Mit viel Liebe zum Pass: Spielmacher Taro Jentzsch träumt von der NHL
Kaum ein anderer junger deutscher Spieler konnte in der DEL-Saison 2020/21 so auf sich aufmerksam machen wie Taro Jentzsch von den Iserlohn Roosters. Der 20-jährige Stürmer fiel mit seiner Technik, seinem Spielwitz und seinem Scoringtouch auf. Mit EliteProspects Rinkside sprach er über seine Herausforderungen in der QMJHL, seine Zeit bei den Vegas Golden Knights und seinen Traum von der NHL.
In der Sommerpause haben die Roosters mit der Verpflichtung von Jentzsch einen Volltreffer gelandet: In seinem ersten Profi-Jahr überzeugt der gebürtige Berliner mit einer Ausbeute von drei Toren, zwölf Assists und 15 Scorerpunkten wie kaum ein anderer junger deutscher Spieler. „Am Anfang hatte ich ein wenig Angst vor dem, was mich im Vergleich zu den letzten Jahren erwarten würde, immerhin ging es jetzt gegen Erwachsene. Ich wusste auch nicht, welche Rolle ich spielen würde. Bislang bin ich gut ins Team eingebunden, das war mein erstes Ziel“, so Jentzsch.
Jentzsch: „Ich versuche eher zu zocken“
Dabei erwies sich der 1,88 Meter große Rechtsschütze als ein Spielertyp, wie er nur selten vorkommt: Jentzsch ist technisch stark, kontrolliert den Puck schnell wie sicher und hat das Auge für seine Mitspieler. „Ich bin eher der Spielmacher“, charakterisiert Jentzsch seinen Spielstil. „Ich bin ein Spieler, der viel Spielwitz aufs Eis bringt. Ich liebe es, einen schönen Pass zum Tor zu geben. Ich würde sagen, dass ich an der Scheibe sehr stark bin und versuche, auch mal Gegner aussteigen zu lassen. Beim Eins-gegen-Eins mit dem Goalie versuche ich eher zu zocken, als zu schießen.“
In Iserlohn spielte Jentzsch zuletzt als Center in einer Reihe mit den erfahrenen Flügeln Brent Raedeke (30) und Brent Aubin (34). Eine perfekte Ergänzung, wie der 20-Jährige findet: „Wir haben auf jeden Fall viel Offensivkraft. Aubi ist ein sehr guter Torjäger. Ich liebe es, mit ihm zusammenzuspielen. Er ist sowohl ein Spielmacher als auch ein Sniper. Raedeke ist dagegen ein harter Arbeiter. Wir helfen uns in allen Lagen, ein gutes Verständnis und können alle Tore schießen.“
Auch im Powerplay sind Jentzschs Offensivfähigkeiten gefragt. „Die Trainer vertrauen mir“, sagt er. „Es ist eine Riesenehre, dass ich so eine Rolle übernehmen darf, die eigentlich auch ein älterer Spieler verdient hätte. Die Trainer helfen uns jüngeren Spielern, zeigen uns viele Videos und die Fehler auf. So muss ich zum Beispiel mehr mit dem Schläger arbeiten und schlauer sein, um die Scheibe wegzubekommen.“
Problemzone Physis
Die größte Baustelle des 75 Kilogramm leichten Angreifers aber ist die Physis, Stabilität und Balance. „Ich bin sehr selbstkritisch“, sagt Jentzsch. „Damit habe ich manchmal noch Probleme im Spiel. Daran muss ich arbeiten. Ich muss noch Gewicht drauflegen, damit ich es einfacher habe, insbesondere in den Ecken.“
Jentzsch im Zweikampf mit Landon Ferraro Bildbyran/Eibner
Beim Umstieg von Junioren- auf Männer-Eishockey wurde Jentzsch nicht geschont. „Es gab ein paar Spiele, in denen ich einstecken musste. Wenn man in den Ecken ist, dann gibt es keine Freunde. Egal wie alt man ist. Vor allem gegen die Eisbären Berlin habe ich gemerkt, dass sie keinen Schritt zurückgehen. Ältere Spieler haben mehr Erfahrung und sind kräftiger. Sie wissen, was man machen muss und wie man sich in den Zweikämpfen verhält.“
Ausbildung in Berlin, Salzburg und der QMJHL
Ausgebildet wurde Jentzsch in seiner Heimat Berlin, die meiste Zeit bei den Jungeisbären, wo er auch zum Junioren-Nationalspieler wurde. Danach folgte an der RB Hockey Akademie in Salzburg der nächste Feinschliff. „Es waren nur gute Erfahrungen: Es ist eine Top-Akademie, an der du alles machen kannst, was du dir vorstellen kannst. Es wird an jeder Kleinigkeit gefeilt, auch wenn du nicht auf dem Eis stehst. Dann geht es in die Skating Area, wo du auch ohne Eis deine Skating-Technik verbessern kannst. Ich habe dort viel Spielpraxis bekommen, was sehr wichtig ist.“
Im Alter von 18 Jahren wagte Jentzsch dann den Sprung in die kanadische Top-Juniorenliga CHL. Doch landete er nicht in der WHL oder OHL, sondern in der QMJHL bei den Sherbrooke Phoenix. Diese gilt gerade für ausländische Spieler als besonders schweres Pflaster, immerhin gilt es dort auch eine Sprachbarriere zu überwinden: In Quebec wird überwiegend französisch gesprochen.
„Am Anfang war es komisch: Du kommst in die Kabine und alle sprechen Französisch“, erinnert sich Jentzsch, der dort auch seinen Spitznamen TJ erhielt. „Einer hat meinen Nachnamen gelesen und konnte ihn nicht aussprechen, also fragte er mich, ob er nicht TJ sagen kann“, lacht Jentzsch, der es schaffte, die Sprachbarriere zu überwinden: „Wenn alle in der Kabine Französisch reden, dann musst du es lernen, auch wenn es schwer ist, denn du willst deine Mitspieler auch verstehen. Das war eine große Herausforderung für mich. Sprechen ist für mich immer noch schwer – verstanden habe ich aber alles. Die Jungs konnten zwar auch Englisch, also konnte ich mich auch unterhalten, aber wenn du unterwegs bist, dann wurde auf den einzigen Ausländer keine Rücksicht genommen. Ich habe dann einfach auf Englisch geantwortet, das war nicht so schlimm.“
Auf dem Eis schien das Jentzsch jedenfalls nicht zu bremsen: Der Mittelstürmer lieferte zuverlässig ab, sammelte in seiner ersten Saison 42 (18 Tore, 24 Assists) und in seiner zweiten 41 Scorerpunkte (19 Tore, 22 Assists). „Das waren die besten zwei Jahre meines Lebens“, erinnert sich Jentzsch gerne an die Zeit in der QMJHL zurück. „Die Kultur in Kanada hat mich fasziniert. Schon mit sechs, sieben Jahren wollte ich immer dort spielen. Ich habe als Kind die Ottawa 67ers spielen sehen und habe zu meinem Vater gesagt, dass ich da unbedingt spielen möchte. Du bist ein junger Typ, aber sie sehen dich dort schon wie einen Profi. Du hast dort einen höheren Stellenwert als in der DNL. Ich kann nur Positives sagen und jedem jungen Spieler empfehlen, diesen Schritt zu wagen.“
Einladung von den Golden Knights
Jentzsch meisterte dieses Abenteuer und weckte sogar das Interesse von NHL-Klubs. Die Vegas Golden Knights wurden auf das deutsche Talent aufmerksam und luden es 2019 in ihr Development Camp ein. „Ich habe eine Einladung bekommen. Dort waren alle Spieler, die gedraftet wurden und auch nicht-gedraftete Free Agents wie ich. Du hast eine Woche Trainingslager mit Tests, Trainings und Spielen. Wir hatten vier Teams, haben Videoanalysen gemacht. Das Feedback war eigentlich sehr gut: Sie haben gesagt, dass ich mich gut präsentiert und über den Erwartungen gespielt habe, aber dass ich ein Spieler bin, der noch ein, zwei Jahre braucht. Das ist nicht schlimm, deshalb sollte keiner sein Ziel aufgeben. Man kann es immer schaffen, egal, ob man erst 24 oder 25 Jahre alt ist.
Jentzsch im Trikot der Vegas Golden Knights Brandon Andreasen
Das beste aktuelle Beispiel dafür ist Dominik Kahun der sich über dreieinhalb Jahre in der DEL in den Fokus gespielt und dann als ungedrafteter Spieler im Jahr 2018 in die NHL gewechselt war. „Kahun habe ich schon früher immer zugeguckt, er ist ein gutes Beispiel“, findet auch Jentzsch. „Man sollte sein Ziel nie aufgeben. Ich versuche, mich hier durchzusetzen, will mich präsentieren und vor allem auch dem Team helfen. Dann wird man sehen, was rauskommt.“
Der Kontakt zu den Golden Knights wurde jedenfalls gehalten. „Sie haben bei den Spielen der U-20-WM zugeschaut. Man trifft die Leute und redet“, verrät Jentzsch. „Jetzt aktuell ist der Kontakt nicht so eng, aber das kann noch kommen.“
Sein Lieblingsteam in der NHL ist übrigens nicht Vegas, sondern die Toronto Maple Leafs. „Schon seit ich acht Jahre alt bin. Ich habe mit meinem Bruder auf der Konsole gespielt und immer Toronto genommen. Mein Lieblingsspieler war Phil Kessel.“ Aktuell schaut sich Jentzsch auch viel vom doppelten MVP und letztjährigen Top-Scorer Leon Draisaitl (Edmonton Oilers) ab: „Man versucht sich Sachen abzuschauen. Er ist das beste Vorbild für jeden Spieler. Er hat eine brutale Übersicht und einen brutalen Abschluss. So will ich auch spielen. Seine Pässe sind wunderschön anzugucken.“
IEC-Trainer Tapper: „Ich liebe, was er in der Offensivzone tut“
Erstaunlich ähnlich spricht Iserlohns Trainer Brad Tapper übrigens von Jentzsch: „Er ist ein hochbegabter Spieler. Ich liebe, was er in der Offensivzone tut. Seine Stärke ist das Puck-Management. Er weiß, was er mit der Scheibe machen muss, kann den Puck auch gut abschirmen und hat eine gute Übersicht. Er hat auch einen Wahnsinns-Schuss, weshalb er auch im Powerplay spielt. Ich wünschte, er würde dort noch mehr schießen.“
Auch Tapper weiß, woran Jentzsch noch arbeiten muss: „Er muss noch breiter und stärker werden. Das weiß er auch und arbeitet mit unseren Athletiktrainer hart daran, egal ob neben dem Eis oder in der Sommerpause. Er muss sich auch in der Defensivzone noch steigern und die Eins-gegen-Eins-Duell gewinnen.“
Ob es das Roosters-Talent noch in die NHL schaffen kann? „Das glaube ich, ja“, so Tapper und schickt die Begründung hinterher: „Er hat das Talent, er hat die Mentalität und er hat die Einstellung: Er arbeitet die ganze Zeit hart und liebt es, auf dem Eis zu sein. Auch diese Leidenschaft ist wichtig, davon hat er sehr viel. Ich bin stolz auf ihn.“