist ein anderer Stern in Deutschland, dahinter sind wir aber die Nummer 1 in Deutschland.


Mit Leon DraisaitlTim StützleNico SturmDominik KahunTobias RiederMarc MichaelisPhilipp Grubauer und Thomas Greiss kamen in der Saison 2020/21 acht Deutsche in der NHL zum Einsatz. Sind das die Aushängeschilder des deutschen Eishockeys?

Für das deutsche Eishockey ist das eine Auszeichnung, insbesondere für die Spieler selbst. Es zeigt, dass sie sich in der NHL durchsetzen können. Es gibt dort schon herausragende Geschichten. Das bestätigt unsere Entwicklung. 


Wir wichtig sind diese NHL-Spieler für die deutsche Nationalmannschaft?

Ohne Idole geht es nicht. Wir hatten noch nie in so einer Masse die Gelegenheit, auf solche Idole zurückzugreifen. Sie wollen alle für Deutschland spielen und ihr Herz schlägt für das deutsche Eishockey. Diese Spieler treten ja nicht nur auf dem Eis, sondern auch in den Lehrgängen auf. Die Verbindung ist da, das fördert und motiviert auch den Nachwuchs.


Gab es schon Signale, wer zur WM kommen wird?

Sportdirektor Christian Künast und Bundestrainer Toni Söderholm sind mit allen in Kontakt. Es gibt bei jedem Spieler auch unterschiedliche Herausforderungen. Ich denke aber schon, dass wir für die Weltmeisterschaft Verstärkungen bekommen werden. 


Auch die Superstars kommen wieder gerne zur Nationalmannschaft. Das war vor nicht allzu langer Zeit nicht so. Führt Söderholm den Weg von Sturm erfolgreich weiter?

Die große Trendwende war mit Marco Sturm damals. Er hat die Nationalmannschaft wieder in die Herzen der Spieler zurückgebracht. Toni Söderholm führt genau das fort. Er ist einfach auch ein guter Coach, ein ehemaliger Spieler und ein guter Mensch. Du brauchst diese Menschlichkeit. Wir sind glücklich, dass es so ist und machen alles, was möglich ist. Da geht es auch um Versicherungen, An- und Abreisen und alles, was es den Spielern leichter macht.


Stützle steht wegen seiner Hand noch auf der Kippe. Wird er dabei sein?

Er wird wohl leider nicht mit dabei sein. Ein medizinischer Eingriff ist notwendig, und die Ottawa Senators bestehen darauf, dass das so früh wie möglich passiert. Die Zukunft der Spieler geht hier einfach vor. Ich bin aber nicht enttäuscht, denn es ist immer auch ein Prozess, eine Mannschaft zu bilden. Am Ende zählen nur die, die dabei sind.


Wie sehen Sie Stützles Rookie-Jahr in der NHL? Wird er der neue Draisaitl?

Ich denke, dass das schon ein gewaltiger Schritt von ihm war, nach einer überragenden U-20-WM nochmal so eine Saison hinzulegen. Er bringt herausragende Leistungen. Ich würde ihn aber nicht mit Leon vergleichen wollen. Die Leistung, die Leon über Jahre erbracht hat und auch sein kometenhafter Aufstieg, das kann niemand prophezeien und das wäre auch nicht gut und fair Tim gegenüber. Tim wird seinen Weg gehen.


Aus der AHL haben Spieler wie Lean BergmannTom Kühnhackl oder Leon Gawanke schon betont, wie gerne sie für Deutschland spielen würden. Wie wichtig wären diese Verstärkungen aus der AHL?

Diese Spieler sind in engem Kontakt mit unserem Bundestrainer und der Sportlichen Leitung. Alle wollen – ob sie auch zur Verfügung stehen können, ist eine andere Sache. Es gab sehr positive Gespräche, auch die Klubs haben ihre Zustimmung gegeben. Wir müssen schauen, wie es sich entwickelt und wer am 16. Mai im Flieger sitzt und anreisen kann. Es muss ja auch alles zusammenpassen.


Bislang reden wir fast ausschließlich über Stürmer. Ist die deutsche Nationalmannschaft aktuell die offensivstärkste aller Zeiten?

Da ist schon Offensivpower vorhanden. Wir sind offensivstark, das wollen wir auch sein und in der Weltspitze mithalten. Aber es muss halt alles zusammenpassen und die Mannschaft wie ein Puzzle zusammengeführt werden.


Mit Mo Seider wurde ein Verteidiger-Talent Vize-Meister in Schweden, zum Rookie des Jahres ausgezeichnet und ist unter drei Nominierten für den Titel „Verteidiger der Saison“. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Seine Entwicklung ist kaum in Superlative zu fassen. Er hat einen riesigen Sprung gemacht in einer läuferisch starken, technisch anspruchsvollen und schnellen Liga wie der SHL in Schweden. Wenn du für so einen Titel nominiert wirst, dann hast du eine Riesensaison gespielt. Er wird eine absolute Bereicherung für die Nationalmannschaft sein. Mit Seider und Gawanke haben wir zwei Top-Verteidiger-Talente.


Nicht dabei sein wird Torwart Thomas Greiss, der momentan in bestechender Form in der NHL spielt, aber nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert wird. Warum?

Zunächst mal hat er schon früh angekündigt, dass er aus familiären Gründen Schwierigkeiten haben wird, an der WM teilzunehmen. Dazu kommen Äußerungen, Social-Media-Likes und Helm-Design, die möglicherweise nicht zu unseren Werten passen. Wir haben den Fall sorgfältig geprüft, eine dritte Meinung bei der DOSB-Ethikkommission eingeholt und die Sportliche Leitung hat sich mit Thomas ausgetauscht, um seine Gesinnung zu erfahren. Dieses respektvolle Prozedere hat der Spieler verdient. Am Ende wurde die Entscheidung getroffen, Thomas nicht einzuladen. Trotzdem werden wir drei gute Torhüter nominieren. Denen gilt die ganze Aufmerksamkeit.


Da Philipp Grubauer Playoffs mit den Colorado Avalanche spielen wird, werden also drei DEL-Goalies nominiert…

Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Wir haben gute Torhüter, die ausgezeichnet sind und ihre internationale Klasse schon unter Beweis gestellt haben. Auf dieser Position sind wir ausgezeichnet aufgestellt.


Die DEL-Saison war verkürzt, dafür wurden aber viele junge Spieler eingebaut. Wie haben Sie die besondere Saison gesehen?

Zunächst mal ist es doch wichtig, dass es überhaupt so viele junge Spieler gibt. Natürlich bin ich froh, dass viele sie in vielen DEL-Klubs eingesetzt wurden und ihre Chance genutzt haben. Nürnberg, Mannheim, Düsseldorf, Berlin oder Iserlohn sind gute Beispiele. Das sollte ein Zeichen für die Zukunft sein, auch auf deutsche Spieler zu vertrauen, weil sie Qualität haben.


Würden Sie sich eine Anpassung der Regularien wünschen, um noch mehr Talenten DEL-Eis zu garantieren?

Eigentlich nicht. Die DEL macht es ja gut mit verschiedenen Regeln für U-23- oder die Beschränkung der Import-Spieler. Entscheidend ist doch: Die Wahrheit liegt auf dem Eis und da muss auch ein junger Spieler konkurrenzfähig sein, egal ob im Training oder im Spiel. Diese Spieler gibt es jetzt vermehrt, sie haben den Einsatz verdient und werden die Chance nutzen.


Kann das deutsche Eishockey schon mit den großen Eishockey-Nationen mithalten?

Man hat das ja schon bei Olympia 2018 gesehen. Da waren ausschließlich DEL-Spieler dabei. Es hat funktioniert, weil alles gepasst hat, das Momentum und die Qualität da waren. Wir brauchen einen guten Kader mit guten Spielern und einer echten Mannschaft, dann können wir auch den Großen Paroli bieten. Es sind doch keine reinen Abwehrschlachten mehr, sondern es macht Spaß zuzuschauen. Wir haben eine echte Siegchance.


Was lautet also die Zielsetzung für WM 2021 in Lettland?

Wir wollen natürlich konkurrenzfähig in der Welt Eishockey spielen. Wir wollen dahinfahren und eine echte Chance haben, nicht nur ein bisschen mitspielen. Das ist unser Ziel. Plätze kann man nicht garantieren, denn das hängt auch immer von der Tagesform ab. Insgesamt sind wir aber konkurrenzfähig, das ist wichtig.


Wie schwer ist die deutsche Gruppe?

Da müssen wir abwarten, wie es sich entwickelt und wer mit welcher Mannschaft antritt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu euphorisch reingehen, denn in unserer Gruppe werden schon die ersten Spiele heiß: Italien und Norwegen sind immer schwer. Kasachstan hat ein KHL-Team. Bei Kanada und den USA wissen wir nicht, mit welchem Team sie spielen, sie werden aber jung und top sein. Finnland ist ohnehin Extraklasse. Und das Highlight ist das Spiel gegen Gastgeber Lettland, der ins Viertelfinale möchte. Es könnte zwischen Deutschland und Lettland gehen.


Wem drücken Sie in den NHL Playoffs die Daumen? Den Avalanche mit Grubauer? Den Wild mit Sturm? Oder den Oilers mit Draisaitl und Kahun? 

Die Mannschaft mit den deutschen Spielern sind bei mir als Favoriten im Handy eingespeichert. Ich verfolge sie intensiv und schaue mir die Highlights zum Frühstück immer zuerst an. Ich freue mich über gute Aktionen, wenn ein Spieler in Überzahl oder in entscheidenden Situationen eingesetzt wird. Das macht einen stolz. Tief stolz. Wer sich dann letztlich durchsetzt, das werden wir sehen.

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