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Analytics Wednesday: Warum brechen Grubauers Zahlen ein?

Jeden Mittwoch präsentiert Elite Prospects Rinkside eine Analyse zu einem aktuellen Thema aus der NHL. Am Analytics Wednesday geht es in dieser Woche um die einbrechenden Statistiken von Philipp Grubauer.



Die Saison 2020/21 war das Jahr für Philipp Grubauer: Im Trikot der Colorado Avalanche gewann der Torwart 30 von 40 Spielen (30-9-1), hatte einen Gegentorschnitt von 1,95, eine Fangquote von 92,2 Prozent und mit sieben Shutouts die meisten in der ganzen NHL (wie Semyon Varlamov von den New York Islanders). In 27 Partien (69,2 Prozent seiner Spiele) hatte er eine Fangquote von über 90 Prozent. So verwunderte es nicht, dass der Rosenheimer unter den drei Finalisten für die Vezina Trophy für den besten Torwart der Saison war und hinter Gewinner Marc-André Fleury (Vegas Golden Knights) und Andrei Vasilevsky (Tampa Bay Lightning) am Ende Rang drei belegte. Oder kurz gesagt: Grubauer zählte zu den besten drei Torhütern in der NHL.

Isaiah J. Downing-USA TODAY Sports


Nachdem sich die Avs mit Grubauer nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen konnten, unterschrieb dieser beim Liga-Neuling Seattle Kraken (sechs Jahre, 35,4 Millionen US-Dollar). Die große Hoffnung: Mit einer Mannschaft, die einen eher defensiveren Ansatz wählt, wird Grubi zum ultimativen Rückgrat in der Defensive. Doch die Zahlen sprechen bislang eine andere Sprache: Grubauer kommt nach 23 Spielen auf sieben Siege (7-12-3), einen Gegentorschnitt von 3,29, eine Fangquote von 88,2 Prozent und keinen einzigen Shutout. Zudem wurde er im bisherigen Saisonverlauf bereits dreimal ausgewechselt. Nur in acht Partien (36,4 Prozent seiner Spiele) hatte er eine Fangquote von über 90 Prozent. In der Vorsaison war er nur ein einziges Mal ausgewechselt worden. 

War Grubauer zu Saisonbeginn noch die unumstrittene Nummer 1 mit 16 Starts in den ersten 20 Spielen, hat sich seit dem 27. November der Wind gedreht: In den folgenden zehn Spielen erhielt Grubauer nur noch sechs, Backup Chris Driedger vier Starts. Wie also konnten die Statistiken des letztjährigen Top-3-Torwarts derart einstürzen?

Steven Bisig-USA TODAY Sports


Zu aller erst: Grubauer ist noch immer ein guter Goalie, der mit seiner Athletik und Ruhe zu den besten in der Liga zählt und noch immer spektakuläre Saves liefert. Allerdings mischte sich in dieser Saison auch das eine oder andere Soft-Goal unter seine sonst so konstanten Leistungen. Erklären lässt sich das freilich mit dem Wechsel im Sommer: In Seattle spielt der 30-Jährige nicht nur in einer neuen Stadt mit einem ganz anderen Umfeld und Klima als in Denver, sondern auch in einem komplett neuen Team, das auch noch komplett neu zusammengestellt wurde. Auch arbeitet er unter neuen Coaches, darunter auch anderen Torwarttrainern. Alles Faktoren, die eine gewisse Eingewöhnungszeit benötigen.


Ein Problem des gesamten Teams  

Die sinkenden Zahlen beruhen aber nicht alleine auf der Leistung des Torwarts, sondern spiegeln sich insbesondere im Auftreten der gesamten Mannschaft wider. Dass die Kraken allen voran in der Spitze ein qualitativ deutlich schlechteres Team aufs Eis schicken als die Avalanche, ist unbestritten. Das zeigen übrigens auch die Zahlen: In Seattle bekommt Grubauer durchschnittlich 28,0 Schüsse pro Spiel aufs Tor. Im Jahr zuvor waren es in Colorado noch 25,2 Schüsse/Spiel. So ist es nur verständlich, dass ein Goalie durch die gestiegene Arbeitsleistung deutlich schneller weichgeschossen wird.

Steven Bisig-USA TODAY Sports


Auch der gegnerische Druck spielt dabei eine wichtige Rolle, allerdings lässt sich dieser nur schwer in Statistiken ausdrücken: Die Avalanche wählten einen sehr aktiven, offensiven und temporeichen Spielstil mit aggressivem Forechecking. Sie hielten sich damit deutlich länger in der Offensivzone, also weit weg vom eigenen Gehäuse auf. Das nahm Grubauer den Druck. 2020/21 stellten die Avs die beste Offensive der Liga (3,52 Tore/Spiel) und gaben die zweitmeisten Torschüsse ab (34,6 Schüsse/Spiel). Durch die sehr mobilen Hochgeschwindigkeitsspieler war Colorado auch aktiv im Backchecking und stellte mit nur 2,36 Gegentoren/Spiel die zweitbeste Defensive der NHL, die mit 25,4 gegnerischen Torschüssen/Spiel auch die wenigsten in der gesamten Liga zuließ.

Bei den Kraken ist das nun anders. Das neue Team hat insbesondere in der Breite nicht den Top-Speed der Avalanche, immobilere Verteidiger und insbesondere einen deutlich defensiveren Spielstil. Dass Letzteres kein Vorteil für einen Torwart sein muss, zeigen die Zahlen: Seattle stellt mit 3,57 Gegentoren/Spiel die drittschlechteste Defensive in der NHL und lässt im Schnitt 28,7 Torschüsse/Spiel zu. Somit hat der Gegner deutlich mehr Zone-Time in Seattles Drittel, was den Druck auf den Goalie merklich erhöht. Zahlen, die die deutlich geringere Offensivpower des Liga-Neulings stützen, sind die Anzahl der Tore (2,8 pro Spiel) und die drittwenigsten abgegebenen Torschüsse in der Liga (27,9 pro Spiel).


Vezina-Kandidaten Fleury und Vasilevskiy mit Anlaufschwierigkeiten  

Grubauer ist übrigens nicht der einzige Goalie mit Anlaufschwierigkeiten. Hierfür dienen die beiden anderen Vezina-Trophy-Finalisten als bestes Beispiel: Fleury wurde von den Knights zu den Chicago Blackhawks getradet und hatte in den ersten Wochen katastrophale Zahlen: Nach vier Spielen stand ein Gegentorschnitt von 5,75 und eine Fangquote von 83,9 Prozent zu Buche. Auch nach acht Partien waren es noch 4,11 Gegentore/Spiel und 88,1 Prozent Fangquote. Mittlerweile hat sich „Flower“ aber gefangen und seine Statistiken nach starken Auftritten aufpoliert: Nach 20 Spielen steht er bei 2,86 und 91,3 Prozent.

Bei Vasilevskiy dauerte der Durchhänger nicht so lange. Nach zwei Spielen hatte dieser 4,5 Gegentore pro Spiel kassiert und eine Fangquote von 84,5 Prozent. Mittlerweile zählt Vasi aber längst wieder zu den besten Goalies der NHL, was 2,14 Gegentore/Spiel und 92,8 Prozent Fangquote beweisen. Diesem Beispiel könnte nun auch Grubauer folgen. Es ist davon auszugehen, dass ich der Rosenheimer im weiteren Saisonverlauf ebenfalls stabilisieren wird.



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