Top-Scorer Marco Pfleger: Fluch und Segen der „Leck-mich-am-Arsch-Einstellung“
Marco Pfleger galt als eines der größten deutschen Eishockey-Talente. Nach sechs Saisons in der DEL aber ging der heute 29-jährige Stürmer einen Schritt zurück, um in der DEL2 Top-Scorer zu werden. Seinen Traum hat Pfleger noch nicht aufgegeben.
Marco Pfleger wurde in Peißenberg geboren, einer 12.500-Einwohner-Gemeinde südwestlich von München, zwischen Kaufbeuren und Bad Tölz. Ausgebildet wurde der Stürmer beim TSV Peißenberg und den Tölzer Löwen, ehe er in der Saison 2013/14 den Sprung aus der Oberliga in die DEL wagte. In den folgenden fünf Jahren trug Pfleger 221-mal das Trikot der Nürnberg Ice Tigers und spielte fünfmal in den Playoffs. Der ultimative Durchbruch aber gelang ihm dabei nicht.
„Ich will nicht schimpfen oder es darauf schieben, dass ich mehr Pech hatte. Am Ende war es ein Komplettpaket aus Glück und harter Arbeit, das leider nicht gereicht hat. Vielleicht war es eine schwerwiegende Verletzung zu einem blöden Zeitpunkt. Vielleicht hat auch die Selbstdisziplin gefehlt“, blickt Pfleger im Gespräch mit Eliteprospects Rinkside schonungslos ehrlich zurück. „Mir ist so eine Leck-mich-am-Arsch-Einstellung im Weg gestanden. Das war positiv und negativ zugleich: Auf der einen Seite hatte ich weniger Angst, einen Fehler zu machen, was für meinen Spielertyp von Vorteil war, denn ich habe dadurch Pässe gespielt, die ein anderer nicht gespielt hätte. Auf der anderen Seite hatte ich manchmal wohl nicht den 100-prozentigen Drang, hätte den einen oder anderen Check mehr fahren können.“
(K)Ein Schritt zurück
Als sein Vertrag in Nürnberg nicht verlängert wurde, versuchte es Pfleger bei den Straubing Tigers. Doch auch am Pulverturm konnte der Stürmer sein Talent nicht vollends entfalten. Nach 52 Spielen (neun Tore, sechs Assists) beendete der der Rechtsschütze das Kapitel DEL und heuerte nahe seiner Heimat bei seinem Ex-Verein Tölzer Löwen an.
„Wieder nach Hause zu kommen war eine Herzensangelegenheit, weil ich dem Verein und den Menschen, die mir viel beigebracht hatten, etwas zurückgeben wollte“, so Pfleger, der dies in Form von Scorerpunkten auch eindrucksvoll tat: In seinem ersten Jahr zurück an alter Wirkungsstätte sammelte er 69 Punkte (31 Tore, 38 Assists) in 52 Spielen, in seiner zweiten Saison gar 86 Punkte (27 Tore, 59 Assists) in 50 Spielen, was ihm den Top-Scorer-Titel in der DEL2 einbrachte.
„Ich hatte gute Mitspieler in einer unglaublich guten Reihe mit Max French und Reid Gardiner. Das ist wahrscheinlich die beste Sturmreihe der Liga. Ich musste nur gute Pässe spielen, sie haben diese verwertet. Das zeugt auch von einer geschlossenen Mannschaftsleistung. Hätte ich nicht so gute Nebenleute, wäre ich nicht Top-Scorer geworden. Darauf kann also die ganze Mannschaft stolz sein.“
BILDBYRÅN/Kessler-Sportfotografie
Die individuellen Titel „Spieler des Jahres“ und „Stürmer des Jahres“ gingen allerdings nicht an Pfleger, sondern an Mitspieler French (42 Tore, 34 Assists, 76 Scorerpunkte). „Ich gönne es ihm natürlich“, sagt Pfleger. „Nachdem er den Torrekord in der DEL2 gebrochen hat, hat er es sich auch verdient. Ich hätte mich auch über eine solche Auszeichnung gefreut, war mit 59 Vorlagen auch ein wichtiger Bestandteil. Für mich ist aber auch der Titel des Top-Scorers wichtig. Es zeigt mir, dass ich spielerisch auf einem Niveau bin, um mit Top-Spielern mithalten zu können.“
Genau das war es eigentlich auch, was den 1,85 Meter großen und 86 Kilogramm schweren Angreifer angetrieben hatte: „Mit dem Schritt eine Liga tiefer zu gehen, wollte ich mir selbst den Druck geben, dass ich dort einer der Besten bin. Ich wollte es meinen Kritikern zeigen, dass ich eine wichtige Rolle spielen kann und auch noch in der DEL spielen könnte.“
Gespräche mit Nürnberg, Vertrag in Landshut
Genau dieses Ziel hat der 29-Jährige noch nicht zu den Akten gelegt. In den letzten Wochen stellte er sich selbst bei verschiedenen DEL-Klubs vor. Die intensivsten Gespräche hatte er mit seinem Ex-Verein, den Nürnberg Ice Tigers.
„Ich bin seit zwei Jahren mein eigener Spielervermittler und habe etliche Gespräche geführt. Auch mit dem Wolfi (Ice-Tigers-Geschäftsführer Wolfang Gastner, d. Red.). Wir kennen uns gut, die Gespräche waren super und ehrlich. Er weiß, wie gern ich in Nürnberg war und dass das meine zweite Heimat ist. Ich hätte diese Herausforderung gerne angenommen und habe gesagt, dass ich mich auch als Mensch und Person weiterentwickelt habe. Ich bin weiterhin ein Thema, aber er konnte mir nichts Festes zusagen. Also musste ich mich anders orientieren.“
Auch, weil sein Vertrag in Bad Tölz, wo der Hauptsponsor abgesprungen war, überraschenderweise nicht verlängert wurde. „Ich habe von Tölz kein Angebot bekommen. Ich hätte gerne Gespräche geführt, und wir hätten sicher eine Lösung gefunden, aber mir wurde von vornherein gesagt, dass das nix wird. Ich musste ihnen also schweren Herzens den Rücken kehren und mich anderweitig umschauen.“
Am Ende schlug der EV Landshut zu, der um Pfleger herum eine Mannschaft aufbauen möchte. Seine Stärken sieht Pfleger „ganz klar in der Spielübersicht und Spielintelligenz“: „Ich bin eher der Typ, der lieber einen schönen Pass spielt, als selbst abzuschließen. Ich war schon immer eher der Spielmacher und setzte meine Mitspieler gerne in Szene. Ich bringe auch den jungen Spielern gerne etwas bei und möchte mein Wissen an den Nachwuchs weitergeben.“
Genau diese Eigenschaften würde eigentlich auch gut in das Jugendkonzept der Ice Tigers passen. „Ich verfolge Nürnberg immer, egal ob bei den Spielen im Fernsehen oder über die Social-Media-Kanäle. Der Kontakt ist nie abgerissen. Das Konzept, das sie fahren, ist gut und überzeugend. Wenn sich einmal eine Rückkehr ergeben könnte, wäre ich sehr dankbar und froh“, sagt Pfleger, der den Traum von der DEL noch nicht aufgegeben hat. „Ein Sportsmann versucht immer, in der 1. Liga zu spielen. Die DEL ist nach wie vor ein Ziel, auf das ich schiele. Ich will wieder mein Bestes geben, mich in Landshut in den Vordergrund spielen und dann werden wir sehen, was rauskommt.“
Zum Abschied ein Titel mit Tölz?
Zunächst aber stehen noch Playoffs mit den Tölzer Löwen an, die in der 1. Runde auf die Ravensburg Towerstars treffen. „Wir brauchen uns als Zweiter der Hauptrunde nicht verstecken“, betont Pfleger, der sich mit einem Titel verabschieden möchte: „Playoffs haben ihre eigenen Gesetze. Wir wollen von Anfang an Vollgas geben und wissen, dass wir gut sind. Für uns spricht, dass wir ein eingeschworener Haufen sind, der so nie wieder zusammenkommen wird.“