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Philipp Grubauer: „Ich habe nicht verlernt, wie man Eishockey spielt“

Hinter dem deutschen Torwart Philipp Grubauer liegt eine durchwachsene Saison beim Liga-Neuling Seattle Kraken. Mit Elite Prospects Rinkside sprach der 30-jährige Rosenheimer über seine Statistiken, den Standort Seattle und was sich bei den Kraken ändern muss.



Die Debüt-Saison der Seattle Kraken ist in den Geschichtsbüchern. Die 32. NHL-Franchise entfachte eine Menge Euphorie, schloss aber mit einer 27-49-6-Bilanz als Schlusslicht der Pacific Division ab und landete ligaweit nur auf Rang 30. 

„Sehr durchwachsen“, bezeichnet auch Goalie Philipp Grubauer das erste Jahr in Seattle. „Einerseits hat es natürlich unglaublich viel Spaß gemacht, ein Teil eines neuen Vereins zu sein. Was der Klub da aufzieht in der Arena mit den Fans war überragend. Sportlich war es eher wild und ausbaufähig für das nächste Jahr.“

Philipp Grubauer im Trikot der Seattle Kraken

Philipp Grubauer im Trikot der Seattle Kraken (Gary A. Vasquez-USA TODAY Sports)


Der Rosenheimer wechselte im Sommer als einer der drei besten Goalies der Liga (Finalist für die Vezina Trophy mit 30 Siegen, 1,95 Gegentoren/Spiel, 92,2 Prozent Fangquote und sieben Shutouts) zu den Kraken. Jedoch litten auch seine Statistiken an der neuen Wirkungsstätte: In 55 Spielen und 54 Starts kam Grubauer auf 18 Siege, 3,16 Gegentore/Spiel, 88,9 Prozent Fangquote und zwei Shutouts. 

„Ich habe über den Sommer ja nichts verlernt oder vergessen, wie man Eishockey spielt“, betont Grubauer und erklärt: „Die Torhüter-Statistiken sind immer auch ein Spiegelbild dessen, wie die gesamte Mannschaft spielt. Meine Zahlen aus dem letzten Jahr wären ohne meine Mitspieler nicht so gewesen. Jetzt waren wir in vielen Statistiken weit hinten, das spiegeln auch meine Zahlen wider. Eishockey ist immer ein Teamsport. Wir müssen alle Gas geben, dass es besser wird und wir mehr Punkte holen.“


Schwierigkeiten nach dem Expansion Draft  

Verglichen mit den Vegas Golden Knights, die in ihrem Premierenjahr direkt ins Stanley Cup Finale vordrangen, war das Abschneiden der Kraken freilich enttäuschend. Dabei vergisst man allerdings auch, dass ein solcher Start für ein Expansion Team eigentlich ganz normal ist. „Man muss nur die Spieler vergleichen, die Vegas damals gezogen hat und welche wir gezogen haben. Da waren Jungs dabei, die haben noch keine volle NHL-Saison gespielt oder weniger als 100 Spiele in der Vita. Bei uns sind sie sofort in Führungsrollen oder in die Powerplay-Formationen gerückt. Sich an diese Rollen zu gewöhnen, braucht Zeit“, erklärt Grubauer.

Die Seattle Kraken wählten im Expansion-Draft ein junges Team aus, so auch Morgan Geekie (re.)

Die Seattle Kraken wählten im Expansion-Draft ein junges Team aus, so auch Morgan Geekie (re.) (Steven Bisig-USA TODAY Sports)



Nicht förderlich war auch die Coronavirus-Pandemie. „Mit Covid war es natürlich schwierig, denn durch die Corona-Auflagen war es schwer mit den bekannten Teambuilding-Maßnahmen. Wir haben nicht viel machen dürfen. Nach dem Training musste jeder nach Hause. Andere waren wegen einer Infektion gleich zwei, drei Wochen komplett isoliert. Viele Spieler waren also zurückhaltend, um etwas zu unternehmen“, blickt Grubauer zurück. Der Findungsprozess dauerte bei den Kraken also ein wenig länger, immerhin musste ein komplett neues Team zusammenwachsen. „Wir hatten uns erst nach der Weihnachtspause besser aneinander gewöhnt. Es hat sich gezeigt: Wir sind eine junge Truppe, die fast immer gemeinsam etwas unternimmt. Das ist interessant, weil in anderen Teams, in denen ich gespielt habe, waren die Russen oder Schweden immer unter sich, da hat es sich nicht so angefühlt wie in einer Mannschaft. Hier macht jeder was mit jedem. Alle ziehen voll mit.“


Es gibt viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. 

Während Grubauer bei den Avs das Tor einer offensivstarken Mannschaft hütete, war der Plan bei den Kraken, eher defensives Hockey zu spielen. Und tatsächlich ließ Seattle die viertwenigsten gegnerischen Torschüsse pro Spiel zu (28,9). Der Schuh aber drückte vorne: 29,0 Torschüsse/Spiel bedeuten den viertschlechtesten Wert, 2,6 erzielte Tore/Spiel den viertschlechtesten Angriff. „Ich glaube, es gab mehrere Probleme. Es geht nicht darum, ob man mehr Tore schießt oder besser defensiv steht. Wenn wir besser verteidigen, dann haben wir vorne weniger Druck. Wenn wir besser in der Offensive spielen, müssen wir weniger verteidigen. Es gibt also viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Dazu zählen auch das Powerplay und das Penalty Killing. Am Ende sind es viele kleine Sachen, die einen großen Einfluss auf das Spiel haben.“

Mitten im Gewühl: Philipp Grubauer im vollen Einsatz der neuen NHL-Franchise

Mitten im Gewühl: Philipp Grubauer im vollen Einsatz der neuen NHL-Franchise (Joe Nicholson-USA TODAY Sports)



Entsprechend dürfte im Sommer auch bei den Kraken einiges passieren. „Ich glaube, dass uns ein Offensivverteidiger gut zu Gesicht stehen würde. Einen Nummer-1-Center könnten wir auch brauchen“, zählt Grubauer auf. „Es liegt jetzt in der Hand des General Managers, welche Free Agents unterschreiben werden. Es dürfte interessant werden, wer im Sommer auf den Markt kommt.“


Seattle und die Kraken: Eine Attraktion für die Liga  

Für Graubauer war der Wechsel nach Seattle bereits der zweite Umzug in der NHL: Der 30-Jährige debütierte in der Saison 2012/13 für die Washington Capitals, mit denen er 2018 den Stanley Cup gewann und wechselte danach für drei Jahre zu den Colorado Avalanche. „An das gewöhnt man sich irgendwann, natürlich hast du als Sportler aber auch überall Freundschaften geschlossen, was es manchmal auch nicht ganz einfach macht, wenn du in eine neue Stadt kommst“, sagt Grubauer.

Philipp Grubauer gewann mit den Washington Capitals 2018 den Stanley Cup

Philipp Grubauer gewann mit den Washington Capitals 2018 den Stanley Cup (Christian Rupp/Privat)




„Ich war schon vor dem Wechsel zu den Colorado Avalanche schon ein paarmal mit den Capitals dort, hatte also die Stadt und die Arena schon gesehen. In Seattle war ich dagegen noch nie und kannte nichts und niemanden. Es war ein Ritt ins Ungewisse. Am Ende des Tages ist man aber doch Profi und hat sich schnell umgewöhnt.“


Seattle ist vergleichbar mit Rosenheim. 

Zumal Seattle auch als Stadt viel zu bieten hat. „Warst du schonmal da? Ich muss ehrlich sagen: Es kommt mir hier so vor wie am Gardasee. Alles ist sehr grün, überall gibt es Wasser links und rechts. Seattle ist eine extrem schöne Stadt, es regnet viel, aber es ist ein angenehmes Klima und es macht Spaß, hier zu wohnen. Es ist vergleichbar mit Rosenheim, denn auch hier gibt es Berge. Es ist überragend, denn es gibt viele Attraktionen und gutes Seafood.“

Tapetenwechsel: Philipp Grubauer ist auch privat in seiner neuen Heimat angekommen.

Tapetenwechsel: Philipp Grubauer findet in seiner neuen Heimat Ähnlichkeiten zu Rosenheim. (Sergei Belski-USA TODAY Sports)



Dabei sind die Kraken selbst eine der Attraktionen und haben als Organisation Spuren in der Liga hinterlassen: „Seattle ist Eishockey-fanatisch: Bevor überhaupt das erste NHL-Spiel gespielt wurde, waren schon zehn oder zwölf Tausend Dauerkarten innerhalb von 30 Minuten verkauft. Es gab einen extremen Hype in der City. Die Fans haben uns das ganze Jahr unterstützt und waren überragend. Auch im Stadion bekommst du was geboten. Mit der Atmosphäre und dem ganzen drum herum haben wir hier so viel mehr zu bieten als viele andere Arenen“, berichtet Grubauer.

Die Climate Pledge Arena ist die Heimat der Seattle Kraken

Die Climate Pledge Arena ist die Heimat der Seattle Kraken (Steven Bisig-USA TODAY Sports)




Gutes Verhältnis zu Driedger  

Der 1,85 Meter große und 85 Kilogramm schwere Linksfänger erhielt bei den Kraken zwei Drittel der Starts, musste als einer der weniger Routiniers eine Menge Verantwortung schultern und bestach einmal mehr mit seiner Ruhe und Athletik. „Ich würde sagen, dass die Ruhe meine Lebenseinstellung ist. Im Leben passieren so viele Dinge, die du nicht kontrollieren kannst, das ist im Eishockey nicht anders. Wenn du als Torwart rumhüpfst und nervös wirkst, dann wirkt sich auch negativ auf die Mannschaft aus. Was du beeinflussen kannst, ist, jeden Tag hart zu arbeiten. Selbst wenn du Fehler machst, kannst du daraus etwas Positives ziehen und dich verbessern. An der Athletik arbeite ich täglich. Egal ob im Kraftraum oder mit bestimmten Übungen oder Hand-Augen-Koordination. Das gehört bei einem Torwart einfach dazu.“


Ruhe ist meine Lebenseinstellung. 

Grubauers Konkurrent für den Platz zwischen den Pfosten ist Chris Driedger, zu dem er ein „überragendes“ Verhältnis hat: „Wir sind Mannschaftskollegen und Freunde. Es ist sogar so gut, dass wir ab und zu mal auf ein alkoholfreies Getränk gehen. Chris ist ein klasse Typ, eine überragende Person und Freund. Ich finde, er ist noch ein bisschen ruhiger als ich, sieht viele Dinge noch ein bisschen lockerer. Ich bin da eher strikt in meiner Routine und vertraue auf meine Stärken. Ich denke, wir ergänzen uns ganz gut.“


Heimatbesuch in Rosenheim

Erstmals überhaupt verpasste Grubauer die Stanley Cup Playoffs. Dafür darf sich die deutsche Nationalmannschaft auf einen Stanley Cup Champion als Verstärkung für die anstehende WM freuen. „Natürlich wäre es schön gewesen, mit Seattle in die Playoffs zu kommen. Das können wir jetzt aber nicht mehr ändern“, so Grubauer, der jetzt seinen beiden Ex-Klubs die Daumen drückt: „Wenn wir den Stanley Cup schon nicht gewinnen können, dann bitte Colorado oder Washington. Ich weiß gar nicht, ob ich mir die Playoffs anschauen werde. Ich bin ja mit der Nationalmannschaft unterwegs und fokussiere mich darauf. Prinzipiell schaue ich eigentlich kaum Eishockey-Spiele in meiner Freizeit, ich habe ja das ganze Jahr über in 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche mit Eishockey zu tun, also mache ich dann den Fernseher aus.“

Philipp Grubauer wird bei der WM in Finnland für die deutsche Nationalmannschaft auflaufen, wie hier bei der WM 2017 in Köln

Philipp Grubauer wird bei der WM in Finnland für die deutsche Nationalmannschaft auflaufen, wie hier bei der WM 2017 in Köln (BILDBYRÅN/Sven Simon)



Nach der WM schaut der deutsche Torwart in der Heimat vorbei. „Ich werde für zwei, drei Wochen daheim in Rosenheim Servus sagen. Im Juli geht’s dann schon wieder zurück nach Seattle. Wir sind vor ein paar Wochen erst in ein neues Haus gezogen, es stehen also noch viele Umzugskartons herum. Wir werden also noch mit Auspacken beschäftigt sein. Das wird der Plan für den Sommer sein: in Seattle ankommen.“

Mit den Kraken hat Grubauer für die neue Saison 2022/23 dann viel vor: „Mit der letzten Saison sind wir nicht zufrieden. Unser Ziel wird sein, im nächsten Jahr die Playoffs zu erreichen!“



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