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Analytics Wednesday: Die Beton-Abwehr der Carolina Hurricanes

Jeden Mittwoch präsentiert Elite Prospects Rinkside eine Analyse zu einem aktuellen Thema aus der NHL. Am Analytics Wednesday geht es in dieser Woche um die Defensive der Carolina Hurricanes.



„Die Offensive gewinnt Spiele – die Defensive gewinnt Meisterschaften“ – so lautet ein verbreitetes Sprichwort im Sport. Glaubt man diesem Spruch, wären die Carolina Hurricanes der Top-Favorit auf den Stanley Cup 2022.

Die Canes stellen mit 2,37 Gegentoren/Spiel die beste Defensive in der NHL, lassen mit 28,7 die zweitwenigsten gegnerischen Torschüsse pro Spiel zu und stellen zudem mit 88,3 Prozent Erfolgsquote auch noch das beste Penalty Killing der Liga. Oder anders gesagt: Die Beton-Abwehr der NHL ist in Raleigh zu Hause.

Alles im Griff scheinen Goalie Antti Raanta und Verteidiger Brett Pesce auch in dieser Aktion zu haben

Alles im Griff scheinen Goalie Antti Raanta und Verteidiger Brett Pesce auch in dieser Aktion zu haben James Guillory-USA TODAY Sports


Indikatoren für eine gute Defensivarbeit könnten die Anzahl der Checks und die Anzahl der geblockten Schüsse sein. Doch dieser Schein trügt: Im Schnitt 22,6 Hits pro 60 Minuten landet Carolina mit Rang 15 genau im Mittelfeld. Durchschnittlich nur 10,7 Blocks pro 60 Minuten bedeuten sogar den schlechtesten Wert in der gesamten Liga.

Warum also sind die Hurricanes trotzdem so schwer zu knacken?


Brutales Forechecking sorgt für Dauerdruck  

Die Antwort lautet: aufgrund einer hervorragenden Team-Defensive, die schon vorne bei den Stürmern beginnt. Mit ihren schnellen und aggressiven Angreifern werden die gegnerischen Spieler im Spielaufbau regelrecht gejagt. Dieses brutale und meist konsequent mit mehreren Stürmern durchgeführte Forechecking sorgt für Dauerdruck und erschwert Breakouts massiv. Daraus resultieren viele Turnovers in der gegnerischen Zone, also weit weg vom eigenen Tor. Durchschnittlich 8,04 Puckeroberungen pro 60 Minuten bedeuten die sechstbeste Statistik in der NHL.


Viel Puckbesitz, auch dank gewonnener Faceoffs  

Entsprechend haben die Hurricanes viel Puck-Besitz, was schon einmal bedeutet, dass der Gegner in dieser Zeit kein Tor erzielen kann. Nach Unterbrechungen holt sich Carolina die Scheibe auch schnell zurück, denn 53,3 Prozent bedeutet die vierbeste Faceoff-Quote. 55,7 Prozent der Anspiele gewinnen die Canes in der Offensivzone (2.), 53,2 Prozent in der Defensivzone (3.), bzw. 52,9 Prozent in Unterzahl (1.). In den wichtigen Bereichen und Situationen ist also auf die Center Verlass.

Durch den Gewinn des Faceoffs kommen die Hurrica

Die Hurricanes haben die viertbeste Bully-Statistik in der NHL Marc DesRosiers-USA TODAY Sports


Mit Sebastian Aho (50,7 Prozent gewonnene Faceoffs), Vincent Trocheck (53,6 Prozent), Jordan Staal (57 Prozent) und Jesperi Kotkaniemi (51,3 Prozent) ist Carolina auf der Mittelstürmer-Position tief besetzt und verfügt über starke Bully-Spieler.


Exzellentes Coaching mit einer Vorbildfigur  

Wohl kaum ein Trainer kann seinen Spielern besser vermitteln, was es heißt, als Stürmer pausenlos Defensivarbeit zu verrichten. Trainer Rod Brind'Amour gewann als aktiver Spieler gleich zweimal die Selke Trophy, mit der der beste Defensivstürmer in der NHL ausgezeichnet wird. Auch gewann der ehemalige Mittelstürmer den Stanley Cup mit den Hurricanes (2006), diente in Carolina vier Jahre als Kapitän deren fünf als Assistenzkapitän. 2021 gewann Brind’Amour den Jack Adams Award als Coach des Jahres. Bis heute geht der 51-jährige Kanadier mit gutem Beispiel voran, ist meist schon vor dem ersten Sonnenstrahl im Kraftraum anzutreffen und bis heute austrainiert. Diese Leidenschaft und Hingabe fordert der Coach auch vehement von seinen Spielern ein und genießt im Team vollsten Respekt und Anerkennung. Canes-Stürmer Jordan Martinook sagte einst, dass alle Spieler für ihren Trainer durchs Feuer gehen würden. Entsprechend laufintensiv und aufwändig ist die Hockey-DNA der Hurricanes, sowohl im Fore- als auch im Backchecking. 

Rod Brind'Amour dient als absolute Vorbildfunktion für seine Spieler

Rod Brind'Amour dient als absolute Vorbildfunktion für seine Spieler David Berding-USA TODAY Sports


Neue Impulse gab außerdem der neue Assistenztrainer Tim Gleason, der sich insbesondere der Blueliner annahm und offensichtlich an den richtigen Rädchen drehte.


Hochklassige und mobile Verteidiger   

Natürlich haben auch die Verteidiger selbst eine hohe Qualität. Sowohl in der Spitze, aber auch in der Tiefe verfügen die Hurricanes über exzellente Defensiv-Corps. Abwehrchef ist mit Jaccob Slavin ein starker Zwei-Wege-Verteidiger, an dessen Seite mit Tony DeAngelo ein offensivfreudiger Nebenmann spielt. Eine gesunde Mischung aus Defensive und Offensive bieten auch die weiteren Verteidiger-Paare Brady Skjei und Brett Pesce sowie Ian Cole und Brendan Smith oder Ethan Bear.

Wie abgekühlt Abwehrchef Jaccob Slavin in der Defensive agiert, zeigt auch dieses Video:



Zu Carolinas Spielstil gehört dazu, dass sich mindestens ein Abwehrspieler offensive mit einschaltet und die Angriffe unterstützt. Insgesamt verfügen die Canes über mobile, aber auch physisch starke Verteidiger, die viel mit Positionierung, Laufeinsatz und Spielintelligenz lösen. Die Gap-Control spielt hierbei eine wichtige Rolle: Immer wieder nimmt die Abwehr das Tempo der gegnerischen Stürmer auf, steht eng am Mann und erobert den Puck meist schon, bevor es gefährlich wird.

Die einzige Achillesferse sind schnelle Breakouts des Gegners. Werden diese präzise und schnell vorgetragen, besteht die Chance auf Breakaways.



Goalies Andersen und Raanta schlagen sofort ein  

Zur Defensive zählen freilich auch die Torhüter: Carolinas Starter Frederik Andersen hat mit einem Gegentorschnitt von 2,05 den besten Wert aller NHL-Goalies mit über 30 Saisonspielen, dazu mit 92,7 Prozent Fangquote die zweitbeste Statistik und kommt auch mit drei Shutouts unter die Top 8. 

Frederik Anderson verfügt über den besten Gegentorschnitt aller Goalies in der NHL

Frederik Anderson verfügt über den besten Gegentorschnitt aller Goalies in der NHL Sergei Belski-USA TODAY Sports


Braucht der 32-jährige Däne einmal eine Pause, springt Antti Raanta als verlässlicher Backup ein. Der gleichaltrige Finne erhielt 21 Einsätze mit 2,39 Gegentoren/Spiel, 91,7 Prozent Fangquote und zwei Shutouts. Kurios: Beide Keeper kamen vor der Saison neu nach Raleigh – Andersen von den Toronto Maple Leafs, Raanta von den Arizona Coyotes – und funktionierten in North Carolina sofort.


Unangenehm, insbesondere in Rückstand  

Alle diese Faktoren sorgen dafür, dass die Hurricanes extrem unangenehm zu bespielen sind. Das ist insbesondere dann so, wenn die Gegner einem Rückstand hinterherlaufen müssen: Carolina gewann 80,5 Prozent seiner Spiele, wenn sie das erste Tor geschossen haben (5.). Lagen die Canes nach dem ersten Drittel in Front, gewannen sie 85,7 Prozent der Spiele (8.), führten sie nach dem zweiten Drittel waren es 90,6 Prozent (10.).


Penalty Killing als verlässliche Formation  

Das Penalty Killing der Hurricanes ist nur schwer zu durchdringen und hat eine unglaubliche Erfolgsquote von beinahe 90 Prozent (88,3 Prozent). Brind’Amour vertraut bei seiner PK-Defensive auf Slavin (55,7 Prozent Anteil an der PK-Eiszeit pro 60 Minuten), Pesce (48,7 Prozent), Cole (42,9 Prozent) und Skjei (42,1 Prozent). In der PK-Offensive rotiert der Trainer dagegen munter durch: Gleich sechs Spieler kommen auf einen Wert von über 25 Prozent an PK-Eiszeit: Staal (39 Prozent), Aho (31,8 Prozent), Vincent Trocheck (29,9 Prozent), Jack Drury (26,9 Prozent), Jesper Fast (26,6 Prozent) und Teuvo Teräväinen (26,5 Prozent).

Pesce

Brett Pesce (22) und Brady Skeij (76) zählen zu den Unterzahlspezialisten der Hurricanes James Guillory-USA TODAY Sports


Auf dem Eis präsentierten sich die beiden in Unterzahl gesetzten Stürmer auch durchaus aggressiv: Ein Spieler geht konsequent ins Forechecking, während sich die anderen drei an die eigene blaue Linie zurückziehen und diese abriegeln. Kommt der Gegner in die Zone, wird der puckführende Gegenspieler unter Druck gesetzt. Je nach Powerplay-Aufstellung agiert Carolina in Block- (2-2) oder Rauten-Form (1-2-1).


Bereit für den Stanley Cup?  

Gewinnt die beste Defensive am Ende also auch den Stanley Cup? Die Carolina Hurricanes wollen diesen Beweis erbringen. Schon in den letzten Jahren sammelten die Canes eine Menge wertvoller Playoff-Erfahrung. Unter Headcoach Brind’Amour gelang immer die Qualifikation für die Stanley Cup Playoffs. 2019 ging es bis ins Eastern-Conference-Finale, 2020 war in der 1. Runde, 2021 im Conference-Halbfinale Schluss. Und jetzt?

Die Hurricanes sind Spitzenreiter der Metropolitan Division, der wahrscheinlich stärksten Staffel in diesem Jahr, und ließen Teams wie die Pittsburgh Penguins, New York Rangers oder Washington Capitals hinter sich. In den Playoffs werden die Karten freilich neu gemischt, doch könnte sich insbesondere die Beton-Abwehr als Trumpf für Carolina erweisen.



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