Analytics Wednesday: Wie macht Boudreau die Vancouver Canucks besser?
Jeden Mittwoch präsentiert Elite Prospects Rinkside eine Analyse zu einem aktuellen Thema aus der NHL. Am Analytics Wednesday geht es in dieser Woche um den Trainerwechsel-Effekt bei den Vancouver Canucks.
In Vancouver hat sich der Wind komplett gedreht: In den ersten 25 Spielen der Saison zählten die Canucks zu den fünf schlechtesten Teams in der gesamten NHL und galten als eine der größten Enttäuschungen. Mit einer 8-15-2-Bilanz (59:79 Tore) war Vancouver das Schlusslicht in der Pacific Divison, eroberte nur 36 Prozent der Punkte, stellte die fünftschlechteste Offensive (2,36 Tore/Spiel), die zehntschlechteste Defensive (3,16 Gegentore/Spiel) und das schlechteste Penalty Killing (64,6 Prozent) in der NHL. In 17 von 25 Spielen mussten die Canucks einem Rückstand hinterherlaufen (Negativwert). Signifikant war auch die Effizienz vor dem gegnerischen Tor: Nur 7 Prozent der Torschüsse knipsten die Torlampe an, was ligaweit den zweitschlechtesten Wert bedeutete.
Die verantwortlichen Personen sahen sich also zum Handeln gezwungen und reagierten am 4. Dezember 2021: Sowohl Trainer Travis Green als auch General Manager Jim Benning wurden gefeuert. „Das sind schwierige Entscheidungen, aber wir dachten, dass wir dieses Jahr eine wettbewerbsfähige Mannschaft haben würden. Unterm Strich bin ich extrem enttäuscht, wie sich das Team bislang präsentiert hat“, hatte der Nucks-Vorsitzende Francesco Aquilini damals erklärt. „Ich habe diese Entscheidung nun getroffen, weil wir ein Team bauen wollen, das um die Meisterschaft mitspielen kann, und weil es Zeit für eine neue sportliche Führung ist, die uns dorthin bringen kann.“
Boudreau übernimmt – und gewinnt jedes Spiel
Als neuer Coach wurde der Veteran Bruce Boudreau eingesetzt. Der 66-Jährige drehte offensichtlich an den richtigen Rädchen, denn seitdem er seit dem 5. Dezember 2021 hinter der Bande steht, hat Vancouver alle fünf Spiele gewonnen (14:8 Tore) und ist seitdem das beste Team der Liga (gleichauf mit den Colorado Avalanche). Doch wo genau hat Boudreau bei einem frustrierten und enttäuschten Team um das sich bereits Trade-Gerüchte einiger Star-Spieler rankten, angesetzt?
Bruce Boudreau, der neue Mann an der Bande der Canucks Bob Frid-USA TODAY Sports
Mehr Stabilität in der Defensive
Allen voran in der Defensive, die unter Boudreau kaum mehr wiederzuerkennen ist. Das lässt sich auch statistisch belegen: Nur noch 1,6 Gegentore/Spiel (4.) und 81,8 Prozent Erfolgsquote in Unterzahl sprechen für einen enormen Entwicklungsschritt. Nur noch in einem einzigen Spiel gerieten die Canucks zuerst in Rückstand. Auch die Anzahl der Checks hat sich von 20,93 Hits/60Minuten auf 22,45 Hits/60Minuten gesteigert. Zudem zahlen die Nucks nun auch umso mehr den schmerzhaften Preis von geblockten Schüssen: Unter Green hatte Vancouver 13,57 Blocks/60Minuten, unter Boudreau waren es 16,84!
Demko hält, was er verspricht
Das wiederum erleichtert auch den Torhütern die Arbeit. Insbesondere Starter Thatcher Demko konnte sich unter dem neuen Trainer merklich steigern: Sein Gegentorschnitt verbesserte sich von 2,97 auf 1,20, seine Fangquote von 90,8 auf 96,2 Prozent. Unter Boudreau gelang Demko auch der erste Shutout in der laufenden Saison. Der 26-jährige US-Amerikaner gilt als großes Goalie-Talent und ist nun der erhoffte Rückhalt zwischen den Pfosten.
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Sturm bekommt Rückenwind
Von einer gefestigten Defensive profitierte übrigens auch die Offensive: Die Produktivität hat sich auf 2,8 Tore/Spiel gesteigert. Die Schusseffizienz ist noch immer ausbaufähig, konnte aber immerhin ein wenig auf 8,6 Schüsse/Tor zulegen. Unter Green erreichte kein einziger Spieler die Marke von 1,0 Punkten pro Spiel. Unter Bourdreau gab es mit J.T. Miller (1,2), Brock Boeser (1,0), Bo Horvat (1,0) und Quinn Hughes (1,0) gleich vier Akteure.
Kapitän Bo Horvat nimmt unter dem neuen Trainer Fahrt auf Bob Frid-USA TODAY Sports
Stammspieler finden ihre Form wieder
Dieses Quartett steht auch für die aufsteigende Form der Leistungsträger der Canucks. Bis zum Trainerwechsel waren Schlüsselfiguren wie die Stürmer Horvat (7-6-13, -3), Elias Pettersson (4-8-12, -6), Boeser (4-6-10, -7), Tanner Pearson (4-4-8, 0) aber auch Verteidiger Oliver Ekman Larsson (2-3-5, 0) weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Diese liefern nun in beide Richtungen deutlich zuverlässiger ab: Miller (1-5-6, 0), Boeser (3-2-5, -1), Horvat (2-3-5, +2), Hughes (0-5-5, +2) und Pettersson (2-1-3, +4) sind wieder die Zugpferde in British Columbia. Auch machten Talente wie Nils Höglander (2-0-2, +1) oder Vasili Podkolzin (1-1-2, +6) plötzlich auf sich aufmerksam.
Junge Spieler wie Nils Hoglander rücken mehr in den Vordergrund Bob Frid-USA TODAY Sports
Eine Frage des Charakters
Doch auch neben den harten Fakten und nackten Zahlen ist auch die psychische Komponente nicht zu unterschätzen. „Hier ist einfach ein neues Leben, eine neue Energie in der Kabine, und das zeigt sich auch auf dem Eis“, berichtete Kapitän Horvat. „Wir glauben einfach an uns. Viele Jungs hier spielen gutes Hockey. Dieses Team gibt nicht auf.“
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Das untermauerten die Canucks erst jüngst beim 4:3-Heimsieg gegen die Arizona Coyotes, als Vancouver einen 0:3-Rückstand nach dem 1. Drittel in einen 4:3-Last-Minute-Erfolg drehten. Wohlgemerkt nur mit fünf Verteidigern, denn Abwehrspieler Tucker Poolman schied im ersten Drittel aus. In der Verteidigung gab mit Noah Juulsen ein 24-jähriger Local-Player sein Saison-Debüt, außerdem kehrte Ekman Larsson nach drei Spielen Verletzungspause zurück. Gefehlt hatten außerdem Abwehrmann Luke Schenn sowie die Angreifer Brad Hunt und Juho Lammikko, die allesamt das Covid-19-Protokoll durchlaufen müssen. Mit einem dezimierten Kader das erste Mal seit fünf Jahren (16. Oktober 2016 beim 4:3 n.V. gegen die Carolina Hurricanes) wieder auf einen Drei-Tore-Rückstand zurückzukommen, spricht für den Charakter in der Mannschaft.
„Sie haben die Siege für sich selbst geholt, nicht für mich, aber es zeigt, dass sie Charakter haben“, betonte Bruce Boudreau, der Vater des Erfolgs.
Wann kommt der neue GM?
Während sich Vancouver sportlich im Aufschwung befindet, fahndet Canucks-Präsident Jim Rutherford nach einem neuen GM. „Wir brauchen einen neuen Blickwinkel, eine neue Stimme, eine neue Kultur“, forderte Aquilini. Rutherford soll bereits eine Liste von 40 potenziellen Kandidaten vorliegen haben, wägt zwischen erfahrenen und GM-Talenten ab und will sich mit seiner Entscheidung Zeit lassen. „Ich mache jeden Tag meine Hausaufgaben, auch abseits meiner Arbeitszeit. Ich bin aber nicht in Eile. Wir wollen die richtige Entscheidung treffen. Je stärker diese Off-Ice-Abteilung ist, desto besser wird es das Team auf dem Eis machen“, so Rutherford.
Canucks Präsident Jim Rutherford will sich mit der Suche nach einem neuen GM Zeit lassen BILDBYRÅN/Icon SMI
Bereits bei der Suche nach einem neuen Trainer scheint Vancouver voll ins Schwarze getroffen zu haben. Gelingt das nun auch für den GM-Posten, rücken die hohen Erwartungen bei den Canucks wieder in greifbare Nähe.