SHL

Stefan Loibl: Ein Deutscher sucht das Karriere-Abenteuer in der SHL

Für Profieishockeyspieler aus Deutschland ist die durchaus international respektierte SHL, die Top-Liga Schwedens, immer noch eine Art unbekanntes Ziel. In den letzten 15 Jahren gab es nur sehr wenige deutsche Spieler, die es nach Schweden verschlagen hat, allerdings geht der Trend zum Wechsel in die SHL klar in eine Richtung. 



Mit Tom Kühnhackl (Skellefteå AIK) und nun auch Tobias Rieder (Växjö Lakers) entschieden sich auch zwei ehemalige deutsche NHL-Spieler in dieser Saison in Schweden zu spielen. Dominik Bokk (Växjö Lakers, Rögle BK, Djugårdens IF) und Moritz Seider (Rögle BK) nutzen die SHL als Sprungbrett für höhere Aufgaben in Nordamerika.  

Auch der Wechsel von Stefan Loibl zu Skelleftea AIK sorgte im Sommer für Aufsehen, denn in Mannheim war dem Stürmer eigentlich ein fester Platz gesichert. Also, was genau Loibl zu diesem Wechsel zu diesem Zeitpunkt in seiner Karriere motiviert hat, war nicht jedem ersichtlich.

“Skellefteas Manager Erik Forssell und Trainer Robert Ohlsson haben meinen Spielerberater und mich kurz nach der WM kontaktiert,” erklärt der in Straubing geborene Nationalspieler. “Daraufhin nahm ich mir eine Nacht Bedenkzeit, um mich zu entscheiden. Nicht jeder hat die Chance, auch mal außerhalb seines Heimatlandes zu leben, arbeiten und eine neue Kultur kennenzulernen. Zudem ist Skelleftea AIK ein Topverein in einer sehr starken europäischen Liga. Diese Chance wollte ich einfach nutzen.”

BILDBYRÅN/Ola Westerberg


Und diese Chance nutzt er in vollen Zügen. Mit drei Toren, sechs Punkten und ein +8 Statistik in zwölf SHL Spielen sowie weitere drei Tore und vier Punkte in sechs CHL Spielen ist Loibl in der SHL voll angekommen. “Der Stil der SHL kommt mir sehr entgegen,” betont der Neuzugang, “da ich denke, dass ich ein guter Schlittschuhläufer bin und mental schnelle Entscheidungen auf dem Eis treffen kann. Das Tempo und die Intensität sind extrem hoch. Alle Mannschaften sind meiner Meinung nach vom Level her nicht weit auseinander und spielen hart im Forechecking. In der SHL gibt es keine Trap,” bringt Loibl den Vergleich zwischen DEL und SHL auf den Punkt.

Nicht nur persönlich läuft es für den 25-Jährigen, auch die Mannschaft ist bislang sehr erfolgreich, denn mit 24 Punkten steht Skelleftea AIK momentan auf dem dritten Platz in der Tabelle und auch in der Champions Hockey League schaffte es das Team in die nächste Runde und trifft dort auf Sparta Prag. 



Einer von vielen prägenden Personalien im Team  

Ein erster Blick auf den Kader der Nordschweden deutet nicht sofort darauf hin, dass es sich bei Skelleftea AIK um eine überdurchschnittliche starke Mannschaft in der SHL handelt. Zumindest schienen einige Neuzugänge große Fragezeichen aufzuwerfen. Auch der neue Stürmer aus Mannheim gehörte zu diesen, denn wie Loibl gab es eine Reihe von relativ jungen Neuzugänge, für die die SHL Neuland war. Bisher spielt fast jeder von diesen Neuzugängen eine tragende Rolle und man könnte meinen, alle verfolgen das gleiche Ziel.

“Ich habe mir vorgenommen, auf und neben dem Eis ein kompletterer Spieler zu werden und der Mannschaft dabei zu helfen, so viele Spiele wie nur möglich zu gewinnen,” betont Loibl, der bisher öfter als Mittelstürmer zwischen Adam Mascherin und Urgestein Oscar Möller eingesetzt wurde. Mit Mascherin, der im NHL-Draft 2018 in der vierten Runde von den Dallas Stars gezogen wurde und Möller scheint sich Loibl bislang sehr gut zu ergänzen.

BILDBYRÅN/Axel Boberg


Wie es in der SHL üblich ist, besteht auch der Kader von Skelleftea AIK aus einer beachtenswerten Mischung aus Jung und Alt. Dreizehn Spieler sind 25 Jahre oder jünger. Sehr auffallend ist auch, dass nur sechs Importspieler im Kader vorzufinden sind. Eine Anzahl, die für Titelanwärter in der DEL beinahe undenkbar wäre. 

“Die Zusammenstellung ist insofern anders als in der DEL, da wir eine große Anzahl an jungen einheimischen Spielern besitzen,” bekräftigt Loibl diese Situation, welche die SHL als Vorzeige-Liga für ganz Europa agieren lässt. “Allgemein haben wir eine sehr gute Mischung aus älteren erfahrenen und jungen Spielern. Zusammenfassend sind es nur wenige Imports und ein geringes Durchschnittsalter der Kader.” 

Eine der größten Leistungsträger in der bisherigen Saison sind die zwei Torhüter. Veteran Gustaf Lindvall parierte in sieben Spielen bereits 94,4 Prozent der Schüsse und lässt lediglich 1,41 Gegentore pro Spiel zu. Sein Back-Up, der erst 23-Jahre alte Strauss Mann spielt seine erste Profi-Saison, nachdem er die letzten drei Jahre im Tor der Michigan Wolverines (NCAA) stand und konnte bereits zwei Shutouts einfahren. Zudem kommt er auf eine sagenhafte Fangquote von 94,5 Prozent in fünf Spielen.

“Beide Torhüter sind sehr stark,” erzählt Loibl. “Strauss ist sehr jung, aber extrem talentiert und dazu kommt, dass er mit Gustaf Lindvall auf einen absoluten Toptorhüter der SHL als Mentor zählen kann. Zusammen bilden sie ein extrem starkes Torhüterduo.”

Ganze elf Spieler im Team sind erst 23 Jahre alt oder jünger. Darunter auch drei Spieler, die für die kommende U20 WM infrage kommen könnten und zwar der Verteidiger Måns Forsfjäll sowie die Stürmer Simon Robertsson und Elias Stenman. Der Grund liegt mit der vorbildlichen Nachwuchsarbeit in Schweden eindeutig auf der Hand, aber ob so eine Situation in Deutschland zu schaffen ist?

“Sie sind sehr gut ausgebildet und bekommen das nötige Vertrauen vom Verein, Trainern und Management. Deutschland ist aktuell auf einem sehr guten Weg, wie man an Beispielen wie Moritz SeiderTim StützleLukas Reichel oder John Peterka sieht. Man muss einfach weiterhin an der guten Nachwuchsförderung dranbleiben und jungen Spielern Vertrauen und Chancen geben. Eventuell sollte man über eine Reduzierung der Importspieler nachdenken. In der SHL gibt es zwar keine Importregel, dennoch spielen dort größtenteils schwedische Spieler, welches wiederum zu mehr Plätzen für Nachwuchsspieler führt.”

Mit Verteidiger Adam Wilsby (Nashville Predators) sowie den Stürmern Linus Lindström (Calgary Flames), Linus Karlsson (Vancouver Canucks) und Albin Sundsvik (Anaheim Ducks) spielt Loibl zudem mit vier Spielern zusammen, die von NHL-Teams gedraftet worden sind. Ob diesen NHL-Prospects der Sprung gelingen wird?

“Hier konzentriert sich jeder nur auf die aktuelle Situation in der SHL. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass einige meiner Mannschaftskollegen zukünftig in der NHL spielen werden,” spricht Loibl über die jungen Talente im Team.



Die deutsche Connection  

Lange dürften die deutschen Fans den Abgang Loibls nach Skelleftea nicht verdaut haben, bevor es bereits die nächste große Botschaft aus der Provinz Västerbotten gab, nämlich die Verpflichtung des bisherigen deutschen NHLer Tom Kühnhackl. Nach einer hervorragenden WM für Deutschland, in der die Eishockeywelt ganz deutlich zu sehen bekam, wieso Kühnhackl in den letzten Jahren in der NHL so erfolgreich war, wurde der Landshuter von Skelleftea verpflichtet.

“Wir sind sehr gute Freunde und verbringen viel Zeit miteinander,” freut sich Loibl, der mit Kühnhackl mehr gemeinsam hat, als einige wissen. “Es hilft natürlich, in einem fremden Land einen Gleichgesinnten an seiner Seite zu haben."

BILDBYRÅN/Ola Westerberg


Erst vor Kurzem fand auch Tobias Rieder den Weg in die SHL, nachdem ihm kein Vertragsangebot aus der NHL unterbreitet wurde. Rieder schloss sich dem SHL-Meister aus Växjö an. Interessant hierbei ist, dass Rieder und Kühnhackl bereits als Teenager für Landshut gespielt haben, wo auch Loibl in der Saison 2013-14 seine ersten Schritte im Profitum gemacht hat. Dort hat Loibl im zarten Alter von 17 Jahren fünf Tore und zehn Punkte in 56 DEL2-Spiele sammeln können, was ihm einen wichtigen Platz im damaligen Kader der U18-Nationalmannschaft bescherte.



Eine neue Umgebung  

In Schweden sind die Hallen zum Teil vollgepackt. Seit einigen Wochen strömen um die 5000 Zuschauer in die Stadien der höchsten Liga des Landes. Die Situation ist an manchen Orten in Deutschland nicht ganz anders, aber aus einem anderen Anlass. 

“Seit ein paar Wochen sind alle Corona Maßnahmen in Schweden aufgehoben,” erzählt der Linksschütze. “Das heißt, alles läuft wieder ganz normal und wie vor Corona. Dennoch sind die Leute in den Stadien sehr vernünftig und es wird auf alle Fälle aufgepasst.”

Nun bebt und tobt es in den Arenen Schwedens, wo die Fan-Kultur eine sehr starke Rolle für die Sportart spielt und an manchen Orten der Hauptgrund dafür ist, dass Profi-Eishockey überhaupt betrieben werden kann.

Selbstverständlich muss sich Loibl mit dem Wechsel nach Schweden nun auch mit einer neuen Sprache auseinandersetzen.

“Tatsächlich übe ich täglich über eine App Schwedisch und spreche mittlerweile schon die gängigsten Phrasen. Kenntnisse hatte ich davor noch nicht, sehe es aber als Chance, eine neue Sprache zu lernen.”



Der Blick nach vorne  

Die Saison ist noch jung und es gibt noch sehr viel Eishockey zu spielen. Loibls Mannschaft hat jeden Grund zu glauben, ein Wort um die SHL-Meisterschaft mitzureden. Zudem spielt Skelleftea weiterhin um den CHL-Titel. Vergessen darf man nicht, dass auch die Olympiade in China im Februar stattfindet. Nationaltrainer Toni Söderholm beobachtet die Fortschritte seiner Spieler in Schweden sicherlich ganz genau. Auch Loibl macht sich Hoffnungen, die Nationalmannschaft bei Olympia vertreten zu dürfen.

“Ja definitiv! Für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu dürfen ist eine sehr große Ehre und demnach immer ein persönliches Ziel von mir.”

BILDBYRÅN/Eibner


Loibl absolvierte bislang 35 Spiele für die Herren Nationalmannschaft und kam dabei auf zwei Tore und fünf Assists. Sollte er seine Leistungen in dieser Saison weiterhin so tadellos abrufen wie bislang, sollte einer Olympiateilnahme nichts im Wege stehen. 




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