Frauen-Bundesliga (W)

Nicola Eisenschmid: Top-Scorerin mit bittersüßer Saison

Hinter Nicola Eisenschmid liegt eine turbulente Saison mit einem bitterem Ausgang, aber auch mit dem Titel der Top-Scorerin. Mit EliteProspects Rinkside sprach die 24-jährige Stürmerin über Kabinen-Rituale, eine doppelt geplatzte WM und ihre ultimative Eishockey-Familie.



Hinter Eisenschmid liegt eine bittersüße Saison. Mit dem ERC Ingolstadt schloss sie die reguläre Saison als enteilter Tabellenführer der Frauen-Bundesliga ab. „Das war super“, sagt Eisenschmid. „Ich denke, wir haben gute Spiele gemacht und sind zurecht an erster Stelle gelandet.“


Top-Scorerin der Frauen-Bundesliga  

Das gilt für die Stürmerin selbst übrigens auch: Eisenschmid wurde mit 42 Scorerpunkten (19 Tore, 23 Assists) Top-Scorerin der gesamten Liga. „Ich hatte ein gutes Jahr und bin zufrieden“, blickt die 24-Jährige zurück. „Es war aber nicht nur ich, die die Tore geschossen hat, sondern auch meine Mitspieler.“ Mit Marie Delarbre (14-23-37), ihrer Schwester Tanja Eisenschmid (6-24-30) und Andrea Lanzl (9-18-27) waren noch drei weitere Ingolstädterinnen unter den Top-10-Punktesammlerinnen vertreten.

Mit dem erhofften Meistertitel wurde es am Ende aber nichts. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie musste ein Finalturnier in Füssen organisiert werden. Im Halbfinale verlor der ERC ein wenig überraschend gegen die Eisbärinnen aus Berlin (1:2). „Es war schon sehr bitter“, erinnert sich Eisenschmid. „Wir waren auch sehr enttäuscht. Ich würde nicht sagen, dass wir sie unterschätzt haben. Wir wussten, dass sie rauskommen würden wie die Feuerwehr. Es ist auch unglücklich gelaufen: Wir hatten unsere Chancen, haben alleine sechsmal den Pfosten getroffen, doch der Puck wollte nicht ins Tor. Aber so ist der Sport, das müssen wir akzeptieren.“

Mit Delarbre fiel ausgerechnet Eisenschmids kongeniale Sturmpartnerin aus. „Wir haben die ganze Saison zusammengespielt“, ärgerte sich Eisenschmid. „Ich habe dann mit Lanzl zusammengespielt, was auch super funktioniert hat, aber es hat trotzdem ein wichtiger Teil der Mannschaft gefehlt.“

Im „kleinen Finale“ sicherte sich Ingolstadt immerhin Platz 3 gegen Eisenschmids Ex-Verein ECDC Memmingen. „Das Wichtigste war, dass wir die Saison durchbringen und spielen konnten. Dass wir zum Schluss noch den Sieg geholt haben, war fürs Team sehr wichtig, denn wir galten ja als Favoriten. Wir wollten zeigen, dass wir Charakter haben.“


WM in Kanada zum zweiten Mal abgesagt  

In der letzten Woche platzte dann der nächste große Traum: Die Frauen-Weltmeisterschaft in Kanada, die am 6. Mai hätte beginnen sollen, wurde aufgrund der Corona-Situation vor Ort abgesagt. Weltweit führte das zur großen Verwunderung unter Spielerinnen. Immerhin fand erst zum Jahreswechsel die U-20-WM in Edmonton (Kanada) statt und aktuell läuft die U-18-WM in Texas (USA) – trotz Corona. Auch die Herren-WM in Riga (Lettland) soll mit einem entsprechenden Hygiene-Konzept ab Ende Mai ausgetragen werden.

Die Frauen-WM wurde dagegen schon zum zweiten Mal nach 2020 abgesagt. Vor allem aber die Kurzfristigkeit der Absage traf auch Eisenschmid hart: „Wir haben es am Tag vor dem Abflug erfahren. Das war schon sehr kurzfristig. Wir waren enttäuscht. Es ist sehr bitter und  schwierig für uns, weil im November die Olympia-Quali ansteht und wir nur ein paar Länderspiele gemacht haben. Wir müssen jetzt alle ein bisschen Abstand gewinnen und dann geht es schon bald wieder los mit dem Sommertraining.“


Eishockeyfamilie Eisenschmid  

Zumindest langweilig dürfte es Eisenschmid nicht werden. Die in Marktoberdorf geborene und in Kaufbeuren ausgebildete Stürmerin ist nicht nur deutsche Eishockey-Nationalspielerin, sondern auch Sportberufssoldatin bei der Bundeswehr. Auch als Bundesliga-Top-Scorerin und deutsche Nationalspielerin kann man von Frauen-Eishockey nicht leben. „Vom Verein oder der Nationalmannschaft gibt es kein Geld. Das verdiene ich mir über die Bundeswehr und die Sporthilfe“, erklärt Eisenschmid. „Die Bundeswehr unterstützt mich wo es nur geht und stellt mich für den Sport frei. Besser kann es einem im Frauen-Eishockey nicht gehen.“ Nebenher studiert die 24-Jährige auch noch Soziale Arbeit und möchte ein Sonderpädagogik-Studium anhängen, „um auch nach der Eishockey-Karriere im Leben zu stehen“.

In diesem spielen auch ihre Geschwister eine große Rolle. Die Eisenschmids nämlich sind eine ultimative Hockey-Familie. „Ja doch, schon irgendwie“, lacht Nicola Eisenschmid. Ihre Schwester Tanja spielt mit ihr beim ERC Ingolstadt und in der Nationalmannschaft. Ihr Bruder Markus Eisenschmid schnürt die Schlittschuhe für die Adler Mannheim und die DEB-Auswahl. „Ich habe auch noch einen großen Bruder, Michael, der Streethockey spielt und Torwart ist“, verrät Nicola Eisenschmid. „Bei uns geht es schon viel ums Eishockey, gerade wenn ein Spiel war, gibt man sich Tipps, lobt und motiviert sich. Wir unterstützen uns gegenseitig. Es geht aber nicht nur um Eishockey.“


In die Wiege gelegt wurde den Eisenschmids das Talent für diesen Sport nicht. „Unsere Eltern haben uns damals in die Eislaufschule geschickt. Es war aber nicht so, dass wir nur Eishockey gespielt haben, sondern wir haben auch andere Sportarten wie Judo und Leichtathletik ausprobiert. Unsere Eltern haben uns entscheiden lassen.“ Gelandet sind die Eisenschmids dann doch beim Hockey. „Ich glaube, der Teamsport hat uns gecatcht, weil man doch viel mit den Jungs und Mädels unterwegs war. Ich gehe bis heute immer gerne ins Training und freue mich auf die Kabine. Dort ist immer gute Laune, es treffen verschiedene Charaktere aufeinander und wir haben immer viel Spaß. Das ist auch so schade an Corona: Wir waren plötzlich auf mehrere Kabinen verteilt und haben uns erst alle auf dem Eis treffen können.“

Auch das Verhältnis zu ihrer Schwester Tanja ist „super gut“: „Es gibt nie Reibereien. Wir wohnen und machen alles zusammen.“ Und die Unterstützung für Bruder Markus? „Wir verfolgen natürlich jedes Spiel, egal ob am Ticker oder live im TV. Wir schreiben uns auch vor den Spielen und wünschen uns Glück. Markus ist ein smarter Spieler, der zum Teil Spielzüge kreiert, die sich sehen lassen können. Er ist einfach auf und neben dem Eis ein brutal harter Arbeiter.“ Und auch Markus kann sich etwas von seinen Schwestern abschauen: „Ich will nicht sagen, dass die Männer mit weniger Leidenschaft spielen, aber dadurch, dass wir kein Geld bekommen, müssen wie sehr viel Leidenschaft mitbringen.“


Unterschiede und Parallelen zum Männer-Eishockey  

Anders als im Männer-Eishockey ist bei den Frauen kaum Körperkontakt erlaubt. Bodychecks werden in der Regel mit einer Zweiminutenstrafe geahndet. Umso mehr muss das Timing sowie Pokechecks und Sticklifts sitzen. „Frauen-Eishockey ist etwas langsamer, aber wir sind technisch doch schon sehr gut“, erklärt Eisenschmid. „Dadurch, dass kein Körperkontakt erlaubt ist, müssen wir auch viele Dinge taktisch lösen.“

Natürlich gibt es auch viele Gemeinsamkeiten, etwa die gute Stimmung in der Kabine oder der Aberglaube bei Spielerinnen und Spielern. „Jede Spielerin hat Rituale, ich selbst habe ganz viele“, berichtet Eisenschmid und zählt auf: „Ich binde mir immer den rechten Schlittschuh zuerst zu, habe immer dasselbe Armband an, gehe nach dem Warmup als Letzte vom Eis.“

Auch die Rollenverteilung auf dem Eis bietet einige Parallelen. Eisenschmid ist wohl am ehesten als Scharfschützin einzustufen. „Ich denke, dass ich torgefährlich bin, viel Zug zum Tor und eine spekulative Spielweise habe. Was ich noch verbessern kann, und das wird mir ständig gesagt, ist meine Stabilität.“

Für die Zukunft würde sich Eisenschmid auch mehr Popularität von Frauen-Eishockey wünschen. „Noch mehr Präsenz in den Medien wäre supercool oder wenn unsere Spiele gescheit übertragen werden würden.“

Immerhin geht es auch darum, mehr Frauen für Eishockey zu begeistern: „Ich finde, man hat in unserem Sport sehr gute Möglichkeiten. Wir haben einen Mannschaftssport, können zu Olympia und es prägt einen fürs Leben. Ich konnte mir durch Eishockey schon viele Fähigkeiten aneignen. Und es macht einfach immer wieder Spaß!“




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