ICEHL

Greg Holst: Ein Kult-Trainer und sein legendäres Interview

Kaum ein Video hat im Eishockey einen solchen Kult-Faktor wie das hochemotionale Interview mit Greg Holst. Der 67-jährige Kanadier ist aber weit mehr als ein flammender Redner, sondern auch ein ehemaliger NHL-Spieler, Nationaltrainer und aktuell auch TV-Experte. Mit EliteProspects Rinkside sprach Holst über einen schmerzhaften Draft, zitternde Beine und natürlich seinen legendären Ausraster.



Vor 15 Jahren bog Greg Holst nach dem 4:5 n.P. seiner Villacher Adler bei den Vienna Capitals in den Arena-Katakomben ums Eck und stimmte einem Interview mit Premiere Austria zu. „Wen haben sie denn nominiert zu diesem sechsten Penaltyschuss“, fragt der Journalist. Es folgt eine rund einminütige Wutrede von Holst, in der alleine neunmal das F-Wort fällt. 




„Ohja!“, sagt Holst auch noch 15 Jahre später. „Ich kam vom Eis und es war eine Katastrophe. Ich hatte das nicht geplant, aber mein Herzschlag war bei 200! Ich war immer ein emotionaler und leidenschaftlicher Spieler. Das ist Teil meiner Personalität. Ich habe das aber nicht für mich, sondern für meine Spieler gemacht. Am Ende des Tages wollte ich mich vor meine Spieler stellen, für sie einspringen und sie beschützen.“

Und so wurde eines der kultigsten Interviews aller Zeiten geboren. „Meine Mutter ist jetzt 90 Jahre alt und sie hat ein T-Shirt auf dem ‚Fucking Absolut‘ steht“, lacht Holst. 


Der „Fucking-Komplett-Skandal“  

Doch was war passiert? „Es war ein wichtiges Spiel für beide. Wien musste gewinnen, um in die Playoffs zu kommen. Es gab viele Strafen. Am Ende ging es ins Penaltyschießen“, umreißt der damalige Villach-Trainer die Szene. „Die Refs wollten, dass wir einen sechsten Schützen bestimmen, falls sich einer verletzen würde.“ Eine Maßnahme, die im Regelwerk eigentlich nicht vorhergesehen war, denn nach dem fünften Penaltyschützen dürfen die Trainer im „Sudden Death“ frei wählen, wer als nächstes schießt. 

Holst gab fürs Protokoll also Günther Lanzinger an, schickte als sechsten Spieler aber freilich seinen besten Schützen: „Wen würde ich wohl nehmen? Dany Bousquet natürlich! Die ganze Welt wusste, dass Busquet schießen würde. Er war der Top-Scorer, ein großartiger Spieler und er wollte schießen. Ich habe also die Nummer 54 angegeben, er hat geschossen und getroffen. Doch die Schiedsrichter haben gesagt, dass es der falsche Spieler war und das Spiel somit entschieden ist. Was für ein Chaos!“

Der „fucking Komplett-Skandal“ oder die „Schande für das österreichische Eishockey“, wie es Holst im anschließenden Interview nannte, war perfekt. Villach musste später übrigens noch einmal die dreistündige Reise nach Wien antreten um eben diesen Penaltyschuss wiederholen zu lassen. „Lanzinger verschießt, und es war vorbei“, erinnert sich Holst an einen kuriosen Trip.


„Oh, ich hatte mal Haare“  

Nach seinem Ausraster wurde Holst übrigens für ein Spiel gesperrt und musste eine Geldstrafe bezahlen. Und trotzdem würde der Kult-Trainer auch heute wohl genauso reagieren. „Ich bin jetzt 67 Jahre alt und ruhiger geworden“, sagt Holst. „Trotzdem bleibt eine gewisse Anspannung. Die ist ein wichtiger Teil des Spiels. Sport ist Emotion. Die Fans ernähren sich davon, die Spieler auch. Aber ich mache das nicht für mich, sondern für meine Spieler.“

Auf den Videoclip wird Holst bis heute angesprochen. „Es ist lustig: Selbst in der Hockey-Schule kennen sie alle dieses Interview. Auch heute noch. Ich selbst muss lachen, wenn ich es sehe, und denke mir: Oh, ich hatte mal Haare! Aber es ist, was es ist: Ein Teil meines verrückten Hockey-Lebens…“


Schlimme Erinnerungen an den Draft 1974  

Dieses begann im eishockey-verrückten Montreal. „Ihr habt keine Vorstellung: In Montreal und überhaupt in Quebec ist Eishockey eine Religion. Du wirst damit geboren. Ich war schon mit drei, vier Jahren draußen auf dem Eis. Das ist Teil unseres Lebens: Wir haben die Skates angezogen, losgelegt und den ganzen Tag Hockey gespielt. Da waren keine Eltern und auch kein Druck dabei.“

Auf den Weihern entwickelte sich Holst zu einem Spieler, der in vielen Bereichen besser war als seine Kumpels und diese gerne narrte: Technisch anspruchsvolles Stickhandling und ein guter Schuss machten den damaligen Stürmer zu einem echten Torjäger. Es folgten erste Tryouts und Uni-Hockey. „So begann der ganze Bullshit“, sagt Holst mit einem Augenzwinkern. 

Dann allerdings lernte der 1,77 Meter große Linksschütze auch die unangenehmen Seiten des Profigeschäfts kennen. Beginnend mit dem NHL Draft 1974. „Das war eine der schlimmsten Erfahrungen in meinem Leben“, blickt Holst zurück und erklärt, warum: „Mir wurde gesagt, dass ich unter den Top-3-Picks landen würde. Um Himmels willen! Ich habe den Draft im Hotel verfolgt, wo die ersten fünf Runden abgehalten wurden. Es verging Runde um Runde und mein Name wurde einfach nicht genannt. Ich bin also wieder nach Hause geflogen, habe einen Whiskey getrunken und wollte eigentlich mit dem Hockey aufhören. Ich wusste, dass ich besser als alle diese Namen war, aber die anderen waren alle größer und stärker. Am nächsten Tag haben dann die New York Rangers angerufen und mir gesagt, dass sie mich in der 8. Runde an 139. Stelle gedraftet haben.“


Elf NHL-Spiele und zitternde Beine im Eck gegen Orr  

Holst war sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort: Die 70er Jahre waren geprägt von rohem Spiel. Nicht umsonst gewannen die brutalen „Broad Street Bullies“ der Philadelphia Flyers in Holsts Draft-Jahr 1974 den Stanley Cup. Somit waren physisch starke Zerstörer seiner Zeit gefragter als vergleichsweise kleine, technisch starke Scharfschützen wie Holst.

„Ich war also im Training Camp der Rangers, konnte stickhandeln und Tore schießen, doch niemand hat ein Wort zu mir gesagt. Einmal bin ich in einem Faustkampf geraten und habe mich ganz gut gehalten. Von da an haben mich alle beglückwünscht und auch mit mir geredet“, erinnert sich Holst. „Du brauchst nicht glauben, dass es fair ist, denn das ist es nicht. Du brauchst ein dickes Fell und musst mental stark sein. Es war kein Spaß da draußen, es gab viele Kämpfe und ich musste schnell sein, um nicht erwischt zu werden.“

Insgesamt lief Holst elfmal in der NHL für die Rangers auf, erzielte trotz seines Riechers aber kein Tor. „Es geht immer auch um Selbstvertrauen. Ich hatte durchaus Chancen, habe aber nichts getroffen. Das tut weh“, so Holst, der dennoch unvergessliche Erinnerungen sammelte: „Ich habe im Madison Square Garden gespielt. Das ist ein besonderer Ort. Dort zu skaten ist elektrisch und spannend. Es sind großartige Erinnerungen. Ich habe gegen Gordie HoweGuy LafleurStan Mikita gespielt. Einmal war ich in der Ecke in einem Zweikampf mit Bobby Orr. Ich habe von hinten die Buchstaben auf seinem Trikot gelesen. Meine Beine haben gezittert!“


16 Jahre Spieler in Österreich  

1978 traf Holst dann eine folgenschwere Entscheidung: Statt einen Zwei-Wege-Vertrag in der NHL zu unterschreiben, wechselte er nach Europa. „Finanziell war es in Europa besser. Natürlich fragt man sich hinterher: Was wäre gewesen, wenn ich geblieben wäre? Aber ich hätte hier so viel verpasst…“

In Deutschland zeigten Köln und Mannheim Interesse, doch Holst wechselte nach Österreich, wo er 16 (!) Karrierejahre verbrachte und auch als Torjäger wieder voll aufblühte. Die meiste Zeit in Innsbruck, am Ende aber auch in Villach, Graz und Wattens. „Ich dachte nicht, dass ich so lange da sein würde. Aber es ging immer weiter. Am Ende des Tages ist es auch ein Geschäft: Du musst den richtigen Weg finden, um erfolgreich zu sein.“


Der Trainer Holst: WM, Olympia und Verantwortung in Villach  

Nach seiner aktiven Karriere ging es zunächst zurück nach Kanada. In einer Hockey School in Kelowna (British Columbia) ging Holst die ersten Schritte in den Trainer-Beruf. Doch schon kurz darauf folgte er erneut dem Ruf aus Österreich: Holst trainierte die U 18 und U 20 sowie später auch die Herren-Nationalmannschaft, erlebte hinter der Bank viele Weltmeisterschaften und Olympische Spiele. „Ich bin gesegnet und ein glücklicher Mensch“, sagt Holst, der nach Olympia als Vereinstrainer beim Villacher SV durchstartete und mit den Adlern im Jahr 2006 die Meisterschaft feierte. 

Siegesjubel! Villach gewinnt die österreichische Meisterschaft, v.li.: Dany Bousquet, Trainer Greg Holst und Michael Stewart (Foto: BILDBYRÅN/Kuess)
Siegesjubel! Villach gewinnt die österreichische Meisterschaft, v.li.: Dany Bousquet, Trainer Greg Holst und Michael Stewart (Foto: BILDBYRÅN/Kuess)


„Es hat gepasst: Villach und die Fans waren unglaublich. Als ich gefeuert wurde, war es sehr hart. Es hat sich so angefühlt, als hätte ich meine Verantwortung für die ganze Stadt verloren. Wir waren eine Familie. Coaching ist mehr als nur Hockey-Übungen zu machen: Du musst dir den Arsch aufarbeiten und ehrlich sein. Du musst deine Spieler lieben - sie dich vielleicht nicht immer.“


Neuer Job als TV-Experte  

So verwunderte es nicht, dass Holst auch im legendären Interview im Jahr 2006 so emotional reagierte. Der 67-Jährige ist bis heute ein im positiven Sinne „Eishockey-Verrückter“. „Ich liebe das Spiel! Ich spiele und trainiere mit Leidenschaft. Ich versuche so zu leben und mache das auch jetzt im TV.“

Für „Puls 24“ ist der Kult-Coach als Experte im Einsatz und überträgt Spiele aus der NHL und ICE. „Ich brauche etwas zu tun und kann nicht Nichts tun. Für mich ist das jetzt der richtige Platz zur richtigen Zeit“, sagt Holst und zieht auch hier Parallelen zum besten Sport der Welt: „Du musst ein gutes Team haben. Anders macht es keinen Spaß. Wir haben hier eine gute Chemie, das spüren die Fans auch. Ich denke, ich sehe bestimmte Szenen als Spieler und als Coach und habe ein Gefühl für beide Seiten. Wenn ich auf dem Eis etwas sehe, dann weiß ich wie sich alle damit fühlen: Spieler, Trainer und Fans.“

Wie Holst als heutiger TV-Reporter auf einen Interview-Gast wie ihn vor 15 reagiert hätte? „Ich hätte es geliebt“, betont Holst. „Ich hätte heute gerne mehr Emotionen von Trainern.“ 


Zwei Söhne mit grundverschiedenem Charakter  

Bis heute wohnt Holst im österreichischen Villach. „Es ist fantastisch, deswegen lebe ich noch immer da.“ Seine beiden Kinder Michael Holst (35) und Taylor Holst (32) spielen ebenfalls Eishockey in Austria, sind von ihrem Charakter aber ganz wie die Mutter, Greg Holsts Ex-Frau Christina.

„Sie sind ganz ruhig, das glaubst du nicht. Sie sagen immer: ‚Entspanne dich, Dad‘“, lacht Greg Holst. „Sie sind absolut nicht wie ich, schauen aber zum Glück ein bisschen so aus, sonst müsste ich mir Gedanken machen.“



Das könnte Dich auch interessieren:
Hlinka Gretzky Cup – Ohne Kanada, dafür mit Deutschland
Hlinka Gretzky Cup – Ohne Kanada, dafür mit Deutschland
Dieser Artikel ist über:
Feature Stories New York Rangers Vienna Capitals Villacher SV ICEHL Dany Bousquet Greg Holst Michael Holst Taylor Holst Gordie Howe Guy Lafleur Günther Lanzinger Stan Mikita Bobby Orr Greg Holst
Scoring Leaders