NHL

Marco Rossi: I'm from Austria

Keine Frage: Marco Rossi wird der nächste Österreicher in der NHL. Bei den Minnesota Wild kämpft der 20-jährige Stürmer aktuell um einen Kaderplatz. Sollte sich sein Traum erfüllen, wäre das Happy End nach einer Hollywood-reifen Geschichte perfekt. Mit EliteProspects Rinkside teilte Rossi emotionale Momente wie die außergewöhnliche Unterstützung seiner Familie, sein Horror-Jahr mit den Folgen von Covid-19 und warum er gerade deshalb vor Ehrgeiz sprüht.



 „Ich wäre fast gestorben“, erzählt Rossi am Telefon und sorgt somit für die nächste Gänsehautentzündung in diesem Interview. Beim österreichischen Top-Talent wurde nach einer Covid-19-Erkrankung eine Herzmuskelentzündung lange nicht erkannt. Jedes Training hätte damals sein letztes sein können. Einmal mehr fand der 20-Jährige Halt bei seiner Familie, schöpfte neue Kraft und ist jetzt „ein noch besserer Rossi“, wie er selbst sagt. In diesen Tagen kämpft der Stürmer im Haupt-Trainingscamp der Wild um einen Platz im NHL-Kader. Die Chancen stehen gut. 


Doch der Reihe nach…


Die Anfänge: Verliebt in Eishockey  

Marco Rossi wurde in Feldkirch im Bundesland Vorarlberg nahe der Schweizer Grenze geboren. Seinen Namen hat er von seinem Opa geerbt, dessen Familie aus Italien stammt. Zum Eishockey kam er über seinen Vater Michael Rossi, der viele Jahre in der ersten und zweiten österreichischen Liga gespielt hatte. „Als ich klein war, habe ich ihm immer zugeschaut. Ich wollte selbst aufs Eis gehen, also hat er mich mal mitgenommen. Seit ich zweieinhalb Jahre alt bin, war ich immer auf dem Eis und wollte gar nicht mehr runtergehen. So ist die Liebe zum Eishockey entstanden“, blickt Marco Rossi zurück. „Ich habe viele Sportarten gemacht: Tennis, Fußball, Leichtathletik, Basketball. Eigentlich habe ich alles ausprobiert. Mit 14 musste ich mich dann aber für einen Sport entscheiden. Es war relativ einfach: Ich hatte einfach Spaß am Eishockey, immer einen Schläger in der Hand und auch draußen immer mit Freunden gespielt. Ich habe gemerkt, dass ich diesen Sport enorm liebe.“

Die ersten Schritte ging Rossi in Feldkirch, wechselte aber schon als Zehnjähriger in die Schweiz. „Das war noch relativ einfach: Rheintal war vielleicht zehn Minuten von meiner Haustüre weg, denn ich wohne genau an der Grenze zur Schweiz“, so Rossi. Später ging es über Küsnacht dann nach Zürich. „Das war schon weiter weg, etwa anderthalb Stunden Fahrt. Das Niveau in der Schweiz war viel besser, es gab auch mehr Konkurrenzkampf. Es gibt Spieler, die erleben mit 16, 17 Jahren zum ersten Mal eine Konkurrenzsituation. Ich hatte Glück, dass ich das schon mit 13, 14 Jahren kennengelernt habe.“

In diesem Umfeld blühte der Angreifer regelrecht auf und produzierte Scorerpunkte wie am Fließband. Doch diese Entwicklung hatte auch einen hohen Preis.



500.000 Kilometer im Auto, wenig Schlaf und eine starke Familie  

„Es war eine sehr schöne und eine sehr harte Zeit für mich und meine Familie“, sagt Rossi und schiebt die Erklärung hinterher: „Du musst dir das so vorstellen: Ich bin jeden Tag um 6 Uhr aufgestanden, mein Papa schon um 4.30 Uhr. Ich bin in die Schule und er ist zur Arbeit gegangen. Dann hat er mich um 16.30 Uhr immer von der Schule abgeholt und mich 90 Minuten nach Zürich zum Training gefahren. Dann habe ich bis 22 Uhr trainiert und wir waren vielleicht um 0 Uhr wieder zu Hause. Ich musste dann noch lernen oder was für die Schule machen und hatte natürlich Hunger, also hatte entweder meine Mama schon was vorgekocht oder mein Papa hat noch etwas gemacht. Ich bin dann immer so um 0.30 oder 1 Uhr ins Bett gegangen. Mein Papa musste noch die Wäsche für den nächsten Tag machen und ist nicht vor 1.30, 2 Uhr ins Bett gekommen. Er hat über vier Jahre vielleicht nur drei, vier Stunden geschlafen. Ich hatte auch nicht viel Schlaf, hatte aber das Glück, dass ich dann im Auto schlafen konnte. Wir sind in dreieinhalb Jahren 500.000 Kilometer gefahren! Es war eine sehr harte Zeit für die ganze Familie. Auch für meine Mama und meine Schwestern, ohne deren Unterstützung das alles nicht möglich gewesen wäre. Ich habe dadurch so einen großen Ehrgeiz entwickelt, jeden Tag Vollgas zu geben, wollte immer der Beste sein, noch mehr lernen, noch mehr trainieren und für sie gewinnen.“



Insbesondere den Einsatz seines Vaters hob Rossi noch einmal hervor: „Ich bin enorm dankbar, was er für mich gemacht hat. Für ihn war es so schwer: Er hatte so wenig Schlaf, so viel Arbeit und Stress, dass es auf die Gesundheit ging. Mir ist das damals gar nicht so aufgefallen. Darüber zu reden ist auch für mich gerade Gänsehaut pur. Mir kommen ab und zu die Tränen, weil es so rührend ist, was er alles für mich gemacht hat. Ich bin sehr dankbar!“

Durch diese außergewöhnliche Konstellation entwickelte Rossi wohl mehr Ehrgeiz, Kampf und Biss als wohl viele andere junge Eishockeyspieler. Allesamt Attribute, die auch in der NHL gerne gesehen werden. Doch sein Spiel wurde sogar noch mehr von seinem Vater beeinflusst: „Er war Verteidiger“, erzählt Rossi. „Was ich von ihm habe, ist mein Defensivspiel. Er hat immer zu mir gesagt: Du bist jung, willst Tore schießen, Punkte machen und nur offensiv spielen. Du musst aber alle drei Zonen ernst nehmen. Das habe ich mir zu Herzen genommen und für mich herausgezogen: Wenn ich besser defensiv spiele, dann bin ich auch länger in der Offensivzone. Das ist mein Mindset. Das hat mir sehr gutgetan.“



Kulturschock in Nordamerika  

Im Jahr 2018 schlug Rossi dann ein neues Kapitel in seiner noch jungen Karriere auf: Er wechselte zu den Ottawa 67’s in die kanadische Juniorenliga OHL. „André Tourigny war dort Trainer und ich wusste, was für ein unglaublicher Coach er war. Ich wollte also nur zu einer Mannschaft wechseln: Entweder nach Ottawa, wenn sie mich im CHL-Draft auswählen würden, oder ich bleibe in Zürich“, erklärt Rossi. 

Es wurden tatsächlich die 67’s – also brach das Talent auf nach Kanada. „Es war wie ein kompletter Kulturschock für mich. Ich war immer gewohnt, zu Hause zu sein. Es war auch eine ganz andere Kultur. Du musstest Englisch sprechen und hast keinen mehr, mit dem du Deutsch sprechen kannst, wohnst in einer Gastfamilie, was auch etwas ganz anderes ist. Das Komischste war für mich, dass ich nur fünf Minuten zur Eishalle hatte. Ich war ja gewohnt, dass wir anderthalb Stunden fahren müssen. So war es sehr relaxt für mich. Ich habe gemerkt, dass ich so viel Kraft sparen kann.“

BILDBYRÅN/Icon SMI


Diese Kraft brachte Rossi dafür dann voll aufs Eis und zeigte keinerlei Anlaufschwierigkeiten. Gleich in seinem Debüt-Jahr schnürte er in 53 Spielen 65 Scorerpunkte (29 Tore, 36 Assists) zusammen. „Die Eisfläche war kleiner, es wurde mit viel mehr Körperkontakt gespielt und alles ging einfach viel schneller. Du musst immer bereit sein“, so Rossi. 

In der Folgesaison 2019/20 erlebte Rossi dann eine regelrechte Leistungs-Explosion: In 56 Partien ballerte sich der Österreicher mit 39 Toren, 81 Assist und somit 120 Scorerpunkten zum Top-Scorer der gesamten OHL. „Das erste Jahr hat mir schon sehr viel Selbstvertrauen gegeben. Im zweiten kannte ich die Liga dann schon und wusste, was mich erwartet. Ich musste mich nicht mehr anpassen. Sicher brauchst du auch gute Mitspieler und das nötige Glück.“

BILDBYRÅN/Icon SMI



Draft 2020: Die Wild greifen zu  

Nach dieser Monster-Saison war klar, dass Rossi im folgenden Draft 2020 früh ausgewählt werden würde. Die aufgrund der Coronavirus-Pandemie virtuell abgehaltene Talenteziehung verfolgte er zu Hause in Austria. „Das war eine sehr lange Nacht, weil der Draft bei uns so um 2, 3 Uhr war. Es war viel Aufregung dabei, denn ich hatte so lange auf diesen Moment gewartet“, blickt Rossi zurück. „Gerade auch wegen der Geschichte mit meiner Familie war es eine erste Belohnung. Als ich dann gehört habe, dass es Minnesota wird, war ich so froh. In unseren Gesichtern war Erleichterung zu sehen. Es war ein unglaubliches Gefühl.“

Ein konkretes Wunschziel hatte Rossi übrigens nicht. „Ganz ehrlich: Ich hatte mir gar nix vorgenommen. Ich war am Draft-Tag sehr entspannt und wollte es nehmen, wie es kommt. Hinterher habe ich nur mitbekommen, dass mein Agent sehr viel mit Minnesota gesprochen hatte. Ich habe vor dem Draft nur einmal mit ihnen geredet. Nach dem Draft habe ich dann noch erfahren, dass sie noch einen Trade mit dem Team, das vor den Wild dran war, einfädeln wollten, um mich sicher zu bekommen. Wenn ich sowas höre, dann weiß ich, dass sie mich unbedingt haben wollten. Das gibt mir noch mehr Selbstbewusstsein.“

An 8. Stelle wählten die Buffalo Sabres den Stürmer Jack Quinn aus – somit war der Weg für Rossi nach Minnesota frei.



Lebensgefahr: Das Horror-Jahr nach Covid-19  

Was klingt, wie Liebe auf dem ersten Blick wurde im wahrsten Sinne des Wortes zu Herzschmerz: In einer regelrechten Horror-Saison erkrankte Rossi an Covid-19. Der Beginn eines langen und beinahe tödlichen Leidenswegs. „Im November bin ich an Corona erkrankt. Dann war ich zehn Tage in Quarantäne und konnte danach eigentlich wieder Sport machen. Aber ich war die ganze Zeit müde. Es hat nie aufgehört. Ich habe ganz normal weitertrainiert, war im Trainingslager, habe die Vorbereitung absolviert, war bei der U-20-WM, doch die Müdigkeit blieb. Ein Zehn-Sekunden-Shift hat sich angefühlt, als wäre ich schon eine Minute auf dem Eis. Das war der Horror für mich, denn ich wusste nicht, was abgeht. Ich habe weitergemacht, aber irgendwann musste ich ein Training auslassen, weil ich nicht mehr konnte. Ich brauchte eine Pause. Das war der Moment, wo ich zu mir selbst gesagt habe: Da stimmt was nicht.“

Was genau nicht stimmte, wurde dann in der Heimat diagnostiziert: eine Herzmuskelentzündung. „Ich wurde vom Medical Center angerufen. Sie haben gesagt, ich soll keinen Sport mehr machen. Wir haben über drei Wochen jeden Tag Tests gemacht. Jeden Tag gab es eine neue Diagnose. Meine Familie hat täglich das Schlechteste gehört. Es hieß: Wenn ich ein Spiel mehr gemacht hätte, dann hätte es zu Ende sein können. Es geht dir viel durch den Kopf, wenn du hörst, dass du fast gestorben wärst. Das war nicht leicht. Vor allem vor dem Schlafengehen hatte ich Angst, dass ich am nächsten Morgen nicht mehr aufwache. Es war schrecklich. Ich bin so froh, dass mich meine Familie und meine Freundin so gut unterstützt haben. Ich weiß nicht, was ich sonst gemacht hätte.“

Über fünf Monate konnte Rossi fast gar keinen Sport treiben. Ein Puls von 110 war die Obergrenze. „Ein Wert, den du schon im Treppenhaus erreichst“, sagt der 20-Jährige. Doch Rossi überstand diese Phase und legte danach eine „Jetzt erst recht“-Einstellung an den Tag: „Ganz der alte Marco bin ich nicht mehr – ich bin jetzt der bessere Marco“, betont Rossi. „Ich hatte so viel Erholung gehabt und dadurch Kraft und Energie getankt. Ich verstehe jetzt, warum die Profis immer sagen ‚Rest ist the Best‘. Das habe ich brutal gespürt. Ich bin viel hungriger, meine Ziele zu erreichen. Die Vorfreude ist umso größer. Vielleicht hat es genau so kommen müssen.“



„Der bessere Rossi“: Der Traum von der NHL lebt  

Mittlerweile ist Rossi zurück in den Twin Cities und seit letzter Woche im Haupt-Trainingcamp der Wild, wo es um nichts Geringeres als einen Platz im NHL-Kader geht. „Ich fühle mich da so wohl“, sagt Rossi. „Mit der Mannschaft, den Spielern, dem ganzen Vorstand und auch die Stadt gefällt mir sehr gut. Selbst beim Training sind Hunderte von Zuschauern. Man merkt enorm, dass großer Eishockey-Support da ist und dass hier sehr viele Eishockey-Verrückte sind.“

BILDBYRÅN/Icon SMI


Eine Sonderbehandlung erhält der Österreicher als Firstrounder nicht. „Nein gar nicht. Jeder wird in den gleichen Stoff geschnitten. Nur die besten Spieler kommen weiter. Das ist auch gut so: Jeder wird gleichbehandelt.“ 

Überzeugen möchte der 1,76 Meter große und 84 Kilogramm schwere Stürmer mit Marco-Rossi-Hockey, in dem viele Erfahrungen und Erlebnisse aus seiner filmreifen Geschichte einfließen: „Ich bin ein Spielmacher“, sagt der 20-Jährige. „Ich spiele mit sehr viel Hockey-IQ und Toughness. Mein Ziel ist, dass ich sehr gut in der Offensivzone, aber auch sehr gut in der Defensivzone spiele. Ich probiere jeden Zweikampf zu gewinnen und hasse es einfach, zu verlieren. Jedes Mal, wenn ich das Eis berühre, möchte ich alles gewinnen, jeden Zweikampf.“



Der kommende Star am österreichischen Eishockey-Himmel  

Mit diese Gesamtpaket ist Rossi nicht weniger als der neue Star am österreichischen Eishockey-Himmel. Spieler wie Thomas Vanek oder Michael Grabner spielen nicht mehr in der NHL, Michael Raffl (Dallas Stars) ist aktuell der einzige NHLer „made in Austria“. „Ich habe zu ihnen aufgeschaut und mich von allen inspirieren lassen“, sagt Rossi. „Ich habe mir immer gesagt: Ich komme auch aus Österreich, ich werde es auch schaffen. Sie waren meine Motivation.“

Dass nun ein ganzes Land auf Rossi schaut, bedeutet für ihn keinen schweren Rucksack: „Wir haben sehr gute Eishockeyspieler. Aus Österreich kommt kein Druck, den mache ich mir selbst, weil ich es unbedingt in die NHL-Mannschaft schaffen möchte.“ Dort spielen mit dem Deutschen Nico Sturm und dem Schweizer Kevin Fiala übrigens zwei andere deutschsprachige Kollegen. „Wir haben uns schon ein paar Mal ausgetauscht“, sagt Rossi.



„Sehr gute Chancen“ auf die NHL  

In den letzten Monaten haben die Minnesota Wild einen Verjüngungsprozess angestoßen, von dem auch Rossi sofort profitieren könnte. „Wir haben viele Rookies, die sich in jedem Training zeigen wollen. Jeder will sich beweisen und es schaffen. Ich habe ein Ziel - und das ist die NHL!“, betont Rossi, der optimistisch ist: „Die Chance ist sehr groß. Die Trainer haben das bestätigt. Sie sind sehr zufrieden mit mir momentan. Aber man muss sich den Platz verdienen und jeden Tag die maximale Leistung bringen. Ich habe ein sehr gutes Gefühl und bin extrem selbstbewusst. Jetzt muss ich beweisen, dass ich bereit bin. Dann steht nichts im Weg.“

BILDBYRÅN/Icon SMI


Das könnte Dich auch interessieren:
Dominik Kahun: Von der NHL in die Bärenhöhle
Dominik Kahun: Von der NHL in die Bärenhöhle
Dieser Artikel ist über:
NHL Feature Stories Minnesota Wild Ottawa 67's NHL OHL Marco Rossi Michael Rossi André Tourigny
Scoring Leaders