DEL

Holzers Russland-Abenteuer: Drei Eisflächen, ein Wiedersehen und die Aura von Datsyuk

Korbinian Holzer hat die Saison 2020/21 in der KHL gespielt. Mit Eliteprospects Rinkside spricht der 33-jährige Verteidiger über das Abenteuer in Russland, die anstehende WM mit Deutschland und seine Zukunftspläne.



Holzer hat schon diverse Facetten des Eishockeysports miterlebt: In jungen Jahren spielte der Verteidiger in der DNL für Bad Tölz, in der DEL2 für die Tölzer Löwen und die Eisbären Regensburg sowie auch drei Jahre in der DEL für die DEG Metro Stars (heute: Düsseldorfer EG). Im NHL Draft 2006 wurde der Rechtsschütze in der 4. Runde an insgesamt 111. Stelle von den Toronto Maple Leafs ausgewählt und wagte ab 2010 den Sprung in die bevölkerungsreichste Stadt Kanadas.


Ontario, Kalifornien, Music City  

In den folgenden zehn Jahren stand Holzer bei drei NHL-Organisationen unter Vertrag: Nach den Maple Leafs (2010-2015) auch noch bei den Anaheim Ducks (2015-2020) und den Nashville Predators (2020). „Es ist schwierig zu sagen, wo es mir am besten gefallen hat“, blickt Holzer zurück. „Alle Städte waren irgendwie speziell und haben Spaß gemacht. In Toronto war es Original-Six-Team mit viel Tradition, alles in der Stadt hat sich um Eishockey gedreht. Das war als Einstieg eine super Erfahrung. In Anaheim war es in Kalifornien ein spezieller Lifestyle mit viel Sonne und man konnte in kurzer Hose zum Training. Und in Nashville war ich leider nur kurz. Es ist aber eine besondere Stadt mit einer speziellen Fanbase. Alle drei Klubs hatten ihre Vorteile.“

In diesen zehn Jahren musste Holzer aber auch erfahren, wie oft und wie schnell es zwischen NHL und AHL hin- und hergehen kann. 206-mal lief er in der NHL auf (6-21-27, 139 Strafminuten), 297-mal in der AHL (12-67-79, 334 Strafminuten) für die Farmteams Toronto Marlies und die San Diego Gulls. 

Winslow Townson-USA TODAY


„Es ist nicht ideal, aber solange du keine Familie hast, ist es überschaubar“, sagt Holzer über das Leben aus dem Koffer. „Mental ist es immer schwierig, denn manchmal konnte ich es nicht so ganz verstehen. Du musst das einfach akzeptieren. Wenn du das einmal verinnerlicht hast, kommst du gut zurecht. Der negative Aspekt ist, dass du immer auch Gefahr läufst, getradet zu werden und ganz woanders hingeschickt wirst. Das gehört aber zum Geschäft. Je weniger du dir einen Kopf darüber machst, desto besser fährst du. Ich würde trotzdem keine Erfahrung missen wollen.“

Waren die Wege innerhalb der jeweiligen Organisation noch recht kurz, waren sie bei insgesamt zwei Trades deutlich weiter: Von Toronto (Ontario) im Osten Kanadas ging es im Jahr 2015 quer über den Kontinent in den Südwesten der USA nach Anaheim. 2020 dann von der US-Westküste in die Südstaaten in die „Music City“ nach Nashville, Tennessee. 


Eine Liga, drei verschieden große Eisflächen  

Einen noch größeren, geographischen Sprung wagte Holzer dann in der Folgesaison. Statt in Nordamerika unterschrieb der Verteidiger bei Avtomobilist Yekaterinburg, östlich des Uralgebirges, in Russland. „Zu diesem Zeitpunkt war es aufgrund der Coronavirus-Pandemie schwierig zu sagen, wie es weitergeht und welche Ligen überhaupt starten würden. Auch in der DEL war es absolut unsicher, ob überhaupt gespielt wird. Die einzige Liga, die gesagt hat, dass sie auf jeden Fall spielt, war die KHL. Ich war mit den Predators aus den Playoffs ausgeschieden und offen für alles. Ein Angebot kam aus Yekaterinburg. Ich hatte mich informiert und mit ehemaligen Mitspielern gesprochen, die schon in der KHL gespielt haben. Es war die beste Lösung und eine super Erfahrung.“

Bei seinem neuen Klub traf Holzer auf einen alten Weggefährten aus der deutschen Nationalmannschaft: Brooks Macek. „Ich habe den Brooksy schon gekannt, und er hat mir bei der Eingewöhnung geholfen. Übrigens auch die anderen Importspieler. Wir haben viel zusammen gemacht und uns gegenseitig unterstützt.“

In einem neuen Land mit einer anderen Kultur, galt es auch die Sprachbarriere zu überwinden. „Die Sprache war bis zum Ende ein Hindernis, etwa beim Einkaufen oder im Restaurant, denn es gab nicht immer eine Speisekarte in Englisch. Die Leute waren aber sehr bemüht und wollten so gut es geht helfen, man konnte sich also trotzdem gut zurechtfinden. Es gibt ja auch technische Hilfsmittel, wenn gar nichts mehr vorwärtsgeht. In der Mannschaft konnten einige Jungs Russisch und Englisch, man konnte sich zur Verständigung also immer jemanden zu Hilfe nehmen. Mit Bill Peters hatten wir auch einen nordamerikanischen Trainer.“

Was die KHL von der NHL unterscheidet? „Ich denke schon, dass die KHL außerhalb der NHL die beste Liga ist. Es gibt viel Qualität und Unterschiede in der Spielweise. In der NHL spielen viele Teams ähnlich und geradlinig. In der KHL hast du Teams, die entweder auf Scheibenbesitz gehen oder schnelle, konterstarke Mannschaften oder nur defensivstarke Klubs. Die Varietät ist groß. Das gilt übrigens auch für die Eisflächen, die es in drei Größen gab: die kleine wie in der NHL, die große wie in der DEL und eine finnische Mittelgröße. Das macht es spannend.“


In der Kabine mit Datsyuk  

Auf einen Spieler mit einer Menge NHL-Erfahrung traf Holzer in Yekaterinburg mit Pavel Datsyuk. Der 42-jährige Kapitän hat eine lange Karriere bei den Detroit Red Wings hinter sich (953 Spiele, 314-604-918), ist hochdekoriert (zwei Stanley Cups, drei Selke Trophys, vier Lady Byng Trophys, Mitglied im Triple Gold Club) und einer der besten Zwei-Wege-Stürmer, die dieses Spiel je gespielt haben. „Er hat diese Ausstrahlung und Aura, wenn er aufs Eis geht. Da hat jeder Respekt. Wenn du mit ihm ins Eins-gegen-Eins gehst, kann immer was passieren. Diese Details, die er richtig macht, vor allem defensiv, das ist schon eine Augenweide, auch in seinem Alter“, so Holzer. „Es war eine Ehre für mich, mit ihm zu spielen. Ich konnte aus erster Hand sehen, was für ein Ausnahmespieler er ist.“

Insgesamt blickt Holzer positiv auf sein erstes KHL-Jahr zurück (25 Spiele, 1-3-4, 33 Strafminuten). „Es war eine super Erfahrung, ein schönes Abenteuer, es hat viel Spaß gemacht, ich habe viele nette Leute kennengelernt. Es war auch wirklich eine schöne Stadt. Alles war kompakt, man konnte viel zu Fuß gehen, kulinarisch super mit gutem Essen und aufgeschlossenen Leuten.“

Eine Rückkehr nach Yekaterinburg aber wird es für Holzer nicht geben. „Bei mir ist es so, dass ich mich anders orientieren werde. Ich habe zwei Kinder, meine große Tochter kommt jetzt in die Schule. Da ist schwer, so viel zu reisen.“


Kann die DEL Korbinian Holzer?  

Eine spannende Option ist deshalb die Rückkehr nach Deutschland. „Ja klar, auf jeden Fall“, sagt der gebürtige Münchner, der im Umland gebaut hat. „In der DEL sind die Entfernungen nicht so groß, da bist du überall schnell zu Hause.“ Am Freitag wurde offiziell, dass er sich den Adlern Mannheim anschließen wird.

Dass Holzer eine großartige Verstärkung für die DEL ist, steht außer Frage. Doch: Kann die DEL auch Holzer? Immerhin ist der 1,90 Meter große und 99 Kilogramm schwere Verteidiger für harte Checks und enorme Physis bekannt. Attribute, die die Schiedsrichter in der DEL eher missbilligen und mit vielen Strafzeiten ahnden.

„Wenn ich so weiterspielen würde, wie bisher, dann wird es schwer“, ahnt Holzer. „Ich werde meine Spielweise vielleicht ein wenig anpassen müssen, aber nicht grundsätzlich ändern: Ich will hart und an der Grenze spielen. Es gehören halt auch immer zwei Parteien dazu: Der Spieler mit der Scheibe hat auch eine Verantwortung, sich selbst zu schützen – und der Gegenspieler braucht auch eine gewisse Selbsteinschätzung.“


WM mit Deutschland  

Eine Demonstration von Holzers Wucht dürfte es bei der anstehenden Eishockey-WM in Lettland (21. Mai bis 6. Juni) geben, wo der Hüne die deutschen Farben vertreten wird. „Es ist immer speziell und eine Ehre bei der Nationalmannschaft zu sein“, freut sich Holzer, der viel mit der DEB-Auswahl vorhat: „Wir wollen unseren Platz unter den Top 8 festigen und auch die Top 6 angreifen. Unser Minimalziel sollte das Viertelfinale sein.“

In einer Gruppe mit Kanada, Finnland, den USA, Lettland, Norwegen, Italien und Kasachstan soll es also mindestens Rang vier werden. „Es ist eine schwere Gruppe. Lettland, Norwegen, Italien und Kasachstan müssen wir schlagen, wenn wir ins Viertelfinale wollen. Das ist unser Anspruch. Trotzdem wird es brutal schwer. Es gibt keinen Absteiger, also ist der Druck bei diesen Teams weg und sie können befreiter aufspielen. Vielleicht erwartet uns da die eine oder andere harte Nuss. Trotzdem können wir auch gegen die Großen immer mal für eine Überraschung sorgen. Da können wir schon mitspielen.“

Warum Deutschland eine erfolgreiche WM gelingen wird? „Kampf und Wille sind in der deutschen Nationalmannschaft immer gegeben. Jetzt kommt aber noch ein spielerisches Element hinzu“, erklärt Holzer. „Offensiv haben wir gute Ansätze, wir spielen viel ruhiger und direkter im Aufbau und finden spielerische Lösungen. Wir sind gut aufgestellt und können auch kreatives Eishockey spielen.“



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