DEL

Schwenninger Wild Wings: Auf dem „schwedischen Weg“ zum Contender

Die Schwenninger Wild Wings sind das Überraschungsteam in der laufenden DEL-Saison 2020/21 und könnten sich erstmals überhaupt für ein Playoff-Viertelfinale qualifizieren. Das Geheimrezept der Schwarzwälder ist eine gute Chemie und eine schwedische Einfärbung.


Im Sommer 2013 übernahmen die Wild Wings die Lizenz von den Hannover Scorpions und gehören seitdem zu den 14 Klubs in der DEL. In sieben Jahren schaffte es Schwenningen allerdings nie in die Playoffs, schloss viermal als Letzter und einmal als Vorletzter ab. Das bislang beste Ergebnis war Rang zehn in der Spielzeit 2017/18, als in der Qualifikationsrunde für die Playoffs gegen die Grizzlys Wolfsburg Schluss war (0:2).

2020/21 aber schüttelten die Wild Wings das bislang eher graue Image ab und könnten es erstmals in ein Playoff-Viertelfinale schaffen. Schwenningen liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Straubing Tigers um Rang vier. „Wenn ich sagen würde, dass das die Nerven nicht strapaziert, dann würde ich lügen“, sagt Sportdirektor Christof Kreutzer. „Gut ist, dass wir noch die Chance haben. Wenn mir jemand vor der Saison gesagt hätte, dass wir am letzten Wochenende noch in die Playoffs kommen können, dann hätte ich das sofort unterschrieben.“


Die Überraschungsmannschaft  

Dass am Mooswäldle etwas entsteht, zeigte sich schon in der Vorbereitung: Beim Magenta Sport Cup ärgerte Außenseiter Schwenningen etwa die Favoriten aus Berlin (5:1 und 7:2) und München (2:1). Zum Start in die verkürzte DEL-Saison gelangen dann gleich vier Siege in Serie. Die Wild Wings präsentierten sich erneut als Favoritenschreck, stellten dem Rivalen aus Mannheim sowie dem ERC Ingolstadt ein Bein und zeigten, dass sie in der stärkeren Süd-Staffel konkurrenzfähig sind. Kurzum: Schwenningen ist das Überraschungsteam in diesem Jahr.

„Überrascht bin ich nicht“, so Kreutzer. „Ich bin hierhergekommen, um etwas zu verändern und zu schauen, dass wir einen Schritt nach vorne machen. Ich habe immer daran geglaubt. Dass wir das in einer Gruppe mit den Top-Favoriten München und Mannheim sowie mit Top-Teams aus Ingolstadt und Straubing geschafft haben, ist umso mehr anzuerkennen. Das ist schon sehr gut.“


Ein guter Mix und eine gute Chemie  

Das Geheimrezept der Wild Wings ist laut Kreutzer vor allem ein gutes Mannschaftsklima. „Ich denke, wir haben einen guten Mix gefunden aus jungen und erfahrenen Spielern. Wir haben einen guten Charakter in der Mannschaft. Die Jungs verstehen sich gut, es macht jedem Spaß, am Morgen ins Training zu kommen. Die Chemie stimmt. Alle sind sehr fleißig. Das Trainerteam stellt die Mannschaft so ein, dass sie Top-Leistungen abrufen kann.“

Zu den jungen Talenten zählt Eigengewächs David Cerny (20, bis 2023), Daniel Pfaffengut (24, bis 2022) oder Johannes Huß (22, bis 2022), die auch nächstes Jahr noch unter Vertrag stehen. Mit Boaz Bassen (21, bis 2022) und Kai Zernikel (17, bis 2021) stehen zudem zwei „Local Player“ im Kader, die in Villingen-Schwenningen geboren wurden.

„Das spielt eine ganz wichtige Rolle“, betont Kreutzer. „Wir wollen schauen, dass wir so viel wie möglich aus dem eigenen Nachwuchs nach oben ziehen. Die Wild Wings haben immer gute Hockeyspieler hervorgebracht, die es wie Dennis Seidenberg oder Marcel Goc sogar bis in die NHL geschafft haben. Daran wollen wir auch in Zukunft festhalten. Es ist nicht leicht für uns, gute, deutsche Spieler zu haben, denn gegen München und Mannheim werden wir immer den Kürzeren ziehen. Unsere jungen Spieler sind auf einem guten Weg. Wir müssen sie weiter fördern, sie so lange wie möglich bei uns halten und sehen, dass wir vielleicht auch den einen oder anderen Nationalspieler daraus machen können.“


Der schwedische Weg in Schwenningen  

Auffällig ist auch, dass Schwenningen von vielen Schweden getragen wird: Chefcoach Niklas Sundblad, Co- und Torwart-Trainer Gunnar Lejdborg, Stammtorwart Joacim Eriksson sowie Top-Scorer Andreas Thuresson kommen allesamt aus Schweden und bilden das Rückgrat des Teams.

„Von einem schwedischen Weg zu sprechen ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber natürlich sind wird durch die schwedischen Trainer so geprägt“, ordnet Kreutzer ein. „Mit Niklas haben wir einen sehr guten Headcoach, der ein akribischer Arbeiter ist und viel Wert auf Fitness legt. Da kommen wir uns sehr nahe in der Philosophie und Ausrichtung. Gunnar ist ein sehr erfahrener Trainer, ein ruhender Pol, von dessen Meinung wir sehr profitieren.“

Von Lejdborg profitiert auch Eriksson, der zu den besten Torhütern in der DEL zählt. Der 31-jährige Schwede muss im Schnitt nur 2,31 Gegentore pro Spiel hinnehmen und kommt auf eine beeindruckende Fangquote von 93,6 Prozent. „Er hat hier einen Klub gefunden, bei dem er eine gewisse Ruhe bekommen hat, so zu performen, wie er es schon mehrere Jahre in Schweden und in der KHL gemacht hat. Er war schon immer ein guter Torwart, in den letzten Jahren aber nicht überall immer erste Wahl. Wir geben ihm hier das Selbstvertrauen. Er fühlt sich wohl und ruft in jedem Spiel Top-Leistungen ab. Gerade wenn du im Tor auf einen Importspieler setzt, dann muss das passen“, sagt Kreutzer.

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Top-Scorer ist mit Thuresson ebenfalls ein Importspieler aus Schweden. Der 33-jährige Stürmer legte im Vergleich zum Vorjahr (10-9-19) eine regelrechte Leistungsexplosion hin (13-19-32). „Er hatte im letzten Jahr das Pech, dass er lange an einer Gehirnerschütterung laboriert hat. Für ihn ist auch wichtig, dass seine Familie immer da ist, was jetzt mehr der Fall ist als letztes Jahr. Auch die Chemie und seine Position hatten einen großen Anteil daran: Niklas lässt ihn auch im Powerplay spielen, wo seine Waffe, der Schuss, gut zur Geltung kommt. Am Ende des Tages macht es ihm einfach Spaß zu spielen, sodass er seine Höchstleistungen abrufen kann“, erklärt Kreutzer. 

Zumindest ein Hauch von Schweden bringen auch die kanadischen Zwillinge Tylor Spink und Tyson Spink mit, die genauso wie die legendären schwedischen Sedin-Brüder Daniel und Henrik nur im Doppelpack erhältlich sind und immer zusammen bei einem Klub unterschreiben. Die Spinks spielten übrigens auch schon Seite-an-Seite in Schweden (2017 bis 2019 bei Örebro HK). „Wenn man mit ihnen spricht, dann spielen sie sich die Fragen zu wie den Puck auf dem Eis“, lacht Kreutzer und berichtet von etwas anderen Verhandlungen im Doppelpack.


Zu defensiv? Kreutzer wehrt sich…  

Wie so oft bringt der Erfolg auch kritische Stimmen mit sich. Der Stil der Wild Wings sei zu unattraktiv und defensiv, wird oft als Vorwurf eingebracht. Kreutzer kontert entschlossen: „Wenn einer zu mir sagt, unser Spiel wäre zu defensiv, dann hat er keine Ahnung. Wir spielen mit hohem Tempo und in Unterzahl mit einer der aggressivsten PK-Formationen in der Liga. Aber wir können es nicht jedem rechtmachen. Am Ende des Tages zählt nur der Erfolg.“

Für mehr Attraktivität sorgt auch die schmalere Eisfläche in der Helios Arena. „Alle Mannschaften, die hierherkommen, freuen sich auf die kleine Fläche. Sie macht das Spiel noch schneller und attraktiver“, findet auch Kreutzer. „Die Eisfläche hat in der Breite vier Meter verloren. Nach dem Hallenumbau konnten wir auch die Ränge weiter nach unten ziehen und so mehr Sitzplätze generieren.“

Es fehlen also nur noch die Zuschauer, die in den letzten Jahren nur wenig mit Erfolg verwöhnt wurden. Das könnte sich nicht nur in dieser Saison, sondern vielleicht auch in Zukunft ändern. Werden die Wild Wings dauerhaft vom grauen Schlusslicht zum strahlenden Playoff-Anwärter? „Das ist mein Ziel, seit ich hier angetreten bin. Das muss unser Anspruch sein“, betont Kreutzer. „Wir wollen versuchen, eine Mannschaft zu bauen, um in die Playoffs zu kommen. Das würde der Region hier sehr viel bedeuten, weil jeder danach dürstet nach den ganzen Anstrengungen in den letzten Jahren.“

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