Filip Reisnecker: Ein Rohdiamant auf der Suche nach dem Feinschliff
Mit Filip Reisnecker haben die Eispiraten Crimmitschau aus der DEL2 ein hochkarätiges Talent in ihren Reihen. Elite Prospects Rinkside hat sich mit dem Stürmer und seinem Trainer Marian Bazany über die Entwicklung des jungen Talents unterhalten.
Viele Eishockey-Fans freuen sich, wenn ihre Lieblingsmannschaft junge, hungrige Spieler unter Vertrag nimmt bzw. als Förderlizenzspieler zur Verfügung gestellt bekommt. Nur in den seltensten Fällen können sich junge Talente allerdings sofort im Profibereich durchsetzen, geschweige denn zu Leistungsträgern avancieren.
Es ist eher der Fall, dass die meisten jungen Spieler Anlaufschwierigkeiten in Kauf nehmen müssen, bevor sie sich in höheren Spielklassen wie der DEL etablieren können. Es ist nicht zu unterschätzen, was für eine Herausforderung es darstellt, auf einmal gegen die besten Spieler des Landes zu spielen, die fast immer älter, stärker, schneller und erfahrenerer sind. Zudem gibt es neue Systeme und Routinen im Team, wie sie ein junger Spieler vielleicht noch nie erfahren durfte.
Es kann auch passieren, dass ein Spieler im Alter von 17- oder 18-Jahren bereits eine grandiose Saison für eine Oberligamannschaft hinlegt und im nächsten Jahr eine komplett andere Erfahrung in der DEL macht. Eine, die nicht gerade vom persönlichen Erfolg gekrönt ist.
Genau so ist es für den vielversprechenden Stürmer Filip Reisnecker gekommen, der bereits im Alter von 18 Jahren seine erste Saison in der DEL begann.
Ein turbulenter Werdegang
Als Sohn eines deutschen Vaters und tschechischen Mutter wurde Filip Reisnecker 2001 in Prag geboren. Bis zum zweiten Schuljahr wuchs er allerdings in Deutschland auf, bevor seine Familie ins Nachbarland nach Tschechien zog. Für zwei Jahre spielte Reisnecker beim HC Pilsen, bevor er in der Saison 2016/17 zurück nach Deutschland wechselte, um für die Mannheimer Jungadler aufzulaufen.
Mit den Jungadlern schlug der Stürmer sofort ein: In seiner ersten Saison konnte er in 33 Spielen 57 Scorerpunkte verbuchen und den Mannheimern zu einer erneuten DNL-Meisterschaft verhelfen. Von Mannheim wechselte das junge Talent in der Folgesaison nach Regensburg, wo er mit 67 Punkten in 34 Spielen zum Top-Scorer der gesamten DNL wurde. Mit nur 17 Jahren kam er dort auch bereits auf drei Einsätze in der Oberliga.
Diese Leistungen ebneten ihm dann den Weg nach Nordamerika, wo er im CHL-Import-Draft in der 1. Runde an 24. Stelle von den Mississauga Steelheads aus der Ontario Hockey League gewählt wurde. Voller Hoffnungen trat Reisnecker seine Reise nach Kanada an, aber seine Zeit mit den Steelheads endete bereits nach 32 Spielen.
Ich war wahrscheinlich noch zu jung, um nach Kanada zu gehen
Der junge Stürmer schloss sich der Red Bull Akademie in Salzburg an, wo er mit den Junioren in Tschechiens U19-Liga spielte. Auch dort lief es nicht wie gewöhnt und er kam auf lediglich sechs Punkte und eine Plus/Minus-Statistik von -9 in 14 Spielen.
„Ich war wahrscheinlich noch zu jung, um nach Kanada zu gehen,“ erzählt der Stürmer nachdenklich. „Immerhin habe ich auf jeden Fall gute Erfahrungen gesammelt. In Salzburg habe ich mich dann leider verletzt, womit meine Saison abrupt zu Ende war.“
Reisnecker entschied sich zurück nach Regensburg zu kehren, um in der Oberliga zu spielen. Nach nur neun Spielen mit den Eisbären wechselte er allerdings zum Ligakonkurrenten, dem Deggendorfer SC, wo der Stürmer eine Leistungsexplosion erleben sollte. In 37 Spielen konnte er 39 Punkte (12 Tore, 27 Assists) erzielen und wurde prompt zum Rookie des Jahres in der Oberliga Süd gewählt.
„Diese war eine sehr wichtige Saison für mich. Ich hatte einen super Coach, der mit mir sehr viel geredet und mir viel beigebracht hat,“ summiert Reisnecker. „Auch in der Sturmreihe mit René Röthke und Andrew Schembri lief es wirklich gut. Wir haben uns sehr gut verstanden. Es war ein tolles Jahr in Deggendorf und hat mir in meiner Entwicklung sehr geholfen.“
Diese Galasaison blieb selbstverständlich auch den Verantwortlichen vieler DEL-Klubs nicht verborgen und so unterschrieb der junge Stürmer vor dem Start der vergangenen Saison einen Vertrag mit den Fischtown Pinguins. In seiner Rookie-Saison konnte Reisnecker 29 Spiele für Bremerhaven absolvieren und kam dabei auf fünf Punkte. Die vergangene Saison war allerdings von einem anderen Highlight geprägt und zwar der U20 WM in Kanada.
Ein Teil einer besonderen Generation
Für Deutschland sollte die U20-WM im vergangenen Jahr zu der besten Weltmeisterschaft aller Zeiten werden. Allerdings verlief der Start des Turniers alles andere als erfolgreich, denn Reisecker und weitere Spieler wurden positiv auf das Coronavirus getestet und so konnte Deutschland die ersten beiden Partien des Turniers mit lediglich 14 Spielern antreten.
„Es ist natürlich schade, dass es so viele Spieler erwischt hat. Ich habe versucht, in den zwei Spielen mein Bestes zu geben, obwohl es natürlich sehr schwierig war nach über zwei Wochen im Hotelzimmer. Trotzdem haben wir als Team eine sehr gute Leistung gebracht. Es war für mich eine tolle Erfahrung und ich bin sehr froh dabei gewesen zu sein.“
Reisnecker kam gerade rechtzeitig zum letzten Spiel der Vorrunde aus der Quarantäne, als die deutsche Mannschaft einen extrem wichtigen Sieg gegen die Schweiz einfahren konnte. Im Viertelfinale unterlag man dann Russland sehr knapp mit 1:2. „Das war unglaublich knapp. Wir haben ein wirklich gutes Spiel gemacht. Wer weiß, was ohne die Coronafälle für uns möglich gewesen wäre.“
BILDBYRÅN/ActionPictures
Seit Jahren spielt Reisnecker mit oder gegen Spieler wie Tim Stützle, John Peterka, Moritz Seider und Lukas Reichel. Insofern gehört er zu dieser besonderen Generation, die in den kommenden Jahren das deutsche Eishockey prägen sollen.
„Ich freue mich sehr für alle, dass sie in Nordamerika gute Leistungen zeigen und somit das deutsche Eishockey gut repräsentieren. Es wäre natürlich super, wieder mal für Deutschland zusammenspielen zu können. Ich konzentriere mich jetzt auf meinen Klub, dass ich da gute Leistungen bringe und hart arbeite. Dann wird man sehen, was die Zukunft bringt,“ spricht Reisnecker zuversichtlich.
Mit neuem Elan und harter Arbeit
Nach einer akzeptablen ersten Saison in der DEL hatte Reisnecker in dieser Saison Anlaufschwierigkeiten und wurde nach acht Spielen bereits zu den Eispiraten Crimmitschau in die DEL2 abgegeben. Dort läuft es mit bislang 22 Punkten in 36 Spielen um einiges besser.
Filip Reisnecker im Einsatz für die Fischtown Pinguins BILDBYRÅN/Eibner
In Crimmitschau fühlt sich der 20-Jährige wohl und schätz vor allem die Verantwortung, die er übernehmen darf. „Ich bin in Crimmitschau sehr glücklich. Ich bekomme viel Vertrauen vom Trainer und kann mich somit jeden Tag verbessern und weiterentwickeln. In der DEL2 sind sehr viele erfahrene und gute Eishockeyspieler, somit ist die Liga von der Qualität sehr gut. Auch die Fans der Eispiraten haben es dem 20-Jährigen angetan: „In Crimmitschau ist eine unfassbare Stimmung. Ich finde, dass man mit Fans gleich mehr Kraft und Ausdauer hat, vor allem, wenn die Fans so laut und energetisch sind wie bei uns, somit kann man das Beste aus sich herausholen.“
Den Wechsel in die DEL2 sieht Reisnecker keinesfalls als Degradierung, eher als eine Möglichkeit, sich langfristig im Profibereich durchzusetzen. „Ich habe mich in Crimmitschau auf jeden Fall generell gut weiterentwickelt. Wenn man viel spielt und das Vertrauen vom Trainer bekommt, sammelt man viele Erfahrungen. Das Selbstvertrauen steigt und somit wird man besser,“ so der Stürmer, der mittlerweile fest bei den Eispiraten unter Vertrag steht.
Filip Reisnecker schätzt das Vertrauen seiner Trainer in Crimmitschau Alexander Grimm (DEL2)
Wie und warum dieser Schritt gemacht wurde, erklärt sein Trainer Marian Bazany, der nach fünf Jahren als Co-Trainer der Eisbären Berlin, Krefeld Pinguine und Rapperswil-Jona sowie zwei Jahren als Head-Coach von HK Nitra und dann Slovan Bratislava, jetzt seine erste Head-Coach-Stelle in Deutschland eingenommen hat: „Wir haben uns dazu entschieden, ihn unter Vertrag zu nehmen, nachdem es Filip in Bremerhaven an Eiszeit mangelte und er keinen sinnvollen Weg gesehen hat, seine Arbeit mit dem Team fortzusetzen. Er wollte unbedingt bei uns spielen, was für unsere Arbeit mit den jungen Leuten im Kader und deren Chancen auf Eiszeit bei uns spricht.“
Weiter beschreibt Bazany den Fortschritt, den sein Sprössling bei den Eispiraten gemacht hat, sowie die Arbeit, die noch bevorsteht: „Reisnecker ist noch ein junger Spieler, dessen Stärken im offensiven Bereich zu finden sind. Er kann für sein Alter sehr physisch spielen. Er fährt seine Checks zu Ende und kann gut einstecken. Dennoch muss das öfters kommen und damit hat er Luft nach oben. Wir arbeiten in dieser Saison viel mit ihm, was das Spiel ohne Scheibe angeht. Mental gesehen, ist es für ihn sowie für viele Spieler in seinem Alter wichtig davon wegzukommen, immer auf die Punkte zu schauen und Tore zu schießen. Das sind Baustellen, an denen wir wertvolle Zeit mit ihm verbringen.“
Marian Bazany sieht Reisneckers Stärken in der Offensive BILDBYRÅN/Beautiful Sports
Im Hier und jetzt bastelt Reisnecker erfolgreich an seine Zukunft und empfiehlt sich für höhere Aufgaben. Er tut das nun mit einem Trainerstab, der ihn als fixer Teil des Mannschaftserfolgs in dieser Saison versteht und einsetzt. Er spielt in vielen Situationen und darf sich den Schritten der so wichtigen Entwicklung richtig unterziehen.
Er ist jung und im Grunde ein roher Diamant
Coach Bazany ist für die Entwicklung des 20-Jährigen zuversichtlich und weiß, was er noch tun muss, um langfristig erfolgreich zu sein: „Er hat das Potenzial für größere Aufgaben. Ob das DEL oder gar Nationalmannschaft bedeutet, kann man noch nicht ganz absehen, aber seine Geschwindigkeit auf dem Eis ist außergewöhnlich, sein Schuss ist eine Waffe, er hat einen starken Drang zum Tor - all das ist bereits vorhanden und muss nur reifen. Er muss viel Eishockey spielen. Er ist jung und im Grunde ein roher Diamant.“
Marian Bazany ist voller Zuversicht, dass Reisnecker für größere Aufgaben gemacht ist Alexander Grimm (DEL2)
Viel Eishockey spielen sollte Reisnecker noch in den kommenden Wochen, denn die Eispiraten stehen momentan auf dem sechsten Tabellenplatz und wären somit direkt für die Playoffs qualifiziert. Für Reisnecker also eine ideale Gelegenheit, sich den gewissen Feinschliff zu holen.